V O R L E S E . P R V O B R A N J E
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E s t h e r H e b e i n
aus ihren Gedicht-Zyklen: midnight blues,
annalena's gebet, schwarze tränen und nomaden
die spielerin
als ich mich entschlossen hatte, zu spielen
als ich in eine waagschale die verzweiflung warf
und in die andere den wagemut
sah alles ziemlich einfach aus
als ich mich entschlossen hatte
dir gute nacht zu sagen
dein bild in meinem herzen tragend
das hirn bereit für das spiel
zogst du mich an dich
die würfel sind gefallen
bevor der erste wurf fiel
nun stehe ich da
mit meinem ungeschickten herzen
das nicht einmal spielen kann
schwarze tränen
zuerst bin ich gerannt
zweitausend jahre weit oder zehn
oder mehr
ich bin gerannt
um zu sehen
in der höhe weitet sich der blick
meine augen fingen den weissen berg ein
bedeckt mit schnee bis an die fuss spitzen
umwoben von weissen wolken
sprühte er unter der mittags sonne
sein kristallenes feuer in den himmel
die tränen waren schon vorher da
eingesperrt in meiner volière für seltene vögel
aber in diesem moment
flossen schwarze tränen aus meinen brüsten
sie werden die lava meines seins nähren
weil du in meine träume passt
ich habe dich gefunden
im kleinen dorf auf den hügeln liguriens
in den ruinen
im efeu umrankten stein haus
in deinen gedichten und in deinem dunklen blick
in den untiefen deines lebens
ich habe dich gefunden, pionier siziliens
weil du in meine träume passt
einmal im jahr vielleicht
ich habe dich gefunden
beim wandern durch den wein berg
beim komponieren
beim leben meiner quellenden lust
beim finden meines rhythmus
beim lieben wollen
beim anblick deines körpers
knabe, ich habe dich gefunden
weil du in meine träume passt
genau in diesem augen blick
ich habe dich gefunden, matrose
im winzigen hafen unter dem dorf
mit den 365 stufen
im meer, das zerschellt an den felsen
auch wenn du ein gestrandeter bist
habe ich dich gefunden
ich finde dich immer wieder
weil du in meine träume passt
in die träume
vom meer
von weite
von freiheit
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Esther Hebein, geb. 1951 in Neumarkt/Steiermark als Tochter des aus Klagenfurt
stammenden Malers Friedmann Hebein, der überwiegend im Süden Europas malte. 26
Jahre Berufstätigkeit beim Bayerischen Rundfunk in München. Seit 1997 als Malerin
und Dichterin in Klagenfurt.
Ausstellungen 04 und 05: zyklus ,zeit ist' (malerei, lyrik, fotografie).
Lesungen: Radio Agora (Literaturcafé) oder im Musilhaus Klagenfurt (Die Lange
Nacht des Lesens der IG AutorInnen Kärnten)
2006: Lyrik-Veröffentlichungen in sechs deutschen Anthologien, Teilnahme mit
Lesung an den ,Kurpfälzer Lyriktagen' in Schwetzingen (18. Tagung zeitgenössische
deutschsprachige Lyrik) wo der Verleger Theo Czernik (Edition L) wieder für ein
renommiertes Programm u.a. mit Lesung von Raoul Schrott oder einer Hommage an
Hilde Domin, der großen Dichterin der Kurpfalz, zusammenstellte.
Der Österreichische Schriftstellerverband schrieb anlässlich der 90. Wiederkehr
des Geburtstages seines 1987 verstorbenen Mitgliedes Christine Busta einen
Lyrikwettbewerb aus. Es beteiligten sich 258 Autoren mit 772 Beiträgen. Die
Preisverleihung erfolgte im Dezember im Literaturhaus Wien.
Esther Hebein ist Preisträgerin des Christine Busta-Lyrikpreises (Elisabeth
Escher erhielt den 1., Peter Paul Wiplinger den 2. Preis, und 3. wurde Christian
Teissl, Lektor eines Kärntner Verlages.
l i e b e oder die rote armee
in grünen nächten
laufen die fragen in roten stiefeln übers land
landkrebse
landkrebse
auf dem weg zum meer
wenn der monsun fällt
einmal im jahr
strömt die rote armee
aus dem schutz des regenwaldes
entgegen den senkrechten klippen
den messerscharfen schwarzen felsen
den meterhohen wellen
den liebeshöhlen tief im sand
bereit zu lieben
bereit zu sterben
einmal im jahr
hochzeit auf christmas island
in grünen nächten
laufe ich nackt
in roten stiefeln
auf meiner schwarzen insel umher
und ziehe rote spuren durch die duldsamkeit der steine
meine armata rossa be zeichnet das land
mit wegen
mit wegen zum meer
wer sucht
ist ein nomade
ein nomade wird
weiter gehen
spuren ziehen
wissen
dass die suche nie endet
die reise von den bergen zum meer
ein nomade trägt in sich
liebe
gräbt sie in die erde mit jedem schritt
streut sie in die lüfte
strömt sie ins meer
brennt sie in die stationen
ein nomade sperrt nicht ein
warum wann was
l i e b e i s t
ein nomade ist bereit
landkrebse
auf christmas island
einmal im jahr
wenn der monsun fällt
rote armee bereit
für die liebe zu sterben
ich, nomade
einmal im jahr
wenn die grüne nacht sich öffnet
reite nackt
in roten stiefeln auf einem schwarzen ross
in schwarzen stiefeln auf einem roten ross
über die brennenden wege im schwarzen stein
zu der höhle am meer
und beschütze die liebe
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