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Quelle: Buch „750 Jahre Kitzscher“, Stadtverwaltung Kitzscher, 2001
(E. Reinhold Verlag, Altenburg)
Seiten. 5 und 6
Ersterwähnung des Ortes und
Persönlichkeiten des Geschlechtes derer von Kitzscher
Unter dem Wettiner Heinrich dem Erlauchten, der ab 1230 Markgraf von Meißen, ab 1243 Herr des Pleißner Landes und ab 1247 auch Landgraf von Thüringen und Pfalzgraf von Sachsen wurde, kam es in Torgau zur Gründung eines Zisterzienserklosters. Dieses konnte sich durch die unmittelbare Nachbarschaft zweier älterer Klöster des gleichen Ordens in Mühlberg und Dobrilugh nicht entfalten. Die Benediktiner auf dem Petersberg bei Halle hatten außerdem rings um Torgau alle Besitzungen. Dies erschwerte die Entwicklung, da keine Erwerbsmöglichkeiten von Ländereien bestanden.
Der Markgraf besaß den Muldenübergang bei Grimma und bot den Nonnen an, sich hier niederzulassen. 1250 wurde dies vollzogen. Als Kloster diente ein Gebäude, das an der Stelle der heutigen Superintentur am Baderplan stand. Im untersten Stockwerk war die Kirche, während sich oben die Schlafräume der Nonnen befanden. Die wiederhergestellte Elisabeth – Kapelle im Keller des Hauses lässt dies erahnen. Zum Fest des heiligen Laurentius, dem 10. August 1251, wurde die Gründung besiegelt und die Einkünfte und Besitztümer bestätigt.Einige Jahre später,
1258 kauften die Nonnen das Dorf Nimbschen von Ritter Hartung von Reidenburg und begannen sich ein Kloster zu bauen. Zur Zeit der Reformation lebte Katharina von Bora in diesem Kloster, bevor sie von dort flüchtete und später von Martin Luther geheiratet wurde.
Guenterus de Kiczschere war Zeuge der Gründung und Stiftung. Dieses ist in einer Urkunde besiegelt und somit die erste Erwähnung unseres Ortes.
Da die von Kitzscher noch unmündig sind, wurden für sie Vormünder eingesetzt.
Vormünder: Eustarius von Harris zu Lichtenwalde,
Heinrich Pflug zu Röthaw, Großeltern Katharina von Bora Frau von Martin Luther
Hans von Holeuffer zu Steinbach,
Georgen Munch zum Rodelburgk
Guenterus stammt aus einem alten meissnischen Adelsgeschlecht, das im Zuge der Belehnung unseren durch Sorbische Gründung entstandenen Ort zu ihrem Stammsitz machte. Über 400 Jahre, bis 1676, sind nachweislich die Herrn von Kitzscher Lehnsnehmer der Markgrafen von Meißen und Kürfürsten von Sachsen. Als Heroldszeichen trugen sie auf ihrem Schild ein in Silber und Schwarz fünfmal geteiltes, mit Silber beginnendes Wappen, das sich heute in unserem Stadtwappen wiederfindet.
Durch die Leipziger Teilung wurde Kitzscher der ernestinischen/kurfürstlichen Linie zugeordnet. Nach über 60 Jahren erhält Herzog Moritz von Johann Friedrich dem Großmütigen die Kurwürde und Ländereien. Kitzscher kommt zu den albertinischen Besitzungen. Nach wiederum 142 Jahren im Jahre 1698 verpfändet August der Starke auf Grund von Geldmangel die Stadt und das Amt Borna auf 24 Jahre für 60.000 Taler an den ernestinischen Herzog Friedrich I. von Sachsen – Gotha – Altenburg. Ein Glück für Kitzscher, es bekommt dadurch keine Einquartierung schwedischer Soldaten des Königs Karl XII. von Wasa, der im Nordischen Krieg Sachsen besetzen ließ.
Die bedeutendsten Mitglieder der Familie von Kitzscher waren:
Dr. Johann von Kitzscher: Er studierte in Rom und Bologna Jura und wurde 1498 Rector der Universität Bologna.War Rath des Herzogs Georg dem Bärtigen von Sachsen und trat in die Dienste des Pommernherzogs Bogislaw X. In Pommern in Ungnade gefallen, kehrte er zurück nach Sachsen und trat in den Dienst von Herzog Heinrich den Frommen. Dieser betraut ihn mit wichtigen Geschäften und beauftragt ihn, 1539 die Kirchenvisitation zu begleiten. Johann war Probst am Georgenstift in Altenburg und Canonicus der Domkirche zu Naumburg. Er war Schriftstellerisch tätig und verfasste 1505 eine Schrift gegen die Missstände unter Papst Alexander VI. „Dialogus de Sacri Romanii rebus“ 1508 war er Generalprokurator des Deutschen Ordens in Rom.
