Die naive Denkweise, dass die Krankenhäuser in Trägerschaft von Aktiengesellschaften mit Krankenkassen preisgünstiger abrechnen.
Von Günter Steffen, Lemwerder
Der Dax-Konzern FRESENIUS will die Rhön-Klinikum-Kette mit insgesamt 53 Krankenhäusern und 39 Versorgungszentren in Deutschland auch noch übernehmen. Falls die Planung von den Aktionären angenommen wird, entsteht damit bei Helios AG der bei weitem größte private Klinikbetreiber. Die Asklepios-Gruppe ist bereits seit einigen Jahren Aktiengesellschaft. In Zukunft geht es also in vielen Krankenhäusern kostenmäßig um den Profit für die Aktienbesitzer. Der Profit kann nur dann erreicht werden, wenn der Krankenhausbetrieb große Gewinne erzielt. Der neue Konzern von Fresenius wird dann fünf Millionen Patienten jährlich behandeln. Helios AG würde 200 Kliniken und Versorgungszentren betreiben. Nun kann man aus den Medien entnehmen, die Krankenkassen und die Patienten würden davon profitieren!
So eine Behauptung kann nur theoretisch richtig sein, in der Praxis spricht leider nichts dafür. Die Befürworter beschreiben die Vorteile darin, dass durch gemeinsame Beschaffungen der Medikamente und OP-Bedarf, Zusammenlegung der IT und Verwaltungsaufgaben günstigere Kosten erwirtschaftet werden.
Diese Einrichtungen haben genau wie andere Häuser - ohne Unterschied von Trägerschaften- Anspruch wegen Behandlungen der Patienten auf der Basis der Vergütung gesetzlich bewerteter DRG-Fallpauschalen. Auch diese Krankenhäuser werden ihre Personal- und Sachkosten sicher im Vergleich zu den Krankenhäusern, die eine andere Gesellschaftsform haben oder freigemeinnützig bzw. staatlich geführt werden, absenken können. Dadurch werden allerdings die vertraglich vereinbarten Vergütungen mit den Krankenkassen nicht unbedingt verringert. Insofern kennt das Krankenhausfinanzierungsrecht mit den Ausführungsbestimmungen der Pflegesätze (Fallpauschalen und Sonderentgelte sowie Zu- und Abschläge) in der Praxis kaum oder keine preisgünstigeren Verträge. Selbst dann nicht, wenn die Leistungsqualität völlig vergleichbar ist mit den Krankenhäusern ihrer Versorgungsstufe. Mit den Fallpauschalen werden die allgemeinen Krankenhausleistungen für den bestimmten Behandlungsfall vergütet. Insgesamt gilt für ein Krankenhaus der vertraglich vereinbarte Gesamtbetrag nach einem flexiblen (Kalkulations)-Budget. Die Höhe der Entgelte wird mit Hilfe eines Punktwertes - landesbezogen für alle Krankenhäuser- vereinbart. Dazu gehören auch alle Operationen.
Mir soll niemand erzählen, dass die zur Aktiengesellschaft gehörenden Häuser bereit sein könnten, ihre Leistungen im jeweiligen Bundesland preisgünstiger für Krankenkassen und Versicherte wegen der durchaus geringeren medizinischen und verwaltungsmäßigen Kosten zu berechnen.
Die internen Kostenreduzierungen werden für die notwendigen Gewinne benötigt. Darunter werden ganz sicher auch die personellen Besetzungen in der Pflege, aber auch im Ärztlichen Dienst, zu leiden haben. Die Gewinne sind dann noch zu optimieren, wenn der Patient in einer noch kürzeren Verweildauer, als die Grenzverweildauer vorschreibt, unterschritten wird.
Der Trend der Übernahme der staatlichen/kommunalen Krankenhäuser in private oder AGs Trägerschaften ist nicht mehr aufzuhalten. Der eigentliche Grund dafür ist: Die wirtschaftliche Führung in den kommunalen Krankenhäusern leidet u.a. darunter, von den Parteien und insbesondere von den Gewerkschaften keine Genehmigung zur Umsetzung einer strengen Wirtschaftlichkeit zu erhalten. Automatisch werden Verluste eingefahren, die auf Dauer aus den Haushalten der Kommunen heute nicht mehr finanziert werden können.
