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VON JÜRGEN ESCHER (FOTOS)
UND THOMAS HAGEN (TEXT)
¥ Herford/Dhaka. Nur Sekun-
den haben gereicht, um die Le-
bensgrundlage von Shabbir(8)
undseinersechsköpfigenFami-
lie zu zerstören. Der Junge
lebteimIrrawady-DeltainMy-
anmar(Birm a)ineinerarmseli-
genHütte,alsderWirbelsturm
NargisüberdasFlussdeltahin-
wegfegte und die gesamten
Habseligkeitender Familie mit
sich riss. Shabbir konnte sich
mit
seiner
zehnjährigen
Schwesterins Hausdes Dorfäl-
testenretten.
Seine Eltern und die anderen
Geschwister hat er seither nicht
mehr gesehen - sie sind ums Le-
ben gekommen. Heute leben
Shabbir und seine Schwester in
einem Flüchtlingslager im be-
nachbarten Bangladesch, denn
trotz der enormen Verwüstun-
gen die der Zyklon anrichtete,
hat die Militärjunta von Myan-
mar bislang kaum ausländische
Hilfe ins Land gelassen. Außer-
dem ließ das Militär die Notla-
ger an der Grenze zu Bangla-
desch räumen und zwang zahl-
lose Menschen zur Flucht aus
Birma ins Nachbarland. Eine
Sprachbarrieregibtesnicht.
Auch Visaanträge westlicher
Helferwurdenregelmäßigabge-
lehn t. Die einzige Möglichkeit
ins Land zu kommen, war sich
alsTouristauszugeben.Soeinge-
reist, konnte ein Mitarbeiter der
Organisation Cap Anamur ein
wenigHilfeinBirmaleisten-im-
mer wieder davon bedroht, dass
das Militär seinen Einsatz ent-
deckte.
Der Herforder Fotograf Jür-
gen Escher, seit 1985 das Auge
der Hilfsorganisation, war ge-
rade in Bangladesch, um die Si-
tuation zu dokumentieren. Er
hat Fotos mitgebracht, die den
Ernst der Lage in einem der am
dichtesten bevölkerten Länder
der Erde deutlich machen. Seit
1991sindmehrals250.000Men-
schen aus Birma dorthin geflo-
hen, weitere 200.000 leben als
nicht registrierte Flüchtlinge in
provisorischenHüttenansamm-
lungen. Ihnen hilft Cap Ana-
mur, das sich ausschließlich aus
Spenden finanziert. »Es ist
schwierig,dortals»Nicht-Regie-
rungs-Or ganisation«überhaupt
Hilfe leisten zu dürfen«, sagt
Escher. Mit dem Wiederaufbau
einesHospitalsundeinerSchule
i m Norden des Landes am Golf
von Bengalen begann die Arbeit
derOrganisation.
JetztwillCapAnamur in Auf-
fanglagern in Cox's Bazar in der
NähevonChittagongunddirekt
im Gangesdelta Hospitäler und
Schulen errichten, um die kata-
strophale medizinische Versor-
gung und die Bildungssituation
der Flüchtlinge zu verbessern.
AuchdieVereintenNationense-
hen es gern, dass Cap Anamur
sich in Bangladesch engagiert.
Um überhaupt in die Nähe von
ChalnaPortundBarisalzugelan-
gen, musste sich Escher müh-
sam durch die Schlammwüsten
bewegen, die der Zyklon Nargis
und die nachfolgenden Über-
schwemmungenhinterlassenha-
ben. Die meisten Brücken sind
zerstört und notdürftig durch
Provisorienersetztworden.
»Es war faszinierend: trotz al-
lerWidrigkeitenbinichaufmei-
nenReisens eltensogastfreundli-
chen Menschen begegnet«, sagt
der Fotograf. Escher ist sicher,
dass sich das Engagement Cap
Anamurs auszahlen wird: »Nur
mit Hilfe und Spenden von au-
ßen werden die Flüchtlinge ein
Leben aus eigener Kraft führen
können.«
Infos:www.cap-anamur.org
F otograf beim Friseur: Jürgen
EscherlässtsichdenBartkürzen.
Das nackte Überleben: Neugierige Kinder stehen hinter dem Zaun im Myanmar-Flüchtlingslager Kutapalong in der Region Cox's Bazar. Im Gegensatz zu vielen anderen Men-
schen,dieausBurmaflüchtenmussten,sindsi eregistriertundgenießeneinebessereVersorgung.
NadelöhrinBadurtala: Nachdem der Zyklon Sidr die Brücke wegriss,
müssendieMenschenüberdiesenschwanke ndenStegansandereUfer.
Wasser,soweitdasAuges ieht: Flüsse wie hier in Cox's Bazar müssen
mitvollbepacktenGeländefahrzeugenüber wundenwerden.
Joghurt-Transport: In zwei Körben sind die Tonkrüge verpackt, die Männer durch die feucht-heiße Luft
aufihrenSchulternbalancierendandenReisf eldernvorbeitragen.