Georg II. auf Kitzscher: Nach dem Tod seines Vaters Georg I. wurde er 1496 vom Burggrafen von Leisnig belehnt. Er war kurfürstlicher Kämmerer in Weimar und seit 1506 Amtmann von Leisnig. 1522 begleitet er im Auftrag des Kurfürsten Friedrich des Weisen den Bischof von Meißen auf seiner Visitationsreise. Georg der II. stirbt 1528. Gemeinsam mit seinen 6 Brüdern lässt er aus Dankbarkeit für seinen Vater Georg den I. eine Marmortafel in der Kirche anbringen, die folgenden Wortlaut hat: „Der Stolz der Familie und das Vorbild des Geschlechts von Kitzscher Georg, dessen Gedächtnis wegen seiner hervorragenden Tugenden und glänzenden Taten lebt, blüht und mächtig wirkt, hat sich dieses durch die treue Liebe seiner sieben Söhne gestiftete Denkmal verdient. Alles mit schrecklicher Sichel haut nieder der ruchlose Tod, ungelehrtes Volk und vornehm gekleidete Männer. Hier ist von Kitzscher jener Georgius begraben, dieser Glanz seines Hauses und der Seinigen Schutz. Dies hier setzen die Söhne, die sieben, dem lieben Vater, damit dem so großen Mann für immer es Andenken sei.
D.M. Er starb im Jahr des Herrn 1495, seines Lebens aber im 66.“
Georgs Bruder – Wolff von Kitzscher: Kursächsischer Rath und Oberstallmeister
Hildebrandt von Kitzscher-noch ein Bruder: 1531 fürstlicher Rath und Amtmann zu Rosenheim.
Mit dem Tod Christoph von Kitzscher, der Kinderlos stirbt, erlicht 1676 das Geschlecht auf Kitzscher. Weiter von Kitzscher sind im 17. und 18. Jahrhundert in Pommern und Schlesien nachgewiesen. Mit Gottfried Albrecht von Kitzscher, der 1772 Königlich – preußischer Hauptmann und noch bis 1803 in Wittenberge an der Prignitz lebte, erlosch der Stamm endgültig.
(Ende des Artikels in der Quellenangabe)
(Auf die Abbildung der Gründungsurkunde und des Wappen wurde in dieser Abschrift verzichtet, da beides in der Datei „1251_kiczschere“ , Ortschronik Kitzscher, enthalten ist.
Weiteres, Notizen aus dem Konspekt:
Heroldszeichen (Schild) der Familie von Kitzscher
Schwarz/Silber – Schwarz beginnend - 5 geteilt
- Familie aus dem Meissnischen stammend
- 1440 erstmals erwähnt
- 1460 zustehendes Stammgut gleichen Namens bei Borna gelegen
Markgraf Heinrich der Erlauchte beurkundet die Errichtung eines Klosters in Grimma, um die Cistercienser – Nonnen in Torgau dahin zu versetzen, und bestätigte dabei die demselben zuständigen Einkünfte und Besitztümer.
Grimma, 09. August 1251
Formlos beantragen – Urkunde über die Ersterwähnung von Kitzscher (Gunherus de Kicschere)
O.U. 498
Hauptmann Lewin Christian von Kitzscher
Hauptgüter in Churfürstenthum und Königreich Sachsen kommt hier in Betracht wegen des Besitzes von Nischwitz in Churkreise, das dem Hans Günter von Kitzscher in der Zeit von 1613 – 1616 gehört hat. Seine Gemahlin war eine verwitwete von Staupitz.
Ein Hans Joachim von Kitzscher kommt 1619 in Besitz Nischwitz vor.
Besitzer des Rittergutes Kitzscher (seit 1656 schriftsässig)
Zeitraum Name des Besitzers
um 1251 Günther (I.) von Kitzscher
um 1318 Günther (II.) von Kitzscher
um 1349 Heinrich von Kitzscher ( auch Herr von Kleinzössen )
um 1375 Chunrad von Kitzscher
um 1392 Reynold von Kitzscher ( besaß auch Kesselshain )
? - 1443 Hans von Kitzscher (1443 gestorben)
1443 - 1468 Günther von Kitzscher (sein Sohn – 1468 gestorben)
(das Schloß war seiner Mutter Else als Leibgut
zugeschrieben worden; Hans war kinderlos)
1468 - 1495 Georg (I.) von Kitzscher (sein Vetter; 1495 gest.)