Ideal als Krankenhausträger bewähren sich immer noch freigemeinnützige Arbeitgeber wie z.B. die Diakonie, Caritas, DRK, Arbeiterwohlfahrt oder die Gesellschaftsform einer eingetragenen GmbH. Diese Krankenhäuser dürfen ihre Gewinne überwiegend nicht abschöpfen und sind dazu verpflichtet, derartige finanzielle Überdeckungen wieder für Investitionen ins Krankenhausgeschäft einzubringen. Da sie auf eine wirtschaftliche Betriebsführung -wegen der Unterdeckungsprobleme- angewiesen sind und die auch praktiziert wird, bestehen dort noch am ehesten auch intern einigermaßen gerechte Personalbesetzungen, übrigens auch in der Pflege. Ich verschweige nicht, dass auch diese Krankenhäuser weitgehend mehr und mehr als reine Medizinbetriebe arbeiten. Der schnelle Durchlauf der Patienten auf der Grundlage der Qualitätsstandards ist auch hier voll gegeben. Dadurch werden die Anforderungen an die Ärzteschaft und an die Stationspflege immer grenzwertiger.
Vorschub leistet das gesetzlich vorgegebene Vergütungsrecht. Die Mediziner verhelfen ihren Verwaltungen zu immer höheren Erträgen aufgrund der DRG-Fallpauschalen. Behandlungsdiagnostik und die dazugehörige Therapie findet immer mehr auf der Grundlage der Prüfung weiterer Abrechnungsmöglichkeiten -Zweit und Dritt-Diagnosen - statt. Absolut kein Wunder, dass der Beitragszahler sich einigermaßen wundert, wieso die Ausgabenschere für stationäre Behandlungen bei den Krankenkassen immer weiter auseinander geht.
Natürlich könnte ein gerechteres Vergütungssystem eingeführt werden. Wobei ich bestätigen kann, keine Seite der Abrechnungsparteien hat in Wirklichkeit ein Interesse daran. Die Krankenhausträger aus den nahe liegenden Gründen, ihre wahren wirtschaftlichen Fakten nicht preisgeben zu müssen und die Krankenkassen, die in eine detaillierte Verhandlungspraxis nicht eintreten wollen, um nicht Verantwortung für personelle Besetzungen in den einzelnen Krankenhäusern übernehmen zu müssen.
Aber ein gerechtes und unbürokratisches Abrechnungssystem wäre möglich. Das gegenwärtige Abrechnungssystem der DRG-Fallpauschalen fördert versehentliche und bewusste Falschabrechnungen zu Lasten der Beitragszahler, mindestens jährlich von 1 Milliarde Euro.
Die so nahe liegende Alternative setzt Vertragsverhandlungen auf der Basis der wirtschaftlichen Beurteilungsfakten voraus, um einen Durchschnittspreis - über alle Leistungen hinweg - des einzelnen Krankenhauses zu vereinbaren. Dabei würden die wirtschaftlich notwendigen Personal- und Sachkosten Grundlage als errechnete Fallkosten je Patient ermittelt.(Fallkosten des Krankenhauses dividiert mit der Fallzahl). Im Laufe der nächsten Jahre könnten die Durchschnittspreise plus Tarif- und Preissteigerungen weitgehend fortgeschrieben werden und im Streitfall die Angemessenheiten von unabhängigen Wirtschaftsprüfern ermitteln zu lassen.
Die Gründe, warum beide Seiten - Krankenhäuser und Krankenkassen - derartige Regelungen nicht wollen, habe ich bereits ausgeführt.
Die Lobbyisten bestimmen auch in dieser Frage die Gesundheitspolitik. Der Beitragszahler hat es hinzunehmen.
www.guenter-steffen.de Mai 2012
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