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Der Hamster verlässt sein Laufrad 23.6.09
Unser Hirn hat eine Fähigkeit, welche uns nicht immer gelegen kommt: Es kann und muss vergessen. In der Hirnforschung besteht ein Modell, das besagt, dass Vergessen ein wichtiger Bestandteil unseres Denkapparates ist.
Stell Dir vor, Du würdest und Du könntest nichts vergessen. Jedes Wort, alle Eindrücke eines jeden Tages ...Unser Hirn wäre überfordert.
Andererseits kann Vergessen auch hinderlich sein.
Wenn ich mich als denkender Hamster im Laufrad bewege. Und mich darin keinen Meter weit von meinem Standort fortbewegen kann. Obwohl ich mich bemühe bis zum Umfallen.
Ich beobachte Mitmenschen, die hirnmässige Spitzenleistung bringen, häufig stundenlang. Und trotzdem sind sie oftmals sehr unglücklich. Sie könnten ihr Dasein dann folgendermassen beschreiben: »Ich glaube, ich drehe mich im Kreis.«
Was kann ich diesen Mitmenschen erzählen? Welche Möglichkeit kann ich ihnen aufzeigen?
Gibt es eine?
Nehmen wir an, ich beschäftige mich mit einem für mich wichtigen Problem. Benennen wir Probleme nun als Herausforderungen.
Ich hirne also heute stundenlang über das, was ich machen könnte, um eine Veränderung oder eine Lösung zu erschaffen. Ich sage, ich studiere heute 5 Stunden lang.
Morgen ist die Herausforderung immer noch da. Ok, ich studiere erneut 5 Stunden lang. Möglich, dass ich einige Erkenntnisse gewonnen habe, die Herausforderung besteht jedoch immer noch. Also studiere ich übermorgen wieder 5 Stunden lang.
In 3 Wochen wirst Du mich reden hören: »Ich glaube, ich drehe mich im Kreis.«
Ich kenne Mitmenschen, die seit Jahren wirklich sehr intensiv über sich und die Welt nachdenken. Sie erkennen jedoch kein persönliches Weiterkommen. Dieser Zustand ist frustrierend und Energie raubend. Je länger dieser Zustand besteht, je eher verlieren diese Mitmenschen eigene Visionen und Zukunftsfreude.
Sie sagen dann von sich so Ähnliches: »Ich bin müde und fühle mich ausgelaugt.«
»Ich brauche eine Auszeit.«
»Ich bin erschöpft.«
»Ich bin wirklich gestresst:«
Und ich glaube ihnen diese Aussagen auch. »Hamstern« im Laufrad ist sehr anstrengend.
Schade ist bloss die fehlende Erkenntnis, dass sie diesen Zustand selbst erschaffen.
Was hat das jetzt mit dem Vergessen zu tun?
In meiner Möglichkeit sehr viel. Wenn ich an meine Herausforderung denke, hätte ich die Möglichkeit ein »Kosten-Nutzen-Spiel« zu durchdenken.
Erklärung: Es bedeutet, dass ich darüber nachdenke, was mich in einer bestimmten Bewältigungsform meiner Herausforderung etwas kostet (z. B.: Liebe, Anerkennung, Freude am Leben, Lebenszeit, Visionen ...) und im Gegensatz, was es mir nützt (z. B.: Recht haben, Gefühl von Freiheit, Reichtum, neue Freunde ...).
Ich besitze somit ein Werkzeug, um mir eine Liste zu erstellen, ob mir eine mögliche Entscheidung mehr Nutzen oder mehr Kosten verursacht.
Ich denke, dass wir alle diese Abwägungen bereits angewandt haben. Vielleicht nicht so bewusst wie jetzt.
Während meinem 5-Stunden-denken kann ich mir solche Überlegungen machen. Jeden Tag. Immer wieder. Immer wieder und über dieselbe Sache oder Herausforderung. Die Wahrscheinlichkeit besteht, dass ich mir keine Antwort werde geben können. Dann mutiere ich zum Hamster in Laufrad.
Der Nutzen vom täglichen Denk-Maraton ist im Verhältnis zum Aufwand sehr gering. Ich habe nicht die Möglichkeit mich immer wieder an meine wichtigen, einmal selbst bestimmten Argumente zu erinnern. Deshalb nicht, weil mein Hirn vergisst.
Es kann somit durchaus sein, dass ich sehr relevante Ansichten nicht mehr in Betracht ziehe, weil ich sie ganz einfach vergessen habe (nicht zu verwechseln mit verdrängt!).
Ich wähle einen Ausweg, wenn ich mir meine Gedanken aufschreibe. Wenn ich mir die Zeit zur Verfügung stelle und das Kosten-Nutzen-Spiel schriftlich durchspiele.
Somit kann ich morgen meine Gedanken von gestern nachvollziehen, und wenn ich das möchte, kann ich sie vervollständigen. So lange, bis ich mit meiner Entscheidung stimmig bin.
Im Grunde genommen machen wir Menschen das sehr oft, wenn wir uns über eigene Probleme austauschen.
Während diesem Austausch bin ich gefordert, einem aufmerksamen Zuhörer meine Pro und Kontras, also Nutzen und Kosten, darzulegen.
Oftmals sind diese Äusserungen auch dadurch geprägt, dass neue Möglichkeiten erschaffen werden.
Möchte ich mein eigener Beobachter werden, so ist die schriftliche Form die Möglichkeit, mein Hamsterdasein am schnellsten zu beenden.
Möchte ich mein eigener Beobachter sein, so werde ich auch meine Fragen am ehesten selbst beantworten können.
Das wäre die Transformation. Metakognitive Anwendung von neuen Erkenntnissen.
Somit habe ich die Wahl. Möchte ich Hamster sein und bleiben, oder möchte ich mein Leben selbst gestalten und beim Gehen auch weiterkommen.
Es ist so schön, die Gewissheit, selbst bestimmen zu können.
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