|
"Liebe Griechen!
Kennt Ihr das bei Euch auch, eine Tante, die einem die ganze
Kindheit und Jugend hindurch
das Sparschwein füttert? Beim ersten Fahrrad, dem ersten Radio,
der ersten Urlaubsreise -
immer gibt sie ein paar Scheine dazu. Und dafür verlangt sie
nichts weiter
als ab und zu mal ein freundliches Dankeschön. Liebe Freunde, dies
ist ein Brief von Eurer
Geldtante. Keine Angst, Ihr müsst nicht Danke sagen. Das Einzige,
was wir uns wünschen, ist:
Versetzt Euch mal in unsere Lage.
Seit 1981, seit 29 Jahren, gehören wir zur selben Familie, zur EU.
Kein anderes
Familienmitglied hat in dieser Zeit so viel Geld in die
Gemeinschaftskasse gesteckt wie wir,
nämlich netto rund 200 Milliarden Euro. Und pro Nase hat kaum
einer so viel bekommen wie
Ihr, zusammen netto fast 100 Milliarden. Rund die Hälfte also von
dem, was wir in den EU-Topf
gekippt haben, habt Ihr mit großer Kelle abgeschöpft. Oder anders
ausgedrückt: Rein
rechnerisch haben wir Deutschen mit den Jahren jedem von Euch
Griechen, vom Säugling bis
zum Greis, über 9000 Euro geschenkt. Einfach so. War doch nett,
oder?
Freiwillig hat wohl noch nie ein Volk ein anderes über einen so
langen Zeitraum so großzügig
unterstützt Ihr seid fürwahr unsere teuersten Freunde.
Wie es uns dabei ging, in all den Jahren, das habt Ihr nie
gefragt. Ich vermute, auch heute
brennt Ihr nicht gerade darauf, etwas über unsere Sorgen zu
erfahren. Ich erzähle es Euch
trotzdem: Unsere Straßen sind so löchrig wie antike Bauwerke, weil
uns das Geld für die
Instandhaltung fehlt. Bibliotheken und Schwimmbäder werden
geschlossen.
Manche Städte schalten nachts jede zweite Straßenlaterne aus, weil
sie die Stromrechnung nicht bezahlen
können. Im Gegensatz zu Euren steigen unsere Löhne seit der
Einführung des Euros praktisch
gar nicht mehr. Und jetzt sollen wir auch noch Euch Griechen
retten. Die Sorgen um Euch, die
haben uns gerade noch gefehlt.
Ihr habt Euch unser Misstrauen redlich verdient: Im Sommer fackelt
Ihr regelmäßig mäßig dieses
schöne Land ab, das Gott Euch geschenkt hat Und dann ruft Ihr nach
unserer Feuerwehr, weil
Ihr es nicht allein gelöscht kriegt. Ihr wollt alle in den
öffentlichen Dienst, aber keiner will
Steuern zahlen. Wenn auch nur ein Teil der Berichte stimmt, die
wir in den vergangenen
Wochen lesen mussten, dann seid Ihr offenbar nur bereit zu
arbeiten, wenn Ihr dafür
Schmiergeld bekommt. Vor allem Eure Ärzte und das
Krankenhauspersonal langen kräftig zu.
Ihr betrügt Euch also gegenseitig, wo Ihr nur könnt. Das kann uns
egal sein. Doch Ihr betrügt
auch uns. Seit vielen Jahren. Das ist uns nicht egal.
Ihr kassiert für mehr Olivenbäume EU-Subventionen, als in Euer
Land passen. Offenbar
versteht Ihr doch was von Buchführung, denn um die
Stabilitätskriterien für den Euro zu
erfüllen, habt Ihr Eure Bücher so systematisch und geschickt
gefälscht, dass die Brüsseler
nichts gemerkt haben. In Wahrheit habt Ihr den Euro nie verdient.
Trotz Eurer erschwindelten
Daten ist es Euch seit der Einführung des Euro noch nie gelungen,
die Stabilitätskriterien zu
erfüllen. Um Eure Wirtschaft größer erscheinen zu lassen, habt Ihr
Euch 2006 einen hübschen
Taschenspielertrick einfallen lassen und kurzerhand die Erlöse aus
Geldwäsche,
Rauschgifthandel und Schmuggel in die jährliche
Wirtschaftsleistung Eurer stolzen Nation angerechnet.
Über Jahrzehnte mehr Geld ausgeben, als man sich erarbeitet, wie
selbstverständlich auf
Kosten von anderen zu leben, laufend betrügen und tricksen - das
kann nicht ewig gut gehen.
Irgendwann bricht das Kartenhaus zusammen. Irgendwann ist jetzt.
Streng genommen seid Ihr pleite.
Macht Euch keine Illusionen. Wenn Angela Merkel verspricht,
"Griechenland wird nicht allein
gelassen", dann geht es unserer Kanzlerin und uns Deutschen nicht
mehr um Euch Griechen.
Unsere Sorge gilt allein unserer eigenen Zukunft Das Unglück ist
nur: Wir sind an Euch gekettet.
Wenn Ihr untergeht, zieht Ihr uns mit unter Wasser. Zum Beispiel
durch die 300 Milliarden Schulden,
die Ihr mit den Jahren aufgetürmt habt. Rund 30 Milliarden davon
gehören den Sparern bei deutschen Banken,
in Form von Staatsanleihen. Ob Ihr das jemals zurückzahlen werdet?
Euretwegen geht der Euro in die Knie.
Uns droht die Inflation. Das bedeutet: was deutsche Sparer auf dem
Sparbuch oder in Lebensversicherungen für die
Zukunft zurückgelegt haben, wird immer weniger wert. Wegen Euch.
Solche Gedanken sind
Euch natürlich fremd, denn sparen oder investieren ist nicht Euer
Ding. Ihr haut die Euros lieber raus.
