Präventionsgesetz unterstützt Marketingaktivitäten der Krankenkassen
Der Deutsche Bundestag hat im Juni d.J. das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention verabschiedet. Eine Zustimmung des Bundesrates war nicht erforderlich.
Die Gesundheitsförderung soll im unmittelbaren Lebensumfeld, also in den Kitas, der Schule, am Arbeitsplatz und im Pflegeheim stattfinden. Die Umsetzungen erfolgen ohne Beteiligung des Sachverstandes der Ärzteschaft und auch nicht mit den vielen medizinisch qualifizierten Berufsgruppen etwa durch eine „Präventions-Umsetzungszentrale.“ Sinn und Zweck des Gesetzes ist es, Krankheiten zu vermeiden, bevor sie überhaupt enstehen. Prävention und Gesundheitsförderung sollen dort greifen, wo Menschen leben, lernen und arbeiten.
Wie diese Aufgaben bewältigt werden sollen, sprechen die Sozialversicherungsträger, Bundesländer und Kommunen sowie die Bundesagentur für Arbeit und Sozialpartnern in einer nationalen Präventionskonferenz ab, dabei geht es dann um Festlegung gemeinsamer Ziele und Vorgehen.
Zu bemängeln ist: Man braucht bei der Zielsetzung ein gesundheitlich-präventives Verhalten im Erlernen von Kindesbeinen an- also die Fachkompetenz vor Ort, die für die Versorgung, Behandlung und Betreuung im Gesundheitswesen zuständig ist. Das wird von der Politik ignoriert. Hinzu kommt, dass die Kosten nicht aus den öffentlichen Haushalten des Bundes finanziert werden, sondern vom Beitragszahler in der Sozialversicherung, insbesondere in einer Größenordnung von den Gesetzlichen Krankenkassen/Pflegekassen von jährlich 511 Millionen Euro. Die Folge wird selbstverständlich sein, dass neben weiteren beschlossenen Ausgabensteigerungen sowie auch aus Gründen von Tariferhöhungen im Gesundheitswesen der Zusatzbeitrag für alle Mitglieder ab 2016 ansteigen wird. Nicht belastet werden die Abgaben der Arbeitgeber. Die Private – Krankenversicherung beteiligt sich finanziell nicht – so der Wille der Politik!
Ausgesprochen ärgerlich ist der hinzukommende Aspekt, dass die Krankenkassen dieses Gesetz nutzen werden, um in den oben genannten Einrichtungen (Kitas, Schulen, Firmen ect.) ihre Mitgliederwerbungen verstärkt einzusetzen. Die Werbeinstrumente, also die Marketingaktivitäten, sind der Schlüssel, mit vielen Mitarbeitern, die heute bereits die eigentlichen Aufgaben einer Krankenkasse vernachlässigen, auszubauen. Entstehende erhöhte Personalkosten gehen zu Lasten der Beitragszahler. Die Aktivitäten für die Versicherten sind u.a. Yoga, Pilates, Zumba, Qi Gon, Nordic-Walking, Motorik, Wellness, Aerobic, Tai Chi und Boddyboarding.
Die zusätzlichen Kosten erscheinen nicht im Werbebudget, welches von der Bundesaufsicht limitiert ist. Hinweise der Politik, dass der bestehende Preiswettbewerb zwischen den Kassen Erhöhungen der Zusatzbeiträge verhindern wird, sind nicht ernst zu nehmen, weil alle Kassen in identischer oder ähnlicher Höhe die Anhebungen vornehmen. Auch der Hinweis der Möglichkeit eines Kassenwechsels lohnt sich für verärgerte Mitglieder nicht.
Niemand erwähnt in der heutigen politischen Diskussion zur Schaffung des Präventionsgesetzes die persönliche Verantwortung der Bürger/Innen, sich durch Eigeninitiative gesund zu erhalten. Damit ich nicht mißverstanden werde: Gesundheitserziehung bei Ernährung und Bewegung in den Kitas und Schulen sind notwendig, Kostenzuschüsse bis zu 80% oder noch höher für Freizeitmaßnahmen und Initiativen zur Persönlichkeitsentwicklung gehören m. E. nicht dazu. Ich fürchte, die vielen Fitness-Studios werden in Zukunft von uns Beitragszahlern überwiegend subventioniert. Kein Gesundheitspolitiker tritt öffentlich für neue wissenschaftlich nachweisbare diagnostisch/therapeutisch-medizinische Maßnahmen in Fällen schwerer Erkrankungen ein. Da verlässt man sich parlamentarisch übereinstimmend auf das Beschlussgremium „Gemeinsamer Bundesausschuss Ärzte/Krankenkassen/Krankenhäuser“ wohl wissend, das die Finanzinteressen dort identisch sind.
Günter Steffen 29. September 2015 www.guenter-steffen.de
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