Frankfurt,am,main,steuerrecht im Yasni Exposé von Peter von Auer

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Anwendbarkeit des Art. 9 RL 64/221 EWG bei Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger auch nach der "Ziebell"-Entscheidung des EuGH?

In dem Artikel wird der Frage nachgegangen, ob durch die Entscheidung des EuGH "Ziebell" geklärt ist, dass Art. 9 RL 62/221 EWG in Ausweisungsverfahren assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger keine Anwendung mehr findet. Weiter wird untersucht, ob die Regelung in § 16 a) Abs. 4 Hess VwGO ggf. den Anforderungen des in Art. 9 RL 64/221 EWG normierten "Vier-Augen-Prinzips" genügend Rechnung trägt. 1. Nach wie vor gegebene Anwendbarkeit des „Vier-Augen-Prinzips“ des Art. 9 RL 64/221 auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige? In der Rechtsprechung wird teilweise vertreten, die RL 64/221/EWG – und damit auch das darin normierte „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 der Richtlinie – finde nach deren Aufhebung durch die RL 2004/38/EG insgesamt – auch im Falle von Ausweisungen assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger – keine Anwendung mehr (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.02.2012, 11 S 1361/11). Die dort (S. 13) vertretene Ansicht, der EuGH habe in der Entscheidung „Ziebell“ (Urteil vom 08.12.2011, C-371/08) „klargestellt“, dass die RL 64/221/EWG auch auf türkische assoziationsberechtigte Staatsangehörige keine Anwendung mehr finde, indem er in Rn. 58 des Urteils im Zusammenhang mit der Übertragbarkeit der Grundsätze, die im Rahmen der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betreffenden Bestimmungen des EG-Vertrags auf Assoziationsberechtigte denTerminus „Analogie“ gebraucht habe, die analoge Anwendung einer Vorschrift aber nur möglich sei, wie diese selbst Gültigkeit beansprucht, vermag indessen nicht zu überzeugen. Gleiches gilt für die Aussage des VGH Baden-Württemberg, aus der „Ziebell“-Entscheidung ergebe sich „sogar mit aller Deutlichkeit“, der EuGH teile nicht die Auffassung, dass sich aus dem völkerrechtlichen Charakter des „Vier-Augen-Prinzips“ nicht dessen weitere Anwendbarkeit auf türkische Assoziationsberechtigte ergebe (S. 26 f.). In der Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie in Besprechungen der „Ziebell“-Entscheidung wird vielmehr zu recht darauf hingewiesen, dass die Frage der weiteren Anwendbarkeit des „Vier-Augen-Prinzips“ des Art. 9 RL 64/221/EWG auf assoziationsberechtigte dort nicht entschieden wurde. So sieht das VG Berlin die Frage der weiteren Anwendbarkeit des Art. 9 RL 64/221 EWG durch die „Ziebell“-Entscheidung des EuGH als ungeklärt an, musste in seiner Entscheidung vom 03.02.2012 (A.Z: 35 K 160.11) hierzu aber nicht weiter Stellung nehmen, da sich die dort zu prüfende Ausweisung schon aus anderen Gründen als rechtswidrig erwies. In der Entscheidung heißt es unter Rn. 46 (Hervorhebung durch den Unterzeichner): „Da sich die Ausweisung des Klägers schon aus den zuvor genannten Gründen als rechtswidrig erweist, kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die Ausweisung auch schon deshalb rechtswidrig ist, weil es an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens fehlt. Die Notwendigkeit eines behördlichen Rechtsbehelfsverfahrens könnte sich dabei aus Art. 31 der Unionsbürgerrichtlinie ergeben, sofern diese Bestimmung - trotz der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache „Ziebell“ (s.o.) - auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige anwendbar ist, andernfalls (mittelbar) aus Art. 9 Abs. 1 der nach Art. 38 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie aufgehobenen Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. L 56 S. 850; vgl. zur Diskussion im Einzelnen jetztBVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2011 - BVerfG 2 BvR 1969/09 -, Rn. 29 ff. m.w.Nachw; zit. nach juris; s. ferner zuletzt z.B. VG Düsseldorf, Urteil vom 17. November 2011 - VG 24 K 3287/10 -, Rn. 36 ff.; zit. nach juris). Diese Frage war und ist vom Europäischen Gerichtshof nicht geklärt.“ Auch die ANA-ZAR-Redaktion betont in der Kommentierung der „Ziebell“-Entscheidung des EuGH (ANA-ZAR 1/2012, 3-4): „Noch immer nicht entschieden ist allerdings, ob das Vier-Augen-Prinzip aus den alten (aufgehobenen) Vorschriften für Unionsbürger auch weiterhin gilt und ob es auf türkische Staatsangehörige Anwendung findet mit der Folge, dass in den Bundesländern, in denen das Widerspruchsverfahren abgeschafft wurde, Ausweisungsentscheidungen unheilbar rechtswidrig sind.“ Auch der ausgewiesene Spezialist für Assoziationsrecht Dienelt („Ausweisungsschutz für türkische Staatsangehörige neu erfunden?“, migrationsrecht.net)) betont, die Entscheidung gebe zur Klärung dieser Frage „nur ansatzweise etwas her“ und vertritt selbst die Auffassung: „Da die Verfahrensregelungen der RL 64/221/EWG, die im nationalen Recht in Verbindung mit der Rechtsanwendungspraxis verankert waren, über die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 auch für die Zukunft perpetuiert werden, sind sie wohl weiterhin zu berücksichtigen. Etwas anderes wäre nur dann anzunehmen gewesen, wenn der EuGH türkische Staatsangehörige den Verfahrensregelungen der Unionsbürgerrichtlinie unterworfen hätte. Denn diese sehen das Vier-Augen-Prinzip nicht mehr vor; hier hätte man von einer Gleichwertigkeit des Verfahrensschutzes ausgehen können.“ Damit teilt Dienelt die Auffassung, die bereits von der Kommission der Europäischen Union in der Rechtssache „Polat“ (C-349/06) vertreten wurde. Die Kommission der Europäischen Union hat in ihrer diesbezüglichen Stellungnahme in der zutreffend hervorgehoben, dass sich Vertragsparteien des ARB 1/80 an den damals bekannten Maßstäben der RL 64/221/EWG orientiert haben und hieraus den Schluss gezogen, „dass die Aufhebung der Richtlinie 64/221 (EWG) durch die Richtlinie 2004/38/EG auf die Auslegung des Assoziationsabkommens und der aufgrund des Abkommens erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss haben kann. […] Der Inhalt völkerrechtlicher Normen kann sich nämlich nicht automatisch durch eine spätere Änderung der Rechtslage eines Vertragspartners ändern. Das Wesen des Völkerrechts besteht gerade darin, dass sich die souveränen Vertragsparteien nur selbst verpflichten können, heteronome Normsetzung kommt in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Genau eine solche heteronome Normsetzung läge aber vor, wenn sich die Änderung der internen Rechtslage der Gemeinschaft unmittelbar auf die Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger, die in völkerrechtlichen Regelungen festgelegt ist, auswirken könnte.