1496 - 1529 Georg (II.) von Kitzscher (der älteste von 7 Söhnen)
(er erwarb 1510 Zöpen und andere Güter; 1529 gest.)
wurden seine Söhne, Georg, Christoff und Hans,
mit Kitzscher belehnt
1548 - 1553 Georg von Kitzscher (einer der 3 Söhne)
(wird erneut belehnt; alleiniger Besitzer;
1553 gestorben)
1553 - 1560 Georg von der Jane auf Gestewitz verwaltet das Gut,
weil Georgs Kinder noch nicht volljährig sind
1560 - 1577/78 Georg von Kitzscher (nach erlangter Volljährigkeit)
1577/78 - 1586 ? , da seine Söhne Hans und Georg
noch unmündig sind
1587 - 1596 Hans und Georg (1596 gestorben) von Kitzscher
werden als Lehnsherrn erwähnt
1596 - ? Hans von Kitzscher ist alleiniger Besitzer
? - 1630 Hans von Kitzscher (sein Sohn; 1630 gestorben)
1630 - 1637 Hans und Kaspar (1637 gestorben) Degenhard
(seine Söhne; unter Vormundschaft ihrer Mutter)
1637 - 1645 Hans Degenhard ist alleiniger Besitzer
1645 - 1674 Christoff und Karl (1674 gestorben) von Kitzscher
auf Zöpen, Kesselshain und Thierbach (seine Vettern)
(Justizrat Berlich aus Dresden wurde Mitbelehnter,
da das Gut hoch verschuldet war und er ihnen eine
größere Summe Geld geliehen hatte)
1674 - 1676 Christoff von Kitzscher ist alleiniger Besitzer
(1676 gestorben)
1676 - 1677 5 Töchter des Justizrates Berlich, welche 1677 be-
lehnt wurden
1677 - 1691 Dr. Romanus Teller auf Bräunsdorf
(lebte vom 22. März 1641 bis zum 2. November 1691)
1691 - 1694 M. Romanus Teller und Dorothea Barbara verehelichte
Schleising (seine Kinder)
1694 - 1701 Anton Wilhelm Treusch von Buttlar
(Herzoglich Sächsisch-Gothaischer Hauptmann)
1701 - 1724 Poppo von Hartmann (1724 gestorben)
(Fürstlich Weißenfelsischer Landkammerrat)
1724 - 1729 Poppo von Hartmann (sein Sohn; 1729 gestorben)
(Fürstlich Weißenfelsischer Landkammerrat)
Besitzer des Rittergutes Kitzscher (Fortsetzung)
Zeitraum Name des Besitzers
1729 - ? Poppo Friedrich und Adolph Heinrich von Hartmann
(seine unmündigen Söhne)
? - 1764 Poppo Friedrich von Hartmann ist alleiniger Besitzer
1764 - 1773 Poppo’s drei Söhne und seine Frau
1773 - 1777 Christian Gottlieb Freiherr von Hohental auf War-
tenburg kauft das Gut Kitzscher für Joseph Alexander
Pruß Jablonowsky (lebte von 1772 bis 1. März 1777)
1777 - 1787 Dobrigost August Fürst Jablonowsky (sein Sohn)
(verkauft das Gut am 20. September 1787 förmlich
an seine Lehnsträger, August Wilhelm Schroth)
23.Feb.1787 - Feb. 1795 Benedict Christoph Freiherr von Niebecker
(Großherzoglicher Sachsen-Weimarischer Obrist-
leutnant; am 16. Februar 1795 gestorben)
1795 - 1798 seine Frau Gemahlin
(sie hatte 3 Töchter und 2 Söhne)
1798 - 1832 Charlotte von Nolting geb. Freiin von Niebecker,
Christiane Freiin von Niebecker und
Auguste Freifrau von Keller (30. Dezember 1832 gest.)
(deren 3 Töchter; verkaufte an: )
1832 - 1843 Karl Frierich Freiherrn von Keller
(Großherzoglich Sachsen-Weimarischer Major a.D.;
am 7. April 1843 gestorben)
1843 - 1846 seine Erben
1846 ? - 1870 Hermann von Witzleben
1870 - 1909 Arndt von Arnim
1909 - Sept. 1941 Curt david von Arnim
1. Okt. 1941 ? - ? ASW Espenhain
Abschrift
1596 Hans Friedrich von Ze(t)schau
auf Brauswig
zu dem von Kitzscher – kein Name
1629 Heinrich Bühnau zu Kitzscher ???
1631 Hans von Kitzscher ist Lehnserbe von Kitzscher
Franciscus Romanns zu Braußwig
1639 Hans von Kitzscher für sein Gut 2 Pferde
mit Mann und Maus für den Krieg satteln
Wolf Christoff von Kitzscher zu Kesselshain
Christoff von Haubitz
Dr. Francisco Romanns
1681 Dr. Johann Friedrich Fälckner od. Falkner
zu Braußwig
Heinrich von Claußbruch (Lehnserben) von
Thierbach
Dr. Romanns Feller zu Kitzscher
Abschrift
Bisher nachweisbare Rittergutsbesitzerfamilien
Kitzscher
Fa milien von Kitzscher seit 1251
(Ministeriale der Markgrafen von Meißen?)
