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Viele Bankkunden lassen sich von Lockangeboten für Tages- und Festgeld ködern. Besonders ausländische Institute fallen dabei durch Angebote auf, die förmlich nach einem versteckten Haken schreien. Und tatsächlich werden die Traumkonditionen vielfach auf Kosten der Einlagensicherung geboten. Mahnende Beispiele wie die Noa Bank scheinen vergessen.
Betrag bestimmen, Laufzeit wählen und staunen. Wer den Internetauftritt der estnischen Bigbank besucht, wird nicht von unwichtigen Schnörkeln abgelenkt. Ein Festgeld-Rechner zeigt dem Verbraucher, was er bekommt, wenn er sein Geld bei der Bigbank anlegt: 2,5 Prozent für zwölf Monate, bis zu 4,1 Prozent für fünf Jahre – so viel gibt es für Festgeld nirgendwo sonst.
Die Esten sind nicht die Einzigen, die ganz vorn im Zins-Ranking mitspielen. Die höchsten Konditionen für Tages- und Festgeld bieten fast ausschließlich ausländische Banken, die in Ländern wie Estland, Indien oder der Türkei ihren Ursprung haben. Die Krux für den Kunden: Einige der Anbieter bieten nur das gesetzliche Minimum in der Einlagensicherung. Das gilt zum Beispiel für die alternative Noa Bank aus Deutschland, die sich erst mit hohen Zinsen in den Ranglisten hochgearbeitet hat, nun aber ein Fall für das Insolvenzgericht ist. Für einige Noa-Bankkunden rächt sich nun, dass sie nicht genauer darauf geachtet haben, wie hoch der Einlagenschutz genau ist, denn sie hatten mehr als die gesetzlich geschützten 50 000 Euro bei der Bank angelegt.
Estnische Bank zieht deutsche Kunden an
Solche Fälle scheinen deutsche Sparer aber nicht zu verunsichern, sie suchen weiter nach Lockangeboten. Die Bigbank überzeugte bereits im ersten Jahr nach ihrem Start eigenen Angaben zufolge „mehrere Tausend Kunden“ in Deutschland und berichtete im zweiten Quartal von einer „anziehenden Nachfrage“ nach ihren Festgeldangeboten. Dabei leistet sich die Bank nicht einmal eine deutsche Zweigstelle, alles wird per Telefon und Internet geregelt. Auch die Statistiken der Bundesbank zeigen diese Tendenz: Bei deutschen Zweigstellen ausländischer Banken parkten Privatkunden im Juni 16,6 Mrd. Euro, das waren 17 Prozent mehr als im Vorjahr. Zum Vergleich: Das Wachstum der Einlagen bei den Banken in Deutschland insgesamt lag nur bei 3,5 Prozent.
Zinsvorteile lassen etwaige Sicherheitsbedenken vergessen. Daran hat weder die Pleite der isländischen Kaupthing Bank im Oktober etwas geändert noch die jüngste Insolvenz der Noa Bank. Nur in den Wochen nach der Lehman-Pleite im Herbst 2008 gab es eine Phase der Verunsicherung: Tausende Bürger holten ihr Erspartes von der Bank und schichteten es zum Beispiel in Bundesanleihen um. Damals im Oktober sanken die Einlagen bei ausländischen Niederlassungen um ein Prozent auf knapp elf Mrd. Euro. Dann versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel, alle Einlagen seien sicher.
Seitdem werden viele Anleger wieder sorglos, beobachtet Martin Faust, Bankprofessor an der Frankfurt School of Finance. „Selbst sicherheitsorientierte Anleger suchen wieder Alternativen zu den allgemein sehr niedrigen Zinsen. Außerdem vertrauen viele darauf, dass der Staat ihre Einlagen schon schützen wird“, sagt er. Diese Vollkaskomentalität sei auch bei den großen Finanzmarktakteuren wie Banken, Fonds oder Versicherungen verbreitet. „Es ist schwer, den Anlegern zu erklären, dass wer Risiken eingeht, tatsächlich auch etwas verlieren kann“, so Faust. „Das Gedächtnis der Anleger ist kurz. Viele haben aus der Finanzkrise nicht nachhaltig gelernt“, lautet sein Resümee.
