|
Ein Bezirk zeigt Gesicht gegen Rechts - Marzahn-Hellersdorf (lh) Seit wenigen Wochen wohnen nun die ersten Flüchtlinge in der Unterkunft in der Carola-Neher Straße, und seitdem ist die Debatte wieder hochgekocht. Die bereits verhärteten Fronten stehen sich seitdem gegenüber, und wenn man die Situation über die Medien verfolgt, könnte man den Eindruck gewinnen, dass der Bezirk derzeit nur aus Demonstrationen, und Extremisten besteht. Doch wer genauer hinsieht, der erkennt, dass die derzeitige Lage wesentlich vielschichtiger ist, als zunächst angenommen. „Wir heißen die Asylsuchenden in unserem Bezirk willkommen. Das Bezirksamt wird tun, was in seinen Kräften steht, um die Situation um die Flüchtlingsunterkunft im Interesse sowohl der Bewohnerinnen und Bewohner als auch der Anwohnerinnen und Anwohner so schnell wie möglich zu beruhigen. Sie alle haben Anspruch darauf, in Sicherheit und Ruhe zu leben“, so Dagmar Pohle, stellvertretende Bezirksbürgermeisterin von Marzahn-Hellersdorf – eine klare Ansage seitens des Bezirks. Viel ist passiert, seitdem die ersten Flüchtlinge ankamen. Es hieß, einige haben das Heim schon wieder verlassen. Der Bezirk hat den direkten Dialog mit den Anwohnern eröffnet, um sich der Sorgen der Bewohner in der unmittelbaren Umgebung anzunehmen. Knapp 20 Prozent der eingeladenen Bürger nahmen an diesen Dialogrunden tatsächlich teil. Dagmar Pohle spricht in diesem Zusammenhang von vielen nachvollziehbaren Fragen, Sorgen und Einwänden, seitens der Bürger, vor allem gegen die Standortentscheidung und die Belegungsdichte. „Viele Anwohner sind es zu Recht leid, einerseits von Rechtsextremisten instrumentalisiert und andererseits pauschal als ‚Nazis‘ diffamiert zu werden. Die ersten Dialogveranstaltungen geben Grund zur Hoffnung, dass der Weg der Versachlichung, Differenzierung und Pluralisierung der Debatte zu nachhaltigen Erfolgen führen wird“, fügt Dagmar Pohle noch hinzu. Elena Marburg, die Integrationsbeauftragte des bezriks kann diese Ängste sogar noch spezifizieren: „Das, was die Menschen ganz besonders zum Handeln motiviert, ist die Angst vor Verlusten, beispielsweise der Verlust der Ruhe durch Bauarbeiten und die 400 Personen, die sich später zusätzlich vor dem Haus aufhalten. Außerdem der Verlust von Unterstützung, denn es werden Leistungen für ‚Andere‘ auf ihre Kosten erbracht, denn man durschaut die unterschiedlichen Finanztöpfe nicht. Ganz wichtig ist auch der Verlust der Vertrautheit, da man nicht gewöhnt ist, mit ‚Fremden‘ in unmittelbarer Nachbarschaft zu leben.“ Viele Menschen aus Marzahn-Hellersdorf, auch aus der Nachbarschaft der Flüchtlingsunterkunft, haben inzwischen in vielfältiger Weise ihre Solidarität mit den Asylsuchenden bekundet und konkrete Unterstützung angeboten. Passend dazu fand am vergangenen Wochenende das Demokratiefest „Schöner leben ohne Nazis“ statt. Bereits zum fünften Mal wurde die Veranstaltung auf dem Alice- Salomon-Platz von einem Bündnis aus Vereinen, Ämtern, Institutionen, Parteien, Gewerkschaften und Kirchen veranstaltet, um ein Zeichen gegen Rassismus und Rechtsextremismus zu setzen. Es hätte angesichts der andauernden Debatte auch nicht aktueller sein können. „Wir hatten in diesem Jahr 36 Partner, die an Ständen informierten, zehn weitere unterstützten das Fest beim Kulturprogramm. Wie viele Besucher kamen, kann ich nicht genau sagen, aber mehrere hundert. Jedenfalls gab es in diesem Jahr mehr Beteiligte und Besucher als in allen anderen Jahren zuvor“, erzählt Martin Kleinfelder vom Roten Baum Berlin e. V., der maßgeblich an der Organisation des Festes beteiligt war. Das Fest war ein großer Erfolg. Es gab Film-Vorführungen, Live-Musik, Ausstellungen, Tanzdarbietungen. Es wurden symbolische Stolpersteine aufgestellt und somit verschiedene Aspekte des Rechtspopulismus beleuchtet. Die Veranstaltung fügte sich ein in das Berliner Themenjahr 2013 „Zerstörte Vielfalt. Berlin 1933 – 1938 – 1945. Eine Stadt erinnert sich“ ein. Ein weiterer wichtiger Veranstaltungspunkt ist das Lesen gegen das Vergessen. Wie Martin Kleinfelder berichtet, gibt es diese Veranstaltung schon viel länger als die Veranstaltung „Schöner Leben ohne Nazis“. „Es wurde ursprünglich von der BVV veranstaltet. Nach der letzten Wahl wurde es nicht fortgeführt und deshalb von der Seniorenvertretung aufgegriffen und in die Veranstaltung integriert“, so Kleinfelder. Gelesen wurde von Senioren über Krieg, Menschenschicksale und Migration. Verschiedene Bürger, Generationen und Kulturen trafen auf dem Alice-Salomon Platz aufeinander, um gemeinsam zu feiern, um jede xenophobische Grenze wegzuwischen und um Gesicht zu zeigen gegen Rechts. Derzeit bemühen sich alle Parteien im Bezirk um eine Normalisierung der Lage. Am 15. September 2013 beginnen die „Interkulturellen Tage in Marzahn-Hellersdorf“. „Diese Veranstaltungsreihe wird auch von vielen bezirklichen Initiativen und Vereinen getragen. Wir machen diese Veranstaltungsreihe seit 1992 jährlich und sind der einzige Bezirk in Berlin mit einem so vielfältigen Programm“, so Elena Marburg abschließend.
BU: Auf dem Demokratiefest kamen die Bürger und Abgeordneten miteinander ins Gespräch.
Foto: Pressestelle Marzahn- Hellersdorf
|
|
0x
|
|