¥ Bangladesch mit seinen
153 Mio. Einwohnern grenzt
im Süden an den Golf von
Bengalen,imSüdostenanMy-
anmar und wird von Indien
umschlossen. Es nimmt den
östlichenTeilderRegionBen-
galen ein, der 1947 wegen der
muslimischen Bevölkerungs-
mehrheit von Indien abge-
spaltenundals»Ostpakistan«
zum Bestandteil Pakistans
wurde. 1971 erlangte Ostpa-
kistan nach dem Bangla-
desch-Krieg seine Unabhän-
gigkeit. Der größte Teil Ban-
gladeschs wird vom Deltabe-
reich der Flüsse Brahmapu-
tra, Ganges und Meghna ge-
bildet; ein ebenes Gebiet, das
häufigvonÜberschwemmun-
gen bedroht ist. Die Haupt-
stadt Dhaka liegt nur sechs
MeterüberNormalnull.
FluchtindieSchla mmwüste
FotografJürgenEscherwarfürdieHilfsor ganisationCapAnamurinBangladesch
Henna,Freud en-Muster: Ein
MädchenausPahanandazeigt
stolzseinebema lteHand.
Zerstörte Idylle: Großfamilie in
BargerhatnachdemZyklonSidr.
DieRegion
B angladesch
Besorgter Mutterblick: Diese Frau hat ihre beiden unterernährten
KinderinsGesundheitszentrumim FlüchtlingslagerLedagebracht.
Schlangendress ur: Zur Unterhaltung der Flüchtlinge lässt dieser zur
VolksgruppederRomazählendeManneineKobrat anzen.
LeidausbraunenAugen: DiesesunterernährteKindimClustervillage
Bulu rparabeiJoypurhatbrauchtdringendmedizinischeH ilfe.
SpielenimFluss: FlüchtlingskinderausMyanmartolleninderRegion
Cox'sBazarausgelassenherum.
Kreis Herford
NR. 259, MITTWOCH, 5. NOVEMBER 2008
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¥ Bielefeld. Nicht einmal
Bäumesind mehr vor Dieben
sicher.NachAngabenderPo-
lizei Bielefeld ist aus einer
Kleingartenanlage in Schild-
esche ein Pfirsichbaum ver-
schwunden. Der 38 Jahre alte
Besitzer der Parzelle vermisst
den zwei Meter hohen Baum
seitmehrerenTagen.DasErd-
loch hatten der oder die
Diebewiederzugeschüttet.
¥ Gütersloh. Eine Schülerin
aus Gütersloh hat Chancen,
Deutschlands geschickteste
Fahrradfahrerin zu werden.
Die Zwölfjährige hat sich als
einzige ihrer Altersklasse aus
Ostwestfalen für das Finale
des ADAC-Bundesfahrrad-
turniers qualifiziert. Der
Wettkampffindetam15.No-
vember in der Seidensticker-
halleinBielefeldstatt.
¥ Vlotho. Für den Bau eines
Gesundheitszentrums bewil-
ligt die Stadt Vlotho 1,5 Mil-
lionenEuro. In einer Sonder-
sitzung hat der Stadtrat be-
schlossen, das Ärztehaus mit
öffentlichenMittelnzufinan-
zieren. Vlothos Bürgermeis-
ter Bernd Stute erklärte, das
Gesundheitszentrum sei für
die Entwicklung der Innen-
stadtunverzichtbar.
¥ Pr. Oldendorf. Einen ton-
nenschwerenRadladerhaben
UnbekannteinP reußischOl-
dendorf bei Minden von ei-
ner Baustelle gestohlen. Die
Maschine habe einen Wert
von rund 30.000 Euro, teilte
diePolizeiinMindenmit.Die
Beamten hoffen auf Hinweise.
Der4,5TonnenschwereRadla-
der habe am Sportplatz einer
Hauptschulegestanden.
Tonnenschwere
Beute
¥ Warburg. Zum Gedenken
an den 70. Jahrestag der
Reichspogromnacht werden
am Sonntag zwei Ausstellun-
generöffnet.InengerKoope-
ratio n zeigen die Landvolks-
hochschule und das Jugend-
haus Hardehausen histori-
sche Text- und Bilddoku-
mente sowie eine moderne
künstlerischeAnnäherungan
dasThema» Ausgrenzung«.
¥ Paderborn. Lebensgefähr-
liche Verbrennungen hat ein
55-Jähriger bei einem Woh-
nungsbrand in Paderborn er-
litten. Kurz nach 6Uhr gab es
eineVerpuffunginderErdge-
schosswohnung des Mehrfa-
milienhauses, bei der meh-
rereScheiben zerbarsten. Der
Schwerstverbranntewurdein
eine Spezialklinik nach Han-
novergebracht.
¥ Bad Salzuflen. Der Multi-
ple-Sklerose-Förderverein
OWL Bad Salzuflen hat sich
als
»MS-Kompetenznetz
OWL« neu aufgestellt. Ein
Team aus Ärzten, Psycholo-
gen und Reha-Spezialisten
ausderRegionmöchteBetrof-
fenenKoordinationundBera-
tung bieten. Ausführliche In-
formationen gibt es unter
www.ms-kompetenznetz-owl.de.
Diebeerb euten
Pfirsichbaum
¥ Herford.WaseinjungerGraf
im 21. Jahrhundert wohl den
ganzen Tag so macht? Für die
Abenteuer des kleinen Lords
Fauntleroy ist Alexander Kurt
Pusich Graf von Trenewan mit
24 Jahren definitiv zu alt. Der
adelige Jungunternehmer lebt
undarbeitetinHerford.Eigent-
lich ganz normal. Aber in sei-
nerFreizeitwandeltGrafTrene-
wanaufden SpurenderVergan-
genheit - auch um die Gegen-
wart zu verstehen, verriet er im
Interview mit dieser Zeitung.
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