“ Der ebenfalls als Experte des Assoziationsrechts bekannte Rechtsanwalt Ünal Zeran hat in seinem Beitrag „Standstill und Assoziationsrecht“ zu den Hohenheimern Tagen im Ausländerrecht 2012 ebenfalls im Rahmen der Besprechung der „Ziebell“-Entscheidung undmit Blick auf die Stellungnahme der Kommission in der Rechtssache „Polat“ darauf hingewiesen, dass die Verfahrensgarantie des Art. 9 der RL 64/221 EWG trotz Aufhebung der RL 64/221 EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie weiter auf assoziationsberechtigte Anwendung findet. Es ist danach davon auszugehen, dass Art. 9 RL 64/221/EWG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige – auch nach Inkrafttreten der RL 2004/38/EG – weiterhin Anwendung finden muss. Einer Analogie bedarf dies nicht, da die EU völkerrechtlich zur weiteren Anwendung verpflichtet ist, was der VGH Baden-Württemberg in seiner oben zitierten Entscheidung vom 10.02.2012 übersieht. Erst recht kann das weitere Argument des VGH Baden-Württemberg in der zitierten Entscheidung nicht überzeugen, der EuGH hätte – da das Bundesverwaltungsgericht in dessen Vorabentscheidungsersuchen vom 25.08.2009 (1 C 25.08 – AuAs 2009, 267) ausgeführt habe, dass es sich die Frage stelle, ob, wenn der in Kapitel IV der RL 2004/38/EG für Unionsbürger geregelte Ausweisungsschutz nicht auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige zu übertragen sei, Art. 9 RL 64/221/EWG gleichwohl weiterhin anzuwenden sei, es für den EuGH „nahe gelegen“ hätte, „unabhängig von der konkreten Vorlagefrage hierzu Ausführungen zu machen“ (S. 14 des Urteils des VGH BW). Der EuGH ist keineswegs gehalten, in Vorabentscheidungsersuchen Ausführungen unabhängig von den vorgelegten, konkreten Vorlagefragen zu treffen und tut dies in aller Regel auch nicht. Dass sich der EuGH zur Anwendung des Art. 9 RL 64/221/EWG in der „Ziebell“-Entscheidung ausgeschwiegen hat, wird auch damit zusammenhängen, dass die Vorlagefrage sich lediglich auf den materiellrechtlichen Ausweisungsschutz und nicht auf die Ausgestaltung des Verfahrens richtete. Daher und weil die konkrete Vorlagefrage des VGH Mannheim ausschließlich darauf gerichtet war, ob sich der Ausweisungsschutz assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger nach Art. 14 ARB 1/80 nach Art. 28 Abs. 3 lit. a) der RL 2004/38/EG zu richten hat, sind die vorstehenden Ausführungen des VGH Baden-Württemberg gänzlich spekulativ. Schließlich muss auch dem Argument des VGH Baden-Württemberg in dessen Entscheidung vom 10.02.2012 entgegengetreten werden, assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige erlitten durch einen Wegfall des Widerspruchverfahrens keine Nachteile dadurch, dass lediglich die Zweckmäßigkeitsprüfung, die nur durch die Widerspruchsbehörde, nicht aber durch die Verwaltungsgerichte vorgenommen werden kann, entfiele. In der Entscheidung heißt es auf S. 24 hierzu: „Lediglich die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung kann durch das Verwaltungsgericht nicht geprüft werden, was aber bei einer Gesamtbetrachtung der Wirkungen der Abschaffung des Widerspruchverfahrens nicht negativ ins Gewicht fällt.“ Das Bundesverwaltungsgericht hat unter Hinweis auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH bereits in seiner Entscheidung vom 13.09.2005 (A.Z.: 1 C 7.04) in Rn. 19 zur gemeinschaftsrechtlichen Notwendigkeit einer Zweckmäßigkeitsprüfung im Rahmen eines Widerspruchverfahrens ausgeführt: „In Ausweisungsverfahren gegen Unionsbürger und assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige wird - außer in dringenden Fällen - Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG in Deutschland verletzt, wenn weder ein Widerspruchsverfahren stattfindet noch sonst eine zweite zuständige Stelle im Sinne der Richtlinie im Verwaltungsverfahren eingeschaltet wird (behördliches Vorverfahren im Sinne des § 68 VwGO). Denn das deutsche verwaltungsgerichtliche Rechtsschutzsystem sieht lediglich eine Kontrolle der "Gesetzmäßigkeit" der Ausweisungsverfügung, nicht jedoch eine Überprüfung nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten vor. Nach § 114 Satz 1 VwGO ist die gerichtliche Überprüfung von behördlichen Ermessenserwägungen darauf beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Eine Überprüfung der Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns ist den Gerichten danach nicht möglich. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften legt Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG aber dahin aus, dass das Eingreifen der in der Bestimmung genannten (zweiten) "zuständigen Stelle" - neben der "Verwaltungsbehörde" - ermöglichen soll, eine erschöpfende Prüfung aller Tatsachen und Umstände einschließlich der Zweckmäßigkeit der beabsichtigten Maßnahme zu bewirken, ehe die Entscheidung endgültig getroffen wird (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - Rs. C-482/01 und C-493/01 Orfanopoulos und Oliveri - Rn. 103 ff., InfAuslR 2004, 268 [276 f.] m. w. N.; vgl. auch Urteil vom 2. Juni 2005, Rs. Dörr und Ünal, a. a. O.). Das kann nach der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs auch die Widerspruchsbehörde im Widerspruchsverfahren sein; das deutsche Verwaltungsgericht kann diese Funktion nicht übernehmen. Beim Gericht wäre im Sinne der Rechtsprechung des EuGH nicht gewährleistet, dass eine erschöpfende Prüfung der Zweckmäßigkeit einer nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilenden Ausweisungsverfügung vorgenommen und damit den Erfordernissen eines hinreichend effektiven Schutzes im Sinne der Richtlinie genügt wird. Der EuGH hat dies in den genannten Entscheidungen sowohl für das deutsche als auch für das dem deutschen insoweit vergleichbare österreichische Rechtsschutzsystem ausgesprochen. Daraus folgt, dass nach der in Baden-Württemberg erfolgten Abschaffung des behördlichen Vorverfahrens bei Ausweisungen die gemeinschaftsrechtlich geforderte Einschaltung einer unabhängigen zweiten Stelle neben der Ausländerbehörde ("Vier-Augen-Prinzip") entfallen ist. Die gegen begünstigte Ausländer verfügten Ausweisungen sind daher wegen eines Verfahrensfehlers unheilbar rechtswidrig, es sei denn, es hätte ein "dringender Fall" im Sinne des Art. 9 Abs.1 RL 64/221 EWG vorgelegen.“ Auf die oben zitierte Stellungnahme der Kommission der Europäischen Union hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 24.10.2011 (2 BvR 1969/09, InfAuslR 2012, 7, 11) verwiesen, in welchem es einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG in der Entscheidung des Bay VGH vom 24.07.2009 (19 ZB 09.1509) in einem Berufungszulassungsverfahren erkennt, weil dieses die Notwendigkeit einer Vorlage an den EuGH missachtet hat. Der Bay VGH hatte in vorgenannter Entscheidung – insoweit ähnlich wie der VGH Baden-Württemberg, in seinem Urteil vom 10.02.2012 – ausgeführt, die RL 64/221/EWG sei mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben und durch die RL 2004/38/EG ersetzt worden. Allerdings hat der Bay VGH in seiner Entscheidung die Frage unbeantwortet gelassen, ob sich türkische Assoziationsberechtigte weiterhin auf Art. 9 RL 64/221/EWG berufen können. Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu in der Entscheidung vom 24.10.2011 aus: „Diese Erwägung reicht offensichtlich nicht aus, um eine Vorlagepflicht zu verneinen, weil sich das Gericht nicht ansatzweise mit der Argumentation des Beschwerdeführers zur Weitergeltung der Richtlinie 64/221/EWG für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige über den 30.04.2006 hinaus beschäftigt. Eine Auseinandersetzung dazu war indes geboten. Der Beschwerdeführer hatte auf die Stellungnahme der Kommission der Europäischen Union zu der vor dem Gerichtshof anhängigen Rechtssache Polat (C-349/06) vom 15.12.2006 verwiesen.“ Nach einer Zusammenfassung der oben zitierten Auffassung der Kommission der Europäischen Union zur Fortgeltung des Art. 9 RL 64/221/EWG heißt es in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts weiter: „Diese Erwägungen sind geeignet, der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige könnten ab dem 30.04.2006 nur die Bestimmungen der Unionsbürgerrichtlinie maßgeblich sein, die Grundlage zu entziehen.[…]Da es der Verwaltungsgerichtshof nicht unternommen hat, den im Berufungzulassungsverfahren aufgezeigten Zusammenhängen zwischen den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen des Assoziationsabkommens, dem Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 und der Richtlinie 64/221/EWG nachzugehen, erweisen sich seine Erwägungen als nicht hinreichend tragfähig, sodass ein Verfassungsverstoß vorliegt.“ Es ist zusammenfassend festzustellen, dass - will ein Gericht Art. 9 RL 64/221 EWG außer Anwendung lassen - gehalten ist, die Frage dem EuGH vorzulegen. 2. Missachtung des Art. 9 64/221/ EWG in Hessen durch § 16 a) Abs. 4 Hess AGVwGO Nun ist in Hessen zwar – anders als etwa in Bayern und Baden-Württemberg – das Widerspruchsverfahren in Bezug auf Verwaltungsakte, welche die Fortdauer des Aufenthalts bzw. die Aufenthaltsbeendigung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger zum Gegenstand haben, nicht gänzlich abgeschafft worden. Nach § 16 a) Abs. 4 Hess AGVwGO i.V.m. deren Anlage Ziff. 2.6 ist aber die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder diesen abgelehnt hat, auch für die Entscheidung über den Widerspruch zuständig. Dies ist nach dem „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG indessen nicht zulässig. Dort ist vielmehr vorgeschrieben, dass „die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über die Verweigerung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet außer in dringenden Fällen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes“ trifft. In Satz 3 der Vorschrift ist unmissverständlich geregelt: „Diese Stelle muss eine andere sein, als diejenige, welche für die Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zuständig ist.“ Mithin hat § 16 a) Abs. 4 Hess AGVwGO kraft Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts (gerade) in Widerspruchsverfahren, welche die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und die Entfernung türkischer Assoziationsberechtigter betrifft, außer Anwendung zu bleiben. Auch Dienelt sieht mit gleicher Begründung in der Regelung des § 16 a) Abs. 4 Hess AGVwGO einen Verstoß gegen Art. 9 RL 64/221/EWG („Ausländerrecht Hessen ARB 1/80 kein Widerspruchsverfahren, kein Vorverfahren“, migrationsrecht.net). Eine Missachtung des Art. 9 der RL 64/221 EWG hat – wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 13.09.2005 (A.Z.: 1 C 7.04) entschieden hat - zur Folge, dass ein unheilbarer Verfahrensmangel vorliegt und die betreffende Ausweisungsverfügung unheilbar rechtswidrig ist.
Peter von Auer @ Frankfurt am Main
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yasni 16.05.12  +  

Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nationaler aufenthaltsrechtlicher Normen / Praktiken ggü. türkischen Staatsangehörigen

Auf Anfrage der migrationspolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Frau Sevim Dagdelen, hat der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages, welcher die Abgeordneten des Deutschen Bundestages bei ihrer politischen Arbeit durch Fachinformationen, Analysen und gutachterliche Stellungnahmen untersützt, ein Gutachten mit dem Titel "Anwendungsbereiche und Auswirkungen der Stillhalteklausel im Assoziationsrecht der EU mit der Türkei" erstellt. Die Gutachterin, Frau Dr. Birgit Schröder, kommt darin zu dem Ergebnis, dass zahlreiche deutsche aufenthaltsrechtliche Regelungen bzw. deren Handhabung in der Praxis nicht mit Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und auf Grund des europarechtlichen Anwendungsvorrangs im Hinblick auf türkische Staatsangehörige nicht zur Anwendung gelangen dürfen. Zu den wichtigsten Punkten des Gutachtens zählen: 1. Die Befreiung von der Visumpflicht (§ 4 Abs. 1 AufenthG) für türkische Staatsangehörige für kurzfristige Aufenthalte zum Gebrauchmachen von der passiven Dienstleistungsfreiheit - etwa als Touristen oder Patienten. In dem Gutachten heißt es hierzu (S. 11): "Hierfür spricht, dass bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls die Dienstleistungsfreiheit des EWG-Vertrages die passive Dienstleistungsfreiheit als Rechtsposition umfasst (Richtlinie Nr.64/221/EWG vom 25.02.1964, gestützt auf Art. 56 Abs. 2 EWG-Vertrag). Somit sind beispielsweise Touristen, Personen, die eine medizinische Behandlung in Anspruch nehmen oder Personen, die Studien- oder Geschäftsreisen unternehmen, als Empfänger von Dienstleistungen anzusehen". 2. Der in § 30 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG geforderte Sprachnachweis von Ehegatten zum Nachzug zu dem in Deutschland lebenden Ehepartner. Dazu wird in dem Gutachten (S. 13 f.) ausgeführt: "Der EuGH hat in der Rechtssache Toprak entschieden, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, auch solche neuen Beschränkungen zu unterlassen, die nicht unmittelbar die Arbeitnehmerfreizügigkeit betreffen, sich aber mittelbar auf diese auswirken können. Neue Erschwernisse im Bereich des erstmaligen Zugangs des Familiennachzuges treffen nicht nur den nachzugswilligen Ehegatten, sondern beeinträchtigen auch die Rechte des in Deutschland lebenden türkischen Stammberechtigten, da ein untersagter Familiennachzug sich negativ auf die Verwirklichung derFreizügigkeit des stammberechtigten Arbeitnehmers auswirken kann. Vielmehr soll Art. 13 ARB 1/80 dazu beitragen, die Beschäftigung und den Aufenthalt des Stammberechtigten zu fördern, indem ihm die Aufrechterhaltung seiner familiären Bande garantiert wird." 3. Auch die jüngste Verlängerung der Mindest-Ehebestandszeit für die Entstehung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts i.R.d. § 31 AufenthG von zwei auf drei Jahre ist mit der Stand-Still-Klausel nach Auffassung der Gutachterin nicht vereinbar: "In dem am 17. März 2011 abschließend im Plenum des Deutschen Bundestags beratenen Gesetzesentwurf zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat wird die Mindestehebestandszeit für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehepartners von zwei auf drei Jahre erhöht. Dies bedeutet, dass die Ehegatten im Falle einer Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erst dann ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhalten, wenn die Ehe zuvor in Deutschland mindestens drei Jahre bestanden hat. Nach der Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen Toprak und Oguz sowie der einstimmigen Meinung der zu diesem Gesetzentwurf angehörten Sachverständigen ist diese Neuregelung wohl nicht mit dem Assoziationsrecht vereinbar und als neue Beschränkung im Sinne des Art. 13 ARB 1/80 zu werten. Die Anhebung der Ehebestandszeit stellt zwar keine Verschlechterung gegenüber der Rechtslage imVergleich zum 1. Dezember 1980 dar, wohl aber gegenüber einer zwischenzeitlich eingeführtenVergünstigung: In § 31 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist bislang nur eine Ehebestandszeit von zwei Jahren festgelegt." Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages steht in diesen zentralen Punkten im Gegensatz zu der Rechtsauffassung der Bundesregierung (vgl. etwa BT-Drs. 17/5884). Zu Recht führt Frau Sevim Dagdelen in ihrer Pressemitteilung vom 07.07.2011 zu den Ergebnissen des Gutachtens aus: "Die Bundesregierung muss im Umgang mit türkischen Migrantinnen und Migranten EU-Recht uneingeschränkt umsetzen. Sie darf ihnen nicht weiterhin ihre Rechte verweigern, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist diesbezüglich eindeutig." Die Erfahrung lehrt indessen leider, dass die Bundesregierung häufig erst durch EuGH-Entscheidungen ein Einsehen ob gemeinschaftsrechtswidriger aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen bzw. Praktiken hat und entsprechende Änderungen auf den Weg bringt. Als Rechtsanwalt sehe ich mich hier in der Pflicht und Verantwortung gegenüber Ratsuchenden, diese von der Durchsetzbarkeit ihrer Rechte zu überzeugen und auf diesem oft langwierigen Weg durch Behörden und Gerichte zu begleiten. Das Gutachten Frau Dr. Birgit Schröders sowie die Pressemitteilung der migrationspolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Frau Sevim Dagdelen (auf deutsch und türkisch) sind auf meiner homepage www.ra-vonauer.de als Downloads abrufbar.
Peter von Auer @ Frankfurt am Main
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yasni 09.05.12  +  

Verjährung von Abschiebungskosten

Nach §§ 66, 67 AufenthG hat der von einer Abschiebung Betroffene die Kosten der eigenen Abschiebung selbst zu tragen. Werden diese Kosten - zu denen auch häufig exorbitant hohe Kosten, die etwa durch Abschiebungshaft oder die Begleitung durch Beamte der Bundespolizei gehören - durch Leistungsbescheid geltend gemacht, sollte stets geprüft werden, ob deren Geltendmachung nicht bereits verjährt ist. Das Verwaltungstericht Darmstadt schließt sich in einem Urteil vom 17.11.2011 (A.Z.: 6 K 1563/09.DA) der Argumentation Rechtsanwalts von Auers und der Rechtsprechung des Bay VGH (Urteil vom 06.06.2011, 19 BV 10.2304), des VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 30.07.2009, 13 S 919/09) sowie des VG Münster (Urteil vom 05.05.2011, 8 K 61/10) an, wonach die vierjährige Festsetzungsverjährung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. VwKostG neben der sechsjährigen Zahlungsverjährung nach § 70 Abs. 1 AufenthG ergänzend Anwendung findet. Da diese Frage in Rechtsprechung und Literatur sehr umstritten ist und etwa von Funke-Kaiser (GK-AufenthG, § 70 Rn. 6), dem Innenministerium NRW (Erlass des Innenministeriums NRW vom 04.11.2009, 15-39.22.01.) und vor allem auch von Seiten des VGH Kassel - bislang allerdings nur in einem obiter dictum - anders gesehen wird (Beschluss vom 18.01.2011, 5 A 1302/10.Z), hat das VG Darmstadt die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zugelassen, die aktuell beim VGH Kassel anhängig ist. Interessant ist in dem Urteil auch die Beantwortung der Frage, ob für die Beendigung der Unterbrechung der Verjährung nach § 70 Abs. 2 AufenthG - die andauert, "solange sich der Kostenschuldner nicht im Bundesgebiet aufhält oder sein Aufenthalt im Bundesegebiet deshalb nicht festgestellt werden kann, weil er einer gesetzlichen Meldepflicht oder Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist" - ausreichend ist, ob sich der Betroffene in einer Weise bei der Ausländerbehörde gemeldet hat, die es dieser ermöglichen, seinen Aufenthalt festzustellen oder ob hierfür die förmliche Anmeldung des Wohnsitzes maßgeblich ist. Der konkrete Sachverhalt wird in dem Urteil nicht vollumfänglich dargestellt, da dies nach der Lösung des Gerichts – es genügt „die Mitteilung der vorübergehenden Wohnanschrift c/o […]“, die Unterbrechung der Verjährung endet also „nicht erst mit der förmlichen Anmeldung der Klägerin in der Asylbewerberunterkunft […]“ – nicht notwendig war. Gleichwohl hätte das Gericht die weiteren klägerseits vorgebrachten Argumente anführen können: Die Zustellung wäre entgegen den Ausführungen der Beklagten problemlos möglich gewesen und hätte noch nicht einmal der Kenntnis über den tatsächlichen Aufenthalt der Klägerin bedurft. Denn nach § 14 Abs. 2 S. 1 VwVfG soll sich die Behörde an den bestellten Bevollmächtigten wenden. Nach S. 4 der Vorschrift bleiben Vorschriften über die Zustellung an Bevollmächtigte unberührt. Gemäß § 7 VwZG können Zustellungen an den allgemein oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Bevollmächtigten gerichtet werden und sind an ihn zu richten, wenn er – wie hier – Vollmacht vorgelegt hat. Eine Zustellung an die Klägerin selbst wäre daher sogar unwirksam gewesen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 14, Rn. 31 unter Verweis auf BVerfG, NJW 1978, 1575). § 70 Abs. 2 Alt. 2 AufenthG ist daher weiter dahingehend einzuschränken, dass keine Unterbrechung der Verjährung gegeben ist, wenn ein Bevollmächtigter bestellt wurde und gegenüber der Ausländerbehörde Vertretung nachweist, da der Leistungsbescheid dann an diesen zu richten ist. Im konkreten Fall hatte sich der damalige Bevollmächtige der Klägerin bereits am 28.12.2004 unter Vollmachtsvorlage und Angabe der vorübergehenden Wohnanschrift c/o per Fax bei der Beklagten gemeldet, so dass Zustellung – ob nun an den Bevollmächtigten oder an die Klägerin – ab diesem Tag möglich war. Der Ablauf der Unterbrechung erfolgte mithin nach § 20 Abs. 4 VwKostG am 01.01.2005, Verjährung trat nach § 20 Abs. 1 S. 1 2. Alt. VwKostG am 31.12.2008 ein. Wäre das Gericht der Auffassung der Beklagten gefolgt, wonach i.R.d. § 70 Abs. 2 AufenthG auf die förmliche Anmeldung abzustellen ist – die hier am 03.01.2005 erfolgte – wäre Verjährung erst am 31.12.2009 eingetreten, der Leistungsbescheid vom 07.09.2010 mithin rechtzeitig ergangen… Das Urteil des VG Darmstadt kann unter www.ra-vonauer.de auf der Seite Downloads abgerufen werden. Über das Ergebnis des Berufungsverfahrens wird an dieser Stelle informiert, sobald die Entscheidung des VGH Kassel vorliegt.
