Hamburg, 20. Januar 2012 ( epa) Was sagt Joachim Gauck dazu:
Auf einer Lesung aus seiner Autobiografie „Winter im Sommer-Frühling im Herbst“ trug Joachim Gauck, ehemaliger Bundesbeauftragter und Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde, vor über 500 begeisterten Gästen in Hamburg, aus seinen DDR-Erinnerungen vor. Der herausragende Protagonist im Prozess der Wiedervereinigung und „Präsident der Herzen“ - wie ihn die Medien in Deutschland nennen - verweigerte jegliche Interviews der Presse, mit der Bemerkung „Ich habe bisher alle Interviews abgesagt, warum sollte ich gerade Ihnen ein Interview geben?“.
Dennoch gelang es den Journalisten Hans Hein-Becker und Professor Dr. Michael Ceyp von der epa - Europäische Presse Agentur, Hamburg, zum Ende der Veranstaltung den vielbeachteten Buch-Autor Joachim Gauck zu einem höchstrelevanten Interview zu bewegen.
Der viel respektierte Gauck äußert sich zu den zentralen Fragen der Demokratie (Menschenrechte, Bürgerrechte und Freiheit) sowie zu Freiraum und Kontrollzwang im Internet. Gerade seine letzteren Ausführungen zur unkontrollierten Freiheit des Internets korrespondieren zu Ansichten des Beraters von US-Außenministerin Hillary Clinton, Herrn Alec Ross.
Der Polit-Profi Gauck, rhetorisch brillant, verkniff sich jede Anmerkung zur Causa „Wulff“ und zur eigenen Rolle als Präsident im „Stand-by-Modus“.
„Joachim Gauck hat sich in herausragender und auch in unverwechselbarer Weise um unser Land verdient gemacht - als Bürgerrechtler, politischer Aufklärer und Freiheitsdenker, als Versöhner und Einheitsstifter“ sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wir haben ihm deswegen auch die Frage nach seiner Einschätzung des weiteren Fortgangs des Arabischen Frühlings gestellt. Eine ähnliche Situation wie in Deutschland 1989, wenn auch ohne Tote. Frage: Arabischer Frühling:
Was würden Sie den Protagonisten des Arabischen Frühlings auf den Weg geben, wo sie ja eine ähnliche Situation haben, wie 1989 in Deutschland. Antwort Joachim Gauck:
Also ich würde ihnen gerne mit auf den Weg geben, dass die Freiheit, wenn sie jung ist und Befreiung heißt, da sind viele dabei, weil alle können sich freuen der Diktator ist weg! Und dann kommt eine Art von Freiheit, die schwerer ist, das ist die Freiheit zu etwas und für etwas. Da muss man auch noch Geduld und Kraft aufbringen, um dann die unterschiedlichen Meinungen über die Zukunft auszudiskutieren aber nicht die Lust verlieren zu gestalten. Diese Freiheit zu etwas, die können wir auch Verantwortung nennen. Dass die Menschen also begreifen, nicht nur frei zu sein von etwas, sondern auch frei zu sein für etwas. Und dann Geduld zu haben, wenn viele Menschen die Demokratie noch nicht kennen, dann muss man Energie aufbringen, um dort Schritt für Schritt – das wird dann noch nicht unser Modell sein – aber Schritt für Schritt in Richtung Demokratie, Menschenrechte, Bürgerrechte und Herrschaft des Rechtes zu gehen. Es ist möglich und das ist das tolle Signal. Frage 2:Freiheit im Internet:
Nun haben wir nun seit 20 Jahren die Freiheit auch im Internet. Jüngst haben große Internetportale in den USA aus Protest ihren Dienst eingestellt, weil sie eine Kontrolle dieses - ich sag mal „urdemokratischen“ - Mediums erwarten. Wie beurteilen Sie die Entwicklung? Ist es nötig „mehr Kontrolle im Internet“ oder würden Sie sagen, dass der Status Quo eines vielleicht unkontrollierten Internets ein demokratischerer Weg ist? Antwort Joachim Gauck :
Ich glaube nicht, dass das Internet ein rechtsfreier Raum ist. Einige Aktivisten im Netz stellen sich das so vor, dass es keinerlei Beschränkung gibt, aber es gibt keinen Raum, in denen Menschen einander begegnen, wo es nicht auch Regeln gäbe. Diese Regeln sind in der Regel wichtiger für die Schwachen, als für die Starken und deshalb bin ich sehr gespannt darauf, ob es uns gelingt, die Freiheit der Kommunikation zu erhalten, und gleichzeitig Verstöße gegen geltendes Recht zu blockieren. Es gibt nun einmal Persönlichkeitsrechte und die gelten generell und wenn sie generell gelten, sollten sie auch im Netz gelten. Deshalb bin ich gegenüber den Aktivitäten einiger Wikileaks-Aktivisten doch sehr skeptisch gewesen und wünsche mir einen sehr intensiven Diskurs der jungen Netznutzer und der Menschen, die begeistert sind für die Freiheit des Austausches, mit denen, die nicht nur als Juristen sondern auch als Politiker über Grundrechte sehr viel wissen. Und da sind wir noch nicht, wir stehen am Anfang einer Debatte. Wir danken Ihnen für das Gespräch. Foto: v.l.n.r. Hans Hein-Becker, Chefredakteur der epa .Joachim Gauck, Buch –Autor und Professor Dr. Michael Ceyp.
Hans Hein-Becker
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