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LESEPROBE
Ein Merseburger in Paris
Was hat Paris, was Merseburg nicht hat
Merseburg ist eine über 1000 Jahre alte, nicht sehr große Stadt und ist in Mittteldeutschland gelegen Die Stadtie hat einen Dom und ein Schloss. Wie wohl jede Stadt hat Merseburg auch Einwohner: Die Merseburger. Einer von denen ist auch der Autor dieser Betrachtung.. Jener kam einst als Fremder nach Paris und das fiel ihm auf:
Er bemerkte, dass er sich in der Stadt eines anderen Landes befand, denn hier sprachen nur ganz wenige Menschen deutsch, fast alle nur französisch. Selbst die Kinder! Kommt also ein Merseburger nach Paris, stellt er unwillkürlich Vergleiche zu seiner Stadt an und findet bald heraus, dass die Unterschiede zwischen beiden Städten geringer, als allgemein angenommen wird, sind. Gewiss - , Paris weist mit über 2 Millionen Einwohnern eine etwas größere Einwohnerzahl als Merseburg auf, doch ansonsten ist bei näherem Hinsehen vieles gleich. Beide Städte liegen jeweils an einem Fluss: Paris an der Seine, Merseburg an der Saale. Beide Flüsse werden in Liedern besungen, der eine auf französisch, der andere mit deutschen Lauten. Allerdings: auf der Seine verkehren viel prächtige Fahrgastschiffe mit Ausflüglern und Touristen, wohingegen auf der Saale nur ganz gelegentlich ein altes Lastkähnchen dahintümpelt. Um es aber den Parisern gleichzutun offeriert man neuerdings den Merseburger Ausflüglern mittels eines Motorbootes die Gelegenheit zu auch einer Bootsfahrt. Wasser ist ja in beiden Flüssen ausreichend vorhanden und besitzt annähernd die gleiche bräunliche Färbung.
Beide Städte werden auch markant von weither sichtbaren Türmen überragt. Dort ist es der schlanke 300 m hohe von dem französischen Ingenieur Eiffel 1889 erbaute Eiffelturm, hier u.a. der zu einer Ruine gehörende massige Sixty-Turm. Während Ersterer als Touristenattraktion bestiegen werden kann um den Besuchern einen umfassenden Rundblick über die Stadt zu gewähren, ist man mit dem Besteigen von Türmen in Merseburg etwas zurückhaltender.
Beide Städte verweisen auf eine lange Geschichte. Paris existierte bereits zur Zeit Cäsars noch vor der sogenannten Zeitenwende Merseburg nur wenige hundert Jahre später. Beide Städte besitzen jeweils ein Schloss, Museen sowieso. Ein kleiner Unterschied offenbart sich in der Belebtheit der Stadt. Während in Merseburg ab Ladenschluss die Bürgersteige hochgeklappt werden, beginnt in Paris das Nachtleben im Moulin Rouge und anderswo
Auch in Paris starren den Besucher tote Fensterhöhlen leer stehender Wohnungen an. Man zieht sich offensichtlich der hohen Mieten wegen aufs Land oder in die vielen Vorstädte zurück mit deren Eingemeindung Paris seine Einwohnerzahl von 2,4 auf 10, 6 Millionen erhöhen konnte. Wie auch in unserer Stadt wird dort gleichfalls überall gebuddelt und riesige Baukräne, die nötig sind, um protzige Bankgebäude oder moderne Geschäftshäuser zu errichten, ziehen den Blick auf sich. Wo gibt es heute noch ein fertiges Stadtbild? Wo den von den Parisern der Louvre neben anderen Sehenswürdigkeiten den Gästen ans Herz gelegt wird, verweisen die Merseburger auf den neu gestalteten Entenplan mit einem attraktiven Kaufhaus an Stelle einer über Jahre hinweg als Schandmal bezeichneten, von Bomben des zweiten Weltkrieges teilweise deformierten Ruine. Aber wenn wir glauben, dass nur unsere Stadt die aus dem Boden emporragenden Schlote eines untergegangenen Ozeanriesens (Dem Leser sei verraten, es handelt sich um die Entlüftung einer unterirdischen Garage) als weitere einzigartige Attraktion anzubieten hat, so muss man leider enttäuscht feststellen, dass damit Paris gleichfalls aufwarten kann. Neben dem in einem gewaltigen Rohrgeflecht förmlich aufgehängten sogenannten Pompidou-Gebäude zieren ebensolche sogar noch etwas größere unförmigen Gebilde das Stadtbild.