Peter von Auer @ Frankfurt am Main
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yasni 09.05.12  +  

Zustellung von §§ 26a, 27a AsylVfG-Bescheiden an Bevollmächtigte bzw. Heilung von Zustellungsmängeln nach §§ 7,8 VwZG ?

Die gesetzlichen Regelungen zur Zustellung von §§ 26 a, 27 a-AsylVfG-Bescheiden (sog. "Dublin II-Bescheiden") unterlaufen in der Regel effektiven Rechtsschutz dadurch, dass "Dublin II"-Bescheide nicht an bestellte Bevollmächtige, sondern an die betroffenen Mandanten selbst zuzustellen sind. Der Bevollmächtigte erhält oft - wenn er sich nicht frühzeitig und regelmäßig darüber informiert, ob sich ein solcher "Dublin II"-Bescheid als Entwurf in der Asylverfahrensakte befindet - davon erst eine Abschrift, wenn sich der Betroffene bereits im Flugzeug oder in dem nach der Dublin II-VO zuständigen Mitgliedstaat befindet. Im Folgenden soll dargestellt werden, wie die Lage zu beurteilen ist, wenn der Bevollmächtigte anstatt des Betroffenen den "Dublin II"-Bescheid zugesandt bekommt oder vor dessen Zustellung einen Entwurf - etwa durch Zusendung einer Kopie der elektronischen Akte - erhält. Zunächst ein Blick auf die gesetzlichen Regelungen: § 31 Abs. 1 S. 4 AsylVfG bestimmt – dem Wortlaut nach eindeutig - dass im Falle der Ablehnung eines Asylantrages nach den §§ 26 a und 27 a AsylVfG der Bescheid „dem Ausländer selbst zuzustellen“ ist. Hat der Betroffene einen Verfahrensbevollmächtigten, „soll diesem [lediglich] ein Abdruck der Entscheidung zugesandt werden“, § 31 Abs. 1 S. 5 AsylVfG. Die vorgenannten Regelungen erscheinen schon nach ihrer Formulierung so eindeutig, dass auf der Hand liegen dürfte, dass eine Zustellung an den Verfahrensbevollmächtigten nach § 7 VwZG ausgeschlossen ist. Gleiches gilt für die Heilung eines Mangels der Zustellung nach § 8 VwZG, wenn bswp. dem Verfahrensbevollmächtigten lediglich ein Entwurf eines Bescheids zugestellt wird, dessen persönliche Zustellung nach § 31 Abs. 1 S. 4 AsylVfG noch gar nicht versucht wurde oder ein Ausdruck der elektronischen Akte gesandt wurde, in welcher sich nur ein Bescheidsentwurf befindet. Nichts anderes gilt in Fällen, in welchen die persönliche Zustellung an den Betroffenen scheitert und der Bevollmächtigte lediglich eine Abschrift des Bescheides nach § 31 Abs. 1 S. 5 AsylVfG erhält. Das VG Karlsruhe hat in einem Beschluss vom 31.08.2011 (A.Z: A 8 K 2269/11) dennoch in letztgenannter Konstellation einen Eilrechtsschutzantrag nach § 123 VwGO eben mit der Begründung abgelehnt, die mangelnde Zustellung sei mit der Übersendung des Abdrucks des Bescheids i.S.d. § 31 Abs. 1 S. 5 AsylVfG geheilt . Der Eilrechtsschutzantrag konnte – da nach dieser Prämisse nach Ablauf von zwei Wochen konsequenterweise vom Verstreichen der Klagefrist ausgegangen wurde –auch nicht (mehr) in einen solchen nach § 80 Abs. 5 VwGO umgedeutet werden. Dies obwohl die Abschrift des Bescheids mit einem Begleitschreiben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge an den Verfahrensbevollmächtigten gesandt wurde, in welchem es ausdrücklich hieß: „Die zuständige Ausländerbehörde wird die Bescheidzustellung an Ihre Mandantschaft veranlassen“. In Rechtsprechung und Literatur wird demgegenüber – soweit ersichtlich durchweg – zu Recht vertreten, dass die gesetzlich ausdrücklich vorgeschriebene Zustellung an den „Ausländer selbst“ in § 31 Abs. 1 S. 4 AsylVfG zwingend ist und weder die Zustellung des Bescheids nach § 7 VwZG an den Verfahrensbevollmächtigten noch eine Heilung nach § 8 VwZG durch Zustellung der Abschrift des Bescheids – erst Recht nicht: durch Zustellung eines ausdrücklich so bezeichneten „Bescheidsentwurfs“ oder einer Kopie der Verfahrensakte, in welcher sich ein solcher befindet – an den Verfahrensbevollmächtigten möglich ist. Die Bekanntgabe mit einfachem Brief an den Bevollmächtigten erfüllt das in § 31 Abs. 1 S. 4 AsylVfG gesetzlich normierte Erfordernis der persönlichen Zustellung entgegen dem Normfall, in welchem nach § 7 S. 1 und 2 VwzG, Zustellungen auch an den Verfahrensbevollmächtigten gerichtet werden können bzw. an diesen zu richten sind, wenn dieser schriftlich Vollmacht vorgelegt hat, nicht (VG Düsseldorf, Beschluss vom 06.11.2008, A.Z.: 13 L 1645/08; Funke-Kaiser in: GK zum AsylVfG, § 31 Rn. 10; VG Hamburg, Beschluss vom 02.03.2010, A.Z.: 15 AE 44/10). Zu Recht hat daher das VG Oldenburg mit Beschluss vom 09.11.2009 (A.Z.: 3 B 2837/09, Rechtsprechungsdatenbank asyl.net) einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in einer Konstellation als unzulässig abgelehnt (aber freilich in einen solchen nach § 123 VwGO umgedeutet), in welcher die in § 31 Abs. 1 S. 4 AsylVfg vorgeschriebene persönliche Zustellung nicht erfolgt war und der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller lediglich einen kompletten Ausdruck der elektronischen Akte – einschließlich des darin befindlichen Bescheids – zugeleitet worden war. Das VG Oldenburg führt in der zitierten Entscheidung zutreffend aus, dass § 8 VwZG, wonach ein Dokument, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder welches unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt gilt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist, keine Anwendung findet: „Wegen der Vorschrift des § 31 Abs. 1 S. 4 AsylVfG sind die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers nicht `Empfangsberechtigte´ i.S.d. § 8 VwZG“. Ähnlich hat das LG Dortmund in einem Beschluss vom 17.08.2005 (A.Z.: 9 T 544/05, Rechtsprechungsdatenbank asyl.net) entschieden. Es liegt in Fällen, in welchen lediglich eine Abschrift des Bescheids an den Verfahrensbevollmächtigten gesandt wurde, auch ersichtlich kein Bekanntgabewille der Beklagten vor. Aus der regelmäßig verwendeten Formulierung „Die zuständige Ausländerbehörde wird die Bescheidzustellung an Ihre Mandantschaft veranlassen“ergibt sich viehlmehr – wie es das VG Düsseldorf in einem Beschluss vom 06.11.2008 (A.Z.: 13 L 1645/08.A) ausgedrückt hat – „unmissverständlich, dass den Prozessbevollmächtigten […] lediglich eine Kopie des Entwurfs des Bescheids übermittelt werden sollte, nicht aber der Bescheid selbst. Der Bescheid sollte vielmehr – wie in § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG vorgesehen – [den Antragstellern] selbst zugestellt werden. Fehlt es aber auch aus der objektiven Sicht des Empfängers bereits am Bekanntgabewillen der Behörde, ist die Übersendung eines Bescheidsentwurfs keine Bekanntgabe im Sinne des § 41 VwVfG und vermag deshalb die Wirksamkeit des Bescheids nicht herbeizuführen. “ Dafür, dass der Bescheid entsprechend dem klaren Wortlaut des § 31 Abs. 1 S. 4 AsylVfG zwingend an die Betroffenen zuzustellen ist, spricht auch, dass andernfalls gänzliche Unklarheit über den Zeitpunkt der Zustellung und damit den Ablauf der Klagefrist entstehen würde, da eine Vielzahl von Zeitpunkten des Wirksamwerdens eines § 26 a)-AsylVfG-Bescheids in Frage kämen: Soll bzw. muss der Verfahrensbevollmächtigte bereits klagen, wenn er von Seiten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge – etwa durch Zusendung eines Ausdrucks der Verfahrensakte – erfährt, dass sich der Entwurf eines solchen Bescheids in der Akte befindet? Er riskiert nach der vorzitierten Rechtsprrechung, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Muss zur Sicherheit – eventuell nochmals – innerhalb von zwei Wochen geklagt werden, wenn wie hier dem Verfahrensbevollmächtigten eine Abschrift des Bescheids gesandt wird? Dies, obwohl in einem Begleitschreiben ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die „zuständige Ausländerbehörde die Bescheidzustellung an Ihre Mandantschaft veranlassen“wird? Auch hier würde die Klage wohl als unzulässig abgewiesen werden. Was ist, wenn diese Bescheidzustellung an die Mandantschaft möglicherweise Tage oder Wochen nach Zustellung der Abschrift ab den Verfahrensbevollmächtigten erfolgt? Muss dann erneut – ggf. zum dritten Mal – geklagt werden? Aus diesen Fragen wird deutlich, dass eine derartige Rechtsunsicherzeit nicht von Seiten des Gesetzgebers, der sich in § 31 Abs. 1 S. 4 AsylVfG unmissverständlich ausgedrückt hat, gewollt sein kann und unter keinen Umständen mit Art. 19 Abs. IV GG vereinbar wäre. Die §§ 7, 8 VwZG können daher im Rahmen der Zustellung von ablehnenden Asylentscheidungen nach den §§ 26 a und 27 a AsylVfG wegen der speziellen Zustellungsregelungen in § 31 Abs. 1 S. 4 und 5 AsylVfG keine Anwendung finden
Peter von Auer @ Frankfurt am Main
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yasni 09.05.12  +  

Eingreifen des § 10 Abs. 6 StAG auch bei krankheitsbedingter Unfähigkeit zur Absolvierung der Sprachprüfung

Das VG Frankfurt hat mit Urteil vom 23.03.2010 (A.Z.:11 K 2336/09.F(3)) (ähnlich: VG Darmstadt, PKH-Beschluss vom 06.07.2010, A.Z.: 5 K 544/10.DA) entschieden, dass der Aus-schlussgrund des § 10 Abs. 6 StAG nur Fälle erfasst, in welchen Antragsteller krankheitsbedingt nicht in der Lage sei, die deutsche Sprache zu erwerben, nicht aber solche Fälle, in welchen die Betroffenen krankheitsbedingt nicht zur Absolvierung einer Sprachprüfung imstande sind. Das Urteil des VG Frankfurt stützt sich hierbei zunächst auf die Ziff. 10.6 der Hessischen Vorläufigen Anwendungshinweise zum Staatsangehörigkeitsgesetz vom 17.04.2009 (im Folgenden: VAH Hessen) – die von jenen des Bundesinnenministeriums abweichen und mit welchen (allein) die hessischen Einbürgerungsbehörden arbeiten – worin es heißt (Hervorhebung im Urteil): „Von ausreichenden Sprachkenntnisse sowie von Kenntnissen der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland ist vollständig abzusehen, wenn der Einbürgerungs-bewerber diese Voraussetzungen wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt dauerhaft nicht erfüllen kann. Die Feststellung des Unvermögens setzt einen entsprechenden medizinischen Befund sowie eine Aussage zur Ursächlichkeit des Befundes für die die Einschränkungen beim Spracherwerb bzw. beim Erwerb der sonstiger Kenntnisse voraus. Hierfür ist in der Regel die Vorlage eines ärztlichen Attests erforderlich; in Zweifelsfällen kann ein amtsärztliches Gutachten gefordert werden.“ Im Anschluss erfolgt im Urteil sodann die – wie noch zu zeigen sein wird – künstliche und rechtlich nicht haltbare – Trennung zwischen der Unfähigkeit zum Spracherwerb einerseits sowie an der Unfähigkeit zur Absolvierung der Sprachprüfung andererseits (Hervorhebungen ebenfalls im Original): „Ein medizinischer Befund, der die dauerhafte krankheitsbedingte Unmöglichkeit des Erwerbs ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache belegen könnte, wurde nicht vorgelegt. Das amtsärztliche Attest […] spricht vielmehr nur von der angebli-chen krankheitsbedingten Unmöglichkeit der (erfolgreichen) Teilnahme an einem zum Nachweis des Besitzes ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache notwendigen Test.“ Im Anschluss wird dann sodann weiter – ohne jedwede Fachkennt-nis entgegen dem amtsärztlichen (!) Attest – pauschal ausge-führt: „Gegen `Prüfungsangst´ lässt sich auch etwas tun. Sie ist nicht unabänderlich.“ Und – wohl für den Fall, dass sich diese Aussage wissenschaftlich nicht halten lässt: „Im Übrigen kann chronischen Erkrankungen durch eine entspre-chende, vom Standardablauf abweichende Gestaltung der Prüfung Rechnung getragen werden. Hierzu wird auf die `Teilnahmebedingungen für chronisch kranke und behinderte Prüfungsteilnehmende´verwiesen.“ Beide Aussagen – sowohl jene zur generellen Behandlungsmöglichkeit von Prüfungsängsten als auch die zur Durchführbarkeit einer Prüfung für Betroffene durch abweichende Prüfungsgestaltung – sind indessen unzutreffend: In dem Artikel des renommierten Psychologischen Psychotherapeuten und Fachpsychologen für Rechtspsychologie Wolfgang Siegel „Therapie der Angststörungen –wohin gehen die Psychologischen Psychotherapeuten? Kann die Entwicklung allein den Wissenschaftlern überlassen bleiben?“, unter anderem veröffentlicht auf der Website des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen, wird etwa zu Angststörungen – deren Unterfall die Prüfungsangst ist – ausgeführt: „Angststörungen, zu denen auch die Panikattacken gehören, entstehen durch Konditionierungsprozesse und führen bei Löschungsresistenz zur andauernden Wiederholung von Angstzuständen und deshalb häufig zur Chronifizierung.