Große Unterschiede beim Einlagenschutz
Die neue Sorglosigkeit ärgert Fachleute wie Manfred Weber, Bankprofessor an der Universität Mannheim. „Man hat bisher immer nur auf die Banken geschimpft, aber man müsste auch mal die Anleger in die Verantwortung nehmen“, sagt er. Die üppigen Zinsen gibt es nicht umsonst. „Viele Leute glauben, sie könnten am Finanzmarkt Schnäppchen bekommen, also mehr Rendite ohne zusätzliches Risiko. Das geht vielleicht bei Autos, aber in der Regel nicht am Finanzmarkt“, warnt Weber.
Die wenigsten Sparer fragen sich, warum die Banken freiwillig überdurchschnittlich hohe Zinsen zahlen. Im günstigsten Fall zapfen die Institute einfach ihre Marketingetats an, um Neukunden anzulocken. An den Finanzmärkten kommen die Banken nur zu viel ungünstigeren Konditionen an Geld – oder im Extremfall überhaupt nicht mehr. Auch dafür war Kaupthing ein Beispiel.
Die Unterschiede beim Einlagenschutz ausländischer Anbieter sind groß. Einige Banken sichern ihre Einlagen allein über ausländische Sicherungssysteme ab. Eine weitere Gruppe hat zwar einen ausländischen gesetzlichen Mindestschutz, ist aber zusätzlich in der freiwilligen Einlagensicherung der privaten Banken Deutschlands (siehe Tabelle). In solchen Fällen greift zunächst der Auslandsschutz, danach springt das private deutsche Bankgewerbe ein. Damit sind je Kunde Einlagen in Höhe von mindestens 1,5 Mio. Euro oder noch mehr abgesichert. Das ist bei der indischen ICICI der Fall, die Mitglied der britischen Einlagensicherung ist und zusätzlich den freiwilligen deutschen Einlagenschutz bietet. „Diese hohen Summen sind aber vor allem Beruhigungspillen für die Verbraucher“, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Wenn es zu einem richtigen Bankencrash komme, sollte man sich darauf nicht unbedingt verlassen und darauf achten, was die gesetzliche Einlagensicherung schützt. Weber favorisiert dennoch die Banken, die sich den freiwilligen Einlagensicherungssystemen angeschlossen haben. „Da die Haftungssummen in den drei freiwilligen Sicherungssystemen der Sparkassen, der Volksbanken oder der privaten Banken viel höher sind, werden die Banken dort viel genauer von den Verbänden überprüft“, argumentiert er. Der Noa Bank ist es zum Beispiel nie gelungen, in diesen Kreis aufgenommen zu werden.
Wer sich mit dem gesetzlichen Schutz aus dem Ausland zufriedengibt, muss das Geld im Falle einer Bankenpleite in dem Rechtssystem durchsetzen, in dem die Bank an die Einlagensicherung angeschlossen ist, warnt Max Herbst von der Finanzberatung FMH. Die Bigbank schützt über den estnischen Einlagenschutz bis zu 50 000 Euro. Bei der Bank of Scotland, einer Tochter der britischen Lloyds Banking Group, sind über Großbritannien bis zu 50 000 Pfund Sterling geschützt.
Der Fall Kaupthing hat allerdings gezeigt, dass der gesetzliche Einlagenschutz im Ausland nicht unbedingt ausreicht. Island war nicht in der Lage, alle ausländischen Sparer seiner insolventen Banken zu entschädigen. „Auf eine Einlagensicherung im Ausland würde ich mich mit Ausnahme einiger Staaten nicht verlassen, egal wie hoch die ist“, betont Weber vor diesem Hintergrund.
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