- Günther I. 1251
- Günther II. 1318
Die Familie ist bis 1676 nachweisbar. Bedeutende Vertreter im 15. uns 16. Jahrhundert.
Spätere Besitzer:
1678 – 1694 Teller – bgl.
1694 – 1698 von Buttlar
1700 – 1773 von Hartmann
1773 – 1786 Fürst Jablonowsky-Hohenthal
1788 – 1797 Freiherr von Niebecker
Quelle: Buch „750 Jahre Kitzscher“, Stadtverwaltung Kitzscher, 2001
Seite: 19 – 22
Joseph Alexander Jablonowski
Polnischer Magnat,
deutscher Reichsfürst,
Herr von Kitzscher und Haubitz
Jozef Aleksander Prus Jablonowski, in Deutschland Joseph Alexander Jablonowsky genannt (wir wollen, dem damaligen Gebrauch gemäß, den verdeutschten Namen fortan bleiben), war eine der eigentümlichsten Persönlichkeiten seiner Zeit, und das geschichtliche Urteil über ihn differiert außerordentlich. In Deutschland, Frankreich und Italien ein hoch angesehener Mann, hatten nicht wenige polnische Zeitgenossen für ihn nur Spott und Verachtung übrig. Und ausgerechnet diese schillernde Figur, polnischer Magnat mit besten Familienbeziehungen, wie wir sehen werden, vielleicht sogar mit der Aussicht, König von Polen werden zu können, Fürst des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, Träger hoher Orden und Mitglied mehrerer europäischer wissenschaftlicher Gesellschaften und Akademien, also dieser Fürst Joseph Alexander Jablo-nowsky stand seit 1773 bis zu seinem Tod in enger Beziehung zum Bornaer Land. Er war Besitzer des Rittergutes Kitzscher mit Haubitz, und nach damaliger Staatsverfassung der Herr dieser Orte und der Patron der Kirche in Kitzscher. Wer dieser Mann war und wieso er nach Kitzscher kam und welche Spuren er vielleicht hinterlassen hat, wollen wir erzählen.
Geboren wurde Joseph Alexander Jablonowsky am 4. Februar 1711 in dem kleinen Ort Tychoml am Fluss Horyn im damaligen Galizien (heute in der Ukraine). Als Knabe wurde er den Jesuiten in Lemberg (Lwow) zur Ausbildung und Erziehung übergebeben. Schon früh zeigte er Interesse für Geschichte und deren Nebengebiete, vor allem für die Heraldik, aber auch, dem Vorbild des Großvaters folgend, für Astronomie. 1733, nach dem Tod des Vaters, kehrte er von einer Bildungsreise nach Hause zurück und erhielt von seiner Mutter, einer Tochter des Nikolaus Sieniawsky, Woiwoden von Wolhynien und Kron-Feldherrn von Polen, die Starostei von Busk aus deren Erbe überlassen. Er wurde damit zum reichen Feudalherrn. Nach dem Tod Augusts des Starken - als König in Polen August II. - nahm Jablonowsky am Sejm teil und beteiligte sich lebhaft an dem Intrigenspiel zur Wahl eines Nachfolgers.
1735 beteiligte er sich an der sogenannten Konförderation von Dzikow, einer Adelsverbindung, die Wahl von Augusts Sohn Kurfürst Friedrich August - der spätere polnische König August III. - verhindern wollte und dem es auch gelang, den früheren, von August dem Starken in Verbin-dung mit Russland und Österreich verdrängten König Stanislaw Leszczynski, einen Verwandten Jablonowskys, zeitweilig nach Polen zurückzuholen. Offensichtlich zu diesem Zweck war Jablonowsky im gleichen Jahr, wie es heißt, in geheimer Mission, nach Frankreich gereist, wo Leszczynski - Schwiegervater des französischen Königs Ludwig XV. - im Exil lebte. (Kurioserweise verbrachte dieser einige Jahre auf der Burg Mildenstein in Leisnig. Er war der einzige polnische Herrscher, der zweimal wenn auch jeweils für kurze Zeit - auf dem Thron saß.) Für diese Mission war der erst Vierundzwanzigjährige ganz besonders qualifiziert: Die Mutter Leszczynskis war eine geborene Jablonowsky und Joseph Alexanders Tante; der Ex-König sein Vetter. Mit der diplomatischen Mission verbindet der junge Graf sein ausgeprägtes Interesse für die Künste und Wissenschaften.