“ Gegen eine chronische Angststörung lässt sich nun aber gerade nichts „tun“, sie ist sehr wohl unabänderlich. Hinzu kommt, dass die „Teilnahmebedingungen für chronisch kranke und behinderte Prüfungsteilnehmende“ des Goethe-Instituts, auf die von Seiten des VG Frankfurt verwiesen wird, der Situation von Einbürgerungsbewerbern mit derartigen ge-sundheitlichen Einschränkungen in Bezug auf Prüfungen nicht gerecht werden. Dort sind ebensowenig Personen mit geistig-psychischen Einschränkungen erfasst, wie in den „Ergänzungen zu den Durchführungsbestimmungen für Prüfungsteilnehmende mit spezifischem Bedarf“ des Goethe-Instituts. Hier wie dort werden lediglich Personen mit körperlichen Einschränkungen (Sehbehinderte und Blinde, Hörbehinderte, Schreibbehinderte) sowie Legastheniker berücksichtigt. Frau Prof. Dr. Frey vom Goethe-Institut hat hierzu auf Anfrage des Autors die eindeutige Bestätigung erteilt: „Unsere `Ergänzungen zu den Durchführungsbestimmungen für Prüfungs teilnehmende mit spezifischem Bedarf“](vormals: `Teilnahmebedingungen…´) [„Teilnahmebedingungen für chronisch kranke und behinderte Prüfungsteilnehmende“] umfassen nur Personen mit körperlicher Behinderung.“ Es sind aber nicht nur die Prämissen, von denen das VG Frankfurt ausgeht, unzutreffend. Auch die Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen lässt sich nicht halten: Schon aus der engen systematischen Verknüpfung zwischen Abs. 1 S. 1 Nr. 6, Abs. 4 und Abs. 6 des § 10 StAG ergibt sich, dass in Bezug auf die Ausnahmevorschrift des Abs. 6 der Norm nicht zwischen der krankheitsbedingten Unfähigkeit des Spracherwerbs und jener der Teilnahme an / des Bestehens einer Sprachprüfung differenziert werden kann. Nach § 10 Abs. 4 StAG liegen die „Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 1 Nr. 6“ der Norm vor, wenn der Ausländer „die Anforde-rungen der Sprachprüfung zum Zertifikat Deutsch (B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen) in mündlicher und schriftlicher Form erfüllt“. Wenn nun § 10 Abs. 6 StAG vorschreibt, dass von den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 6 abgesehen wird, wenn der Auslän-der sie wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit nicht erfüllen kann, so muss dies nach der gesetzlichen Erläuterung zu § 10 Abs. 1 Nr. 6 in Abs. 4 der Norm, die ausdrücklich das Erfüllen der Anforderungen der „Sprachprüfung“ abstellt, so muss der Ausnahmetatbestand denknotwendig (auch) dann eingreifen, wenn der Einbürgerungsbewerber krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, eben diese Prüfung zu absolvieren. Weiter ist der verfassungsrechtliche Gehalt der Ausnahme des § 10 Abs. 6 StAG in den Blick zu nehmen. In Bezug auf § 9 Abs. 2 S. 3 AufenthG, der bezüglich der auch für die Niederlassungserlaubnis grundsätzlich erforderlichen ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache (§ 9 Abs. 2 Nr. 7 Aufenth) ebenfalls die Ausnahme zulässt, dass diese nicht vorliegen müssen, wenn die Voraussetzung wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllt werden kann, hat dies der Gesetzgeber ausdrücklich betont – und dabei zu erkennen gegeben, dass er nicht zwischen Erwerb der Sprachkenntnisse und deren Prüfung differenziert. So heißt es in BT-Drs. 15/420 S. 72: „Satz 3 liegt der Gedanke zu Grunde, dass auch behinderten Ausländern eine Aufenthaltsverfestigung möglich sein muss (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG). Insoweit kommen aber Fälle vor, in denen auch durch sinnvolle Berücksichtigung der spezifischen Einschränkungen bei Art und Inhalt der Prüfungen nicht geholfen werden kann, weil Betroffene überhaupt nicht in der Lage sind, Deutsch zu sprechen, zu schreiben […].“ Im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 4, Abs. 6 StAG kann nichts anderes gelten. Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG gebietet kurz gesagt: Gleiches gleich und Ungleiches nicht gleichzubehandeln. Die Verfassungsnorm enthält nicht nur ein subjektives grundrechtliches Abwehrrecht, das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr darüber hinaus eindeutig im Sinne einer grundrechtli-chen Gewährleistung Stellung genommen (vgl. Beschluss vom 30.07.1996, 1 BvR 1308/96). Dies ist hier hervorzuheben, da es um die Geltendmachung eines gesetzlichen Anspruchs geht. Ohnehin kann der Verweis auf die Zif. 10.6 der VAH Hessen das Urteil nicht tragen, da diese dem Gesetz – erst recht: dem Grundgesetz – untergeordnet ist. Als lediglich norminterpretierende, nicht: -konkretisierende Verwaltungsvorschrift ent-falten die VAH Hessen im Übrigen keine Bindungswirkung für die Gerichte (vgl. BVerwGE 107, 338 ff.). Die Interpretation der Ziff. 10.6 Abs. 1 der VAH Hessen muss der Systematik, dem Wortlaut sowie dem aus Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG verfassungsrechtlich motivierten Sinn und Zweck des Gesetzes, auch kranken und behinderten Ausländern die Einbürgerung zu ermöglichen, Rechnung tragen und kann nicht allein am Wortlaut „Einschränkungen beim Spracherwerb“ erfolgen. In Ziff. 10.6 der VAH des Bundesinnenministeriums (im Folgen-den: VAH BMI) lautet die etwas deutlichere Formulierung: „Nicht jede Krankheit oder Behinderung führt zum Ausschluss der genannten Voraussetzungen, sondern nur diejenigen, die den Einbürgerungsbewerber an der Erlangung der Kenntnisse hindern, insbesondere die Unfähigkeit, sich mündlich oder schriftlich zu artikulieren“. Eben dies trifft für Personen mit chronischen Prüfungsängsten zu, die sich – i.R.e. Prüfung – eben nicht mündlich oder schriftlich zu artikulieren vermögen. Für die Praxis ist darauf hinzuweisen, dass es auf das Absolvieren einer Sprachprüfung im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 6 StAG nicht zwingend ankommt: Nach Ziff. 10.1.1.6 der Vorläufigen Anwendungshinweise des BMI (VAH BMI) zum Staatsangehörigkeitsgesetz ist dem Einbürgerungsbewerber, sofern die erforderliche Sprachkenntnisse nicht hinreichend anhand von Zeugnissen oder Zertifikaten nachgewie-sen sind, ein Sprachtest ggf. auch ein Sprachkurs zu empfeh-len, es sei denn der Einbürgerungsbewerber verfügt nach der in einem persönlichen Gespräch gewonnenen Überzeugung der Staats-angehörigkeitsbehörde offensichtlich über die geforderten Sprachkenntnisse. In diesen Fällen kann auf einen Sprachtest verzichtet werden. Auch in Ziff. 10.4.1 der VAH BMI ist hervorgehoben, dass eine Sprachprüfung nicht zwingend vorausgesetzt wird. Betroffenen bzw. deren Rechtsanwälten ist daher zu raten, der Einbürgerungsbehörde vorzuschlagen, den Einbürgerungsbewerber zu einem persönlichen Gespräch einzuladen und sich in einer ungezwungenen Atmosphäre von seinen Sprachkenntnissen zu über-zeugen. Sollten im Rahmen eines solchen Gesprächs die erforderlichen Sprachkenntnisse als offensichtlich gegeben angesehen werden, würde sich ein eventueller Rechtsstreit über die im Raum ste-henden rechtlichen Fragen erübrigen. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Absolvierung eines Sprachtests jedenfalls im Rahmen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG Berücksichtigung finden kann: Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil vom 27.05.2010 (5 C 8.09) zwar hervorgehoben, dass bei der Ausübung des Ermessens im Rahmen des § 8 StAG der Kenntnis der deutschen (Schrift-)Sprache eine hohe Bedeutung beigemessen werden kann. Andererseits geht aus dem Urteil auch hervor, dass 1. auch eine andere Gewichtung eröffnet und 2. im Falle einer atypischen Situation ein Absehen von den Sprachanforde-rungen geboten sein kann. Aus Rn. 35 f. des Urteils geht kon-kret bezogen auf den dort zu entscheidenden Fall hervor, dass das nach § 8 StAG eingeräumte Ermessen Raum lässt für eine Einbürgerung in einer Situation, in welcher der Analphabetismus eines Einbürgerungsbewerbers auf Krankheit, Behinderung oder Alter zurückzuführen ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die auf Krankheit zurück-zuführende Unfähigkeit zur Absolvierung eines Sprachtests nicht ebenfalls im Rahmen des § 8 StAG dazu führen sollte, eine positive Ermessensentscheidung zu treffen.
Peter von Auer @ Frankfurt am Main
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yasni 09.05.12  +  

Aufenthaltsrecht aus Art. 6 ARB 1/80 für türkische Studenten

Türkischen Staatsangehörigen, die sich mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG zum Studium im Bundesgebiet aufhalten, haben nach der Konzeption des Aufenthaltsgesetzes grundsätzlich nur eine legale Möglichkeit, nach Beendigung des Studiums in Deutschland zu bleiben: Sie müssen einen angemessenen Arbeitsplatz - d.h.: einen Arbeitsplatz, der ihrem Studienabschluss gerecht wird - finden. Das ist an sich bei der derzeitigen Arbeitsmarktsituation schon kein leichtes Unterfangen (Stichwort: "Generation Praktikum"). Hinzu kommt, dass das Gesetz nach § 16 Abs. 4 AufenthG hierfür nur ein Jahr Zeit gibt. Finden erfolgreiche Studienabgänger eine solche Beschäftigung, können sie Aufenthaltserlaubnis zur Beschäftigung nach § 18 AufenthG erhalten. Dort sind - auf Grund der sog. Vorrangprüfung, wonach Deutsche und Unionsbürger vorrangig für freie Arbeitsplätze zu suchen sind (vgl. § 39 Abs. 2 AufenthG) - weitere hohe Hürden zu überwinden. Vor Beendigung des Studiums ist nach § 16 Abs. 2 AufenthG sogar ein Wechsel des Aufenthaltszwecks in der Regel gar nicht möglich, solange nicht ein gesetzlicher Anspruch besteht - der zumeist allenfalls durch Eheschließung oder Elternschaft entsteht. Dabei gibt es eine einfache Möglichkeit für türkische Staatsangehörige, sich ein zweites aufenthaltsrechtliches "Standbein" zu verschaffen: Der erste Spiegelstrich des Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation(kurz: ARB 1/80) gibt diesen das Recht auf Verlängerung der Arbeitserlaubnis nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung bei dem gleichen Arbeitgeber. Aus diesem Recht hat der EuGH schon frühzeitig ein Aufenthaltsrecht abgeleitet. Dieses besteht, solange der türkische Arbeitnehmer nach Ablauf dieses Jahres bei dem gleichen Arbeitgeber beschäftigt bleibt. Ist der türkische Arbeitnehmer dort drei Jahre beschäftigt, kann er danach die gleiche Tätigkeit (auch) bei einem anderen Arbeitgeber fortsetzen - und erhält auch hierfür ein abgleitetes Aufenthaltsrecht (Art. 6 Abs. 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80). Nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung haben türkische Arbeitnehmer schließlich freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung (Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80). Diese(s) Recht(e) können auch türkische Studenten erwerben, die nur 180 halbe oder 90 ganze Tage im Jahr arbeiten dürfen (§ 16 Abs. 4 AufenthG): Dies hat etwa der Hess VGH in der Vergangenheit zwar anders gesehen (Beschluss vom 6.3.2006, 12 TG 786/06, InfAuslR 2006, 355). Doch nachdem im Jahr 2008 der EuGH in der Rechtssache "Payir" entschieden hat , dass der Umstand, dass einem türkischen Staatsangehörigen der Aufenthalt als Student oder Au Pair gestattet wurde, die Entstehung assoziationsrechtlicher Aufenthaltsrechte nicht im Wege steht (C-294/06, InfAuslR 2008, 149), hat auch der Hess VGH seine Rechtsprechung geändert (Urteil des Hess VGH vom 8.4.2009 (11 A 2264/08), ANA-ZAR 2009 Heft 5, S. 35). Um es kurz zusammenzufassen: Türkischen Studenten ist zu raten, sich schon frühzeitig neben dem Studium eine Beschäftigung bei einem Arbeitgeber zu suchen, der bereit ist, sie i.R.d. § 16 Abs. 4 AufenthG über mindestens drei, besser vier Jahre zu beschäftigen. Der Autor hat zu diesem Thema einen längeren Artikel bereits in der ZAR 2008, S. 228, veröffentlicht.
Peter von Auer @ Frankfurt am Main
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Rechtsanwalt Peter von Auer, Frankfurt am Main. Rechtsanwalt Stephan Becker, Berlin. Rechtsanwältin Karolin Weber, Aachen.
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Auer, P. von, Souchaystraße 3, 60594 Frankfurt, Rechtsanwälte ...

Ansprechpartner: Herr Rechtsanwalt Peter von Auer Souchaystraße 3 60594 Frankfurt (Sachsenhausen) Tel.: (0 69) 61 09 36 62 Fax: (0 69) 61 09 36 66
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Peter von Auer

Rechtswesen, Frankfurt am Main und Umgebung, Deutschland
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