Gebilde ganz anderer Art finden sich dort wie hier auf Grund der Tatsache, dass viele Menschen zunehmend auf den Hund kommen, auf Plätzen und Gehwegen und verärgern den Pariser ebenso wie den Merseburger. Allerdings haben sich die dortigen Stadtoberen etwas einfallen lassen. Mit Verwunderung und Staunen kann der Passant Motorradfahrer umherfahren sehen, die mit einem staubsaugerähnlichen Gerät diese gefährlichen »Tretminen« aus dem Verkehr ziehen und diese bis auf einige lästige stets wieder neu gesetzten Rückstände in einen Behälter entsorgen. Das ist nun mal etwas, das Merseburg nicht aufzuweisen hat, wenigstens, was solche Motorradfahrer anbetrifft, nicht jedoch was den Hunden mehr aber wohl noch den Passanten unterwegs lästig wird.. Und noch etwas findet sich in Paris, wonach man in Merseburg vergeblich (oder auch nicht) Ausschau hält. Das ist die »sündige Meile«. Ein Fremder hüte sich, ihr zu nähern. Schon ein kurzes Stehenbleiben vor einem grellen, aufreizenden Plakat genügt, dass man herein komplimentiert wird und sich in einem in schummriges Rot getauchten Etablissement wiederfindet, aus denen man gewöhnlich mit leerem Beutel auf die Straße zurückkehrt. Bei der Vielzahl solcher «Häuser« sollte man annehmen, dass den Parisern Tisch und Bett im trauten Heim nicht genüge und sie deshalb die Einrichtungen mit den speziellen Diensten brauchten. Doch gemach!Demistnichtso.DieseMeilen sind vornehmlich für Abenteuer suchende Touristen da und nicht für die Pariser. In den Prospekten ist ja deutlich nachzulesen, und das wird auch von den zahlreichen auf Parkbänken oder auf den Stufen zum Montmartre vor der 83 m hohen Kuppel der Sacré-Coeur sich küssenden Pärchen bestätigt: Der Pariser liebt die Seine.
Er liebt aber auch wie wir Schlösser und Schlösschen, auf die beide Städte stolz als echte Touristenattraktionen verweisen können. Da größte und berühmteste Pariser Schloss befindet sich weit außerhalb der Stadt in Versailles und kann auch ( gegen Entrée naturellement!) besichtigt werden. wie auch die vielen kleineren in der Stadt. Im Merseburger Stadtinnern zieht das wieder aufgetauchte (restaurierte) »versunkene Schlösschen« den Blick der Besucher auf sich, doch es ist nicht ein solches, das man selbst gegen Entrée besichtigen kann. Dafür aber bestaunen und necken (verboten!) die Gäste der Stadt den berühmten Merseburger Raben, wenn dieser nicht gerade mal gestorben ist. Einen Merseburger Raben haben die Pariser nicht! Ätsch!
Die Straßenreinigung in Paris erfolgt, wie man das erstaunt registriert, mit kräftigem Wasserstrahl so jede Feinstaubbelästigung vermeidend. Es ist anzunehmen, dass Merseburg diesem Beispiel der hohen Wasserkosten wegen nicht folgen wird.
Wie sich aus diesen Darlegungen ableiten lässt, sind die Unterschiede zwischen Paris und Merseburg gering. Um sie ganz auszugleichen, sollten die Merseburger ihre Geburtenrate etwas steigern, ihren Hunden Anstand beibringen und auch mal vor der eigenen Tür kehren.
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