Nach seiner Rückkehr nach Polen im Jahre 1736 heiratet er eine polnische Prinzessin, die ihn gleich mit zwei der einflussreichsten und vornehmsten Aristokratenfamilien in Verbindung bringt: Karoline verwitwete Sapieha geborene Radziwill. Er übernimmt die Vormundschaft der Kinder erster Ehe seiner Frau (was ihm später manchen Verdruss bringen wird) und bleibt so auch den Fürsten Sapieha nahe. Nunmehr tritt ihm seine Mutter auch die Starostei von Korsun ab, was seine Verhältnisse noch glänzender macht. Ob in dem Endzwanziger insgeheim der Wunsch aufkam, selbst nach der polnischen Königskrone zu streben, bleibe dahingestellt. Er wohnt nun auf dem Gut seiner Frau in Wolpi, Wojewodschaft Nowogrodek. 1740 wird die Tochter Teofila Strzyzlawa, 1741 der Sohn Stanislaw Bozydar, und 1742 die Tochter Anna Dobrogniawa geboren. Später gelingt es ihm, indem er mit großen Geldsummen „nachhilft“, Wojewode von Nowogrodek zuwerden, was ihm einen Sitz im Senat einbrachte.
Indessen war 1741 sein erstes Buch erschienen, und zwar in polnischer Sprache, unter dem Titel „Sätze und Meinungen gegen die ansteckenden Krankheiten des menschlichen Herzens“.
Das Jahr 1743 brachte einem Teil der Familie Jablonowsky, zu der auch Joseph Alexander ge-hörte, die Erhebung in den Fürstenstand des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Das war ein eigentümlicher Vorgang, denn die Jablonowskys waren weder im Reich ansässig noch hatten sie darin Besitzungen. Über dieses Ereignis ist viel gerätselt worden; fest steht aber, dass Kaiser Karl VII. eine polnische Mutter hatte (Anna Sobieska, Tochter des Königs Jan Sobieski) und dass seine Lage schon 1743 äußerst bedrängt und er auf französische Hilfe mehr als angewiesen war. Auf dem französischen Thron aber saß Ludwig XV., dessen Frau, wie schon erwähnt, ebenfalls eine Polin war, die Tochter seines Cousins Ex-König Leszczynski. Wer hier wem einen Gefallen tun wollte, stehe dahin. Das in diesem Zusammenhang verliehene Wappen der Jablonowsky ist im Rathaus Kitzscher abgebildet.
Nach Polen zurückgekehrt, beginnt der frischgebackene Fürst mit dem Bau eines Schlosses in Lachovce, wo er nach dem Geschmack (oder dem Neid) der Zeitgenossen zuviel Prunk an den Tag legt. Er veröffentlicht - im übrigen unhaltbare, was den älteren Teil betrifft - genealogische Tabellen seines Hauses, und 1745, in polnischer Sprache, ein astronomisches Werk. Dieses
„O Astronomii“ betitelte Buch widmet er dem Papst Benedikt XIV. Die Widmung enthält die damals unerhört kühne Bitte, die Arbeiten des Kopernikus vom Index der verbotenen Bücher zu streichen. 1757 werden die Schriften des Kopernikus tatsächlich vom Index genommen!
1762 reist Jablonowsky nach Rom; das Ziel seiner Reise aber bleibt im Dunkeln. Man kann als sicher annehmen, dass Jablonowsky im Auftrag führender polnischer Aristokraten insgeheim mit dem neuen Papst Clemens XIII. (seit 1758), den er schon als Bischof von Padua bei seiner frühe-ren Italien-Reise kennen gelernt hatte, über den zu erwartenden Thronwechsel in Polen verhan-delte. 1763 wird er Mitglied der Akademie von Bologna und der berühmten Akademie Arcadia in Rom. Wesentlich auf seinen Einfluss hin wird 1765 in Thorn/Torun ein Kopernikus-Denkmal errichtet, wozu er eine Büste des Gelehrten stiftete.