In der EU seid Ihr Griechen d as Volk, das von seinem Geld den
größten Anteil für den Konsum verprasst.
Die Regierungschefs der EU haben zwar beschlossen, dass Ihr keine
direkten Finanzhilfen bekommen sollt.
Erst mal. Doch Ihr braucht Hilfe. Und in der EU bedeutet Hilfe am
Ende immer Geld, genauer: unser Geld.
So langsam wird uns Deutschen klar: Zuerst mussten wir die Banken
retten, jetzt müssen wir
Euch Griechen retten und schließlich alle Länder mit einer
Schweinewirtschaft -die "PIIGS",
Portugal, Italien, Irland, Grieche land, Spanien. Ein
Staatsbankrott eines dieser Länder, darin sind sich die
Experten ausnahmsweise einig, wäre eine Tragödie, die selbst die
Bankenkrise wie ein Lustspiel erscheinen ließe.
Kluge deutsche Staatsrechtler haben schon vor der Einführung des
Euro gewarnt: Die Wirtschaftsunion kann
ohne die politische Union nicht funktionieren. Sie hatten recht.
Jetzt erkennen wir das dramatische Demokratie-Defizit.
Wir Deutschen sind von den Entscheidungen der Regierung
Griechenlands abhängig. Aber wir können sie
nicht wählen. Ihr Griechen könnt sie wählen, aber Ihr habt ganz
andere Interessen. Wir wollen, dass Euer
Ministerpräsident Georgios Papandreou sein Sparprogramm
durchzieht. Mindestens.
Besser wär's, wenn er beim Reformieren noch einen Zahn zulegte.
Aber Ihr wollt das ganz offensichtlich nicht.
Ihr macht, was Ihr immer macht: Ihr streikt. Letzte Woche der
öffentliche Dienst, nächste Woche alle, Generalstreik.
Liebe, teure Griechen, wenn Ihr nächste Woche auf die Straße geht,
dann streikt, dann demonstriert,
dann protestiert Ihr nicht gegen Eure Regierung, sondern gegen
uns. Dem Zorro, der Euch stets gerettet hat und
weiter retten soll, dem versetzt Ihr einen Tritt zwischen die
Knie.
Liebe griechische Finanzbeamte, geht nächste Woche bitte nicht
streiken, sondern treibt endlich mal die Steuern
Eurer Millionäre ein, von denen Ihr bislang fürs Wegschauen so
fürstlich entlohnt werdet.
Liebe griechische Ärzte, geht nächste Woche bitte nicht streiken,
sondern behandelt Eure Patienten.
Von jetzt an, ohne vorher um einen Geldumschlag zu bitten. Und
dann versteuert einfach Euer Einkommen.
Ja, dann könnt Ihr Euch den nächsten Porsche erst ein Jahr später
bestellen. Ihr werdet es überleben.
Liebe Rentner Griechenlands, wenn bei uns jemand sein ganzes Leben
lang gearbeitet hat, bekommt er nicht
mal 40 Prozent seines durchschnittlichen Einkommens als Rente.
Damit sind wir auf dem viertletzten Platz der
OECD-Länder. Und wer ist auf Platz eins? Richtig: Ihr. Über 95
Prozent Eures durchschnittlichen Einkommens
gönnt Ihr Euch als Rente. Um das hinzukriegen, greift Ihr wieder
in die Trickkiste: Ihr bezieht einfach die
Rentenhöhe nicht aufs ganze Leben, sondern nur auf die letzten
drei bis fünf Arbeitsjahre. Darum ist es bei Euch
üblich, dass der Arbeitgeber den Lohn am Ende noch mal kräftig
erhöht Von dem Geld, mit dem wir Euch fast
30 Jahre lang gesponsert haben, gönnt Ihr Euch eine komfortablere
Altersversorgung, als wir uns leisten können.
Findet Ihr das gerecht? Also, liebe Rentner in Griechenland: Ihr
seid die Generation, die diese Misere verursacht hat.
Jetzt haltet mal die Füße still, geht nicht demonstrieren, und
lasst Eure Regierung die Sparpläne durchziehen.
Und, liebe Bürger Griechenlands, redet Euch nicht damit heraus,
Eure Politiker seien allein schuld an der Katastrophe.
Ihr habt doch die Demokratie erfunden und solltet wissen, dass
Ihr, das Volk, regiert und damit verantwortlich seid.
Niemand zwingt Euch, Steuern zu hinterziehen, Schmiergelder
anzunehmen, gegen jede vernünftige Politik zu streiken
und korrupte Politiker zu wählen.Politiker sind Populisten. Die
machen genau, was Ihr wollt.Sicher werdet Ihr jetzt einwenden:
Ihr Deutschen, Ihr seid doch auch nicht viel besser. Stimmt. Ein
Rentensystem, dem kaum einer noch traut, Beamtenpensionen,
von denen niemand weiß, wie sie in der Zukunft bezahlt werden
sollen, ein Steuersystem, das so aussieht, als hätten
erfahrene Hinterzieher es sich ausgedacht, und vor allem ein
Schuldenberg, der irgendwann ins Rutschen gerät und alles
unter sich begräbt -genau diese Probleme haben wir auch. Und Ihr
seid uns auf diesem Pfad der Untugend nicht so weit voraus,
wie viele glauben. Früher habt Ihr Griechen uns den Weg gewiesen,
habt der Welt die Demokratie,die Philosophie
und das erste Verständnis für Nationalökonomie beigebracht.
Jetzt weist Ihr uns wieder den Weg. Nur ist es diesmal der Irrweg.
Da, wo Ihr seid, geht's nicht weiter.
Herzliche Grüße,
Walter Wüllenweber
|
|
42x
|
|