Als im Jahre 1765 der polnische Thron tatsächlich vakant wurde, unterstützte Jablonowsky die Kandidatur von Jan Klemens Branicki, dessen verarmte Verwandte, Prinzessin Franziska Viktoria Korybuth Woroniecki, er nach dem Tode seiner ersten Frau heiratete. (Ein Vorfahr seiner zweiten Frau, Michal Korybut, war von 1669 bis 1673 König von Polen.) Da er zugunsten Branickis an einer Adels Konförderation in Bialystok teilgenommen hatte, zieht es Jablonowsky vor, Polen zu verlassen und sich in der Freien Stadt Danzig niederzulassen. Einen Teil seines Barvermögens leiht er - gegen 5% Zinsen - dem Rat von Danzig. Bereits in Danzig trägt er sich mit dem Gedanken, ein Kapital zur Preisverleihung an Gelehrte zu stiften. Da die erste Preisverleihung an einen damals berühmten deutschen Historiker ausdrücklich gegen den Willen des Fürsten erfolgte, beschloß er offensichtlich schon damals, eine Gelehrtengesellschaft unter seinem Patronat zu gründen. Wegen dieser und manch anderer Misshelligkeiten verließ er diese Stadt und ließ sich 1768 in Leipzig nieder, wo er das (heute nicht mehr existierende, damals am Roßplatz gelegene) „Palais zum Churprinzen“ kaufte, zu dem auch ein großer Wirtschaftshof und ein weitläufiger Garten gehörte, welchen er übrigens den Leipzigern öffnete. Dieses Anwesen war ein sogenannter Freihof und unterstand somit nicht der Besteuerung und Jurisdiktion des Leipziger Stadtrates. Alte Leipziger, die um die Jahrhundertwende lebten, hatten Palais und Garten noch in lebhafter Erinnerung. Ernst Schwabe, der Chronist der Fürstlich Jablonowsky'schen Gesellschaft zu Leipzig, schrieb: „Hier hielt er in der stattlichen, ziemlich ver-schwenderischen Art slawischer Magnaten Hof und pflegte seine wissenschaftlichen Neigungen." In Leipzig wird 1768 auch Jablonowskys einziges Kind zweiter Ehe, August Dobrogast Nikolaus geboren.
Am 1. März des Jahres 1777 starb Fürst Joseph Alexander Jablonowsky in Leipzig an den Folgen eines Schlaganfalls und wurde in der katholischen Kapelle der Pleißenburg beigesetzt. Was beim Abbruch der Pleißenburg gegen Ende des 19. Jh. aus den Gebeinen des Fürsten wurde, ließ sich noch nicht ermitteln. 1879 wurde bei Abbrucharbeiten eine Urne, die sein Herz enthalten haben soll, gefunden; diese scheint verschollen. Heute steht an der Stelle das Neue Rathaus in Leipzig.
Jablonowsky, der in den Weiten Galiziens aufgewachsen war, liebte das Leben auf dem Land, und so nimmt es nicht wunder, dass er sich bald nach seiner Ankunft in Leipzig nach einem an-sprechender Landsitz umsah. Da kam ihm der Umstand zugute, dass er mit den Professoren der Leipziger Universität in engstem Kontakt stand, denn der Fürst war kein Mann des Militärs, wie sonst unter seinesgleichen üblich (obwohl er in Polen ebenfalls einen hohen militärischen Rang innegehabt hatte), sondern ein außerordentlicher Freund der Wissenschaften, der selbst vieles publiziert hatte.
Nun war der Besitzer des Rittergutes im nahen Kahnsdorf ebenfalls ein Leipziger Professor, der Theologe Johann August Ernesti (1707 - 1781). Ernesti war nicht allein Gründungsmitglied der Fürstlich Jablonowsky'schen Societät, sondern auch deren erster Präses (Präsident). Dieser brach-te in Erfahrung, dass die damaligen Besitzer des Rittergutes Kitzscher, zu dem damals auch Hau-bitz gehörte, verkaufen wollten. (Es waren dies die Erben des Poppo Friedrich von Hartmann.) Diese Nachricht verdankte Ernesti möglicherweise dem damaligen Kitzscheraner Pfarrer Christ-ian Gottlob Steyrer einem gebürtigen Bornaer, der bei Ernesti an der Universität Leipzig Theolo-gie studiert hatte und einige Jahre dessen Famulus (Assistent) gewesen war; beide standen lebens-lang in enger Verbindung. Durch Vermittlung des Freiherrn Christian Gottlieb von Hohenthal auf Wartenberg - der Fürst wollte offenbar nicht selbst in Erscheinung treten und brauchte sozu-sagen einen Makler - erwarb er 1773 die Herrschaft Kitzscher und Haubitz. Der Lehnbrief für Jablonowsky lag nicht vor, aber da er den Besitz von den Brüdern Poppo Friedrich und Heinrich Adolph von Hartmann übernahm, sei auf den Umfang ihres Lehens verwiesen. Im Lehensbrief für diese wird der Umfang des Besitzes wie folgt beschrieben:
„Ober- und Nieder-Kitzscher mit Sattelhof, Kirchlehn, Mühlen, Gasthof, Schafhof, Erbgerichte, Fluraufsicht mit Reinigung; Dittmansdorf mit Vorwerk, Wald; 30 Acker auf dem Lerchenberg, Heinersdorf, Zinsen und Holz; Zinsen, Frohnen, Dienste und Pflichten, Gerichte, Äcker, Wiesen, Wald, Büsche, Teiche, Wasser, Fischungen, Wasserläufe, freie Schaf- und Viehtrift...“
„...und sonst mit allen Freiheiten, Gewohnheiten, Gerechtigkeiten, Zu- und Eingehörungen, nichts aus geschlossen, sondern in allermaßen, wie ihre Vorfahren, die von Kitzscher, und nach selbigen ... zu Lehn gehabt, besessen, genossen, gebraucht, endlich herbracht, und der Lehen, so Uns nunmahls zu verleihen zustehen, Folge getan, zu rechten gesamten Mann-Lehen gereicht und geliehen...“.
In der „Neuen Sächsischen Kirchengalerie“ wird seiner gedacht: „Nachdem er Kitzscher gekauft, tat er viel für dessen Verschönerung und baute den Turm des Schlosses, dessen beide Uhr-glocken die Umschrift: 'Jos. Alex. S. R. I. Princeps Jablonowsky, Eques, Torquatus Ac Commen-dator Ordinum S. Spiritus, S. Michaelis et S. Huberti." und das fürstliche Wappen trugen. - ( „Jos. Alex. des Heiligen Römischen Reichs Fürst Jablonowsky, Ritter, Träger der Halskette und Kom-tur der Orden des Heiligen Geistes, des Heiligen Michael und des Heiligen Hubertus.“) Wie weiter berichtet wird, hat ein - nicht genannter - späterer Besitzer des Schlosses diese Glocken „um einen ansehnlichen Preis“ verkauft.
Angeblich wollte der Fürst in der Nähe Kitzschers einen Galgen errichten, denn als Gutsherr war der (katholische) Fürst nicht nur Kirchenpatron von Kitzscher, sondern auch Gerichtsherr. Weiter heißt es, die sächsischen Behörden hätten dieses Vorhaben verboten. Es wurde gemut-maßt, dass er seine mitgebrachten polnischen Leibeigenen bei der Stange halten wollte. Genau lässt sich das nicht mehr nachvollziehen; der Autor des Kapitels Kitzscher der „Kirchengalerie“, der damalige Pfarrer von Kitzscher, erzählt nur vom Hörensagen.
Wenn die Angaben, die 1821 bei der Reparatur des Kitzscheraner Kirchturms in der Turmkapsel gefunden wurden, stimmen - und daran kann kein Zweifel bestehen -, dann wurde dieser Kirch-turm im Jahre 1776 umgebaut oder erneuert (erbaut wurde er 1685 von Dr. Romanus Teller, dem damaligen Besitzer des Ritterguts), und es kann mit Sicherheit angenommen werden, dass sich Jablonowsky als Kirchenpatron gestalterisch und finanziell an diesem Bauvorhaben maßgeblich beteiligt hat. Ansonsten hat Fürst Jablonowsky in Kitzscher keine weiteren erkennbaren Spuren hinterlassen. Aber es ist überliefert, dass der Fürst und seine zweite Frau die Sommer regelmäßig im Schloss Kitzscher verbrachten, und dass sie dort zahlreiche Gäste oft wohl wochenlang beherbergten, denn ohne geistigen Austausch mochte Jablonowsky nicht sein. Gewiss hat er die Muße des Landlebens auch ausgiebig für seine wissenschaftlichen Studien benutzt.
Für eine Zeitspanne von einem halben Jahrzehnt geriet das damals sehr kleine und abgeschiedene Dorf auf eine denkwürdige Weise in Verbindung mit der großen Welt des Geistes. Gleich nach seiner Ankunft in Leipzig war Fürst Jablonowsky in Kontakt und Gedankenaustausch mit den Professoren der dortigen Universität getreten, wie er sich denn in den gelehrten Kreisen von halb Europa bestens auskannte. Schon bald setzte er den Plan, eine Gelehrten-Gesellschaft, wie es sie in verschiedenen europäischen Ländern bereits gab, zu gründen, in die Tat um und mit dem auszustatten, was in erster Linie dazu nötig schien: mit Geld aus seinem privaten Vermögen. Die „Fürstlich Jablonowsky'sche Societät der Wissenschaften“, die bereits 1770 sozusagen inoffiziell zu arbeiten begann und am 9. November 1774 offiziell gegründet und vom Kurfürsten von Sachsen bestätigt wurde, war die erste ihrer Art in Sachsen und besteht noch heute. Die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig folgte erst mehr als ein halbes Jahrhundert später. Der Fürst stiftete ein Kapital von 2653 Golddukaten, das zu 5% Zinsen beim Rat der Stadt Danzig ausgeliehen war. Der Stiftungsaufwand - drei Preise jährlich, Druckkosten und Verwaltung - sollten aus dem jährlichen Zinsertrag von 132 Dukaten, zwei Talern und dreizehn Groschen bezahlt werden.
Jablonowskys Sohn August Dobrigast erbte 1777 auch Kitzscher und Haubitz. Da er als deutscher Reichsfürst wegen eines Rittergutes offenbar nicht Lehnsmann des sächsischen Kurfürsten werden wollte, wurde pro forma ein Jurist, der Kurfürstlich Sächsische Finanzprocurator August Wilhelm Schroth aus Dresden an seiner Stelle Lehnsträger. Da der junge Fürst inzwischen nach Polen zurückgekehrt war und die Stammgüter seines Zweigs der Familie Jablonowsky bewirtschaften ließ, hatte Kitzscher keinerlei Bedeutung mehr für ihn. Er verkaufte im Jahre 1787 - der Kaufvertrag ist vom 20. September diesen Jahres datiert - die Herrschaft Kitzscher mit Haubitz an August Wilhelm Schroth, seinen Sachwalter, welcher aber bereits am 23. Februar 1788 an Christoph Freiherrn von Niebecker weiterverkaufte.
Joseph Alexander Jablonowsky war insofern eine Ausnahmeerscheinung unter dem hohen Adel, als er seine wissenschaftlichen Interessen und Neigungen letztlich über seine politischen Ambi-tionen stellte. Dabei war und blieb er vor allem eins: polnischer Patriot, ein Aspekt, der in den biographischen Arbeiten viel zu wenig hervorgehoben wird. Sein Rückzug aus der polnischen Politik, ja wohl auch seine Resignation und seine Emigration nach Sachsen hatten sehr wohl damit zu tun, dass er das unglückliche Schicksal seines Vaterlandes voraussah: Mit der von ihm abgelehnten Wahl Stanislaw August Poniatowskis, eines Günstlings und früheren Liebhabers der Zarin Katharina II., zum - letzten - polnischen König war der russische Einfluss übermächtig ge-worden, und in einem jammervollen Kompromiss der Großmächte wurde Polen unter Preußen, Österreich und Russland, dass das größte Stück mit der Hauptstadt Warschau erhielt, aufgeteilt. Es erhielt erst 1918 seine staatliche Souveränität zurück. Dass Joblonowsky ein glühender Patriot war, erhellt aus vielem: Seine Kinder erhielten stets einen polnischen (slawischen) Vornamen. Eines seiner Hauptinteressen galt der Geschichte Polens. Auch wenn er manchen zeitbedingten Irrtümern aufsaß - allein die Hinwendung zur einstmals so großen polnischen Geschichte war ein bedeutendes Verdienst und sollte wenigstens im Bewusstseinsmäßigen dem Untergang des Staates entgegenwirken. Und er war einer der ersten, der ein umfassendes Kartenwerk des Königreichs Polen anfertigen ließ. In der Stadtbücherei Leipzig findet sich ein Exemplar dieses hervorragenden Werks mit der Widmung „Donum Principis Jablonovii Bibliothecae Senatus Lipsiensis“ (Geschenk des Fürsten Jablonowsky an die Bibliothek des Leipziger Stadtrats). Autor dieses 1772 in London erschienenen Atlas des Königreichs Polen, auf der Grundlage anderer Vorarbeiten, ist der damals sehr angesehene italienische Kartograph Rizzi Zanoni, der das Werk dem Fürsten gewidmet hat. Dieser Atlas gleicht einer Bestandsaufnahme, einer lnventarisierung des polnischen Staats, der schon ein Vierteljahrhundert später zu existieren aufhören sollte. Und schließlich sei erwähnt, dass es der ausdrückliche Wunsch des Fürsten war, die von ihm gestiftete und nach ihm benannte Gelehrtengesellschaft solle der Geschichte und Kultur der slawischen Völker und namentlich Polens stets besondere Aufmerksamkeit widmen.
So bildeten denn Leipziger und mit ihm Kitzscher im Bornaer Land in den siebziger Jahren des 18. Jh. eine Schnittstelle der polnischen und der europäischen Aufklärung, wie sie sich auf eine einmalige Weise in der Person des Fürsten Joseph Alexander Jablonowsky manifestierte.
J:O:HANS&SOHN ERBBERECHTIGTER NACHKOMME DES HEILIGEN RÖMISCHEN REICHES DEUTSCHER NATION
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