Universität Leipzig im Yasni Exposé von Spiridon Paraskewopoulos

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Spiridon Paraskewopoulos, 82, Universitätsprofessor @ Universität Leipzig, Köln

Land: Deutschland, Sprache: Deutsch
Spiridon Paraskewopoulos @ Universität Leipzig, Köln

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Spiridon Paraskewopoulos @ Köln
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8 Informationen zu Spiridon Paraskewopoulos

Die dauerhaften Fehlentscheidungen hinsichtlich der Entwicklungen in Griechenland

Prof. Dr. Spiridon Paraskewopoulos (Emeritus) Bis 2007 Lehrstuhlinhaber (Professur) für Makroökonomik und Direktor des Instituts für Theoretische Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig Februar 2013 „SOS-Signal“ eines griechischen Don Quijote Die dauerhaften Fehlentscheidungen des Europäischen Rats und der Troika hinsichtlich der Entwicklungen in Griechenland - Prolog - Einige Beispiele der „griechischen politischen Kultur“ - Hypothetischer Bericht der „Task- Force- Griechenland“ - Bericht über Griechenland vor 65 Jahren des Amerikaners Paul A. Porter - Was die Troika bzw. der Europäische Rat seit 2010 ignoriert haben - Die gegenwärtige griechische Führungstroika, Samaras, Venizelos und Kouvelis - Antonis Samaras, Ministerpräsident, kein unbeschriebenes Blatt - Der verlorene und gefundene Sohn Samaras, als das Lieblingskind der Europäer, brachte die Wende. - Evangelos Venizelos, die typische PASOK Kariere eines Senkrechtstarters - Evangelos Venizelos und die „Liste Lagarde“ - Fotis Kouvelis, der sanfte Kommunist und naive Utopist/Kommunist? Prolog Es gibt keinen zeitlichen und sachlichen Spielraum mehr, um die Bedeutung der Dimension und der Folgen des griechischen Verschuldungsproblems weiter zu unterschätzen und vor sich her zu schieben, welches zu einem europäischen Problem zu werden droht. Die Skandale, die Korruption, die Unzulänglichkeiten und die Unzuverlässigkeit der grie-chischen Politiker sind nicht bloße Fußnoten der griechischen Tragödie und möglicherweise auch des Euro. Sie waren und sind Teil einer seit Jahrzenten gefestigten „griechischen politischen Kultur“ der Gesetzlosigkeit, des Betrugs und des korrupten Verhaltens der griechischen Politiker und ihres Klientel. Diese „griechische politische Kultur“ führte dazu, dass die Vorteile Griechenlands aus seinem EU-Beitritt weitgehend vergeudet wurden und ermöglichte unverdient einer kleinen Minderheit nicht nur die Plünderung des Reichtums einer Nation , sondern gefährdete und gefährdet zugleich die gemeinsame Europäische Währung. Die griechischen Politiker waren allerdings nicht allein schuld an der Entstehung der kurz beschriebenen korrupten „griechischen politischen Kultur“. Mitverantwortlich dafür waren und sind auch Tausende andere Personen aus allen gesellschaftlichen Schichten Griechenlands. Zu nennen sind vor allem sowohl die griechische Oberschicht, die permanent ihre Einkommen - durch die teilweise erkaufte Duldung der Politiker - verschwiegen hat und noch verschweigt, als auch die vielen Tausende aus der Mittel- und Unterschicht, die dem Klientel System der Politiker angehören. Dieses System von Klientel und Vetternwirtschaft brachte und bringt ihnen zwar bescheidene Entlohnungen, dafür aber dauerhafte bequeme und unproduktive Beschäftigungen im öffentlichen Dienst sowie großzügige Renten. Es gab und es gibt also eine Art stillschweigende Verschwörung zwischen allen diesen Schichten, die sich staatliche Privilegien untereinander teilen. Insofern ist Griechenland eine Volkswirtschaft mit relativ hohem BIP (208,5 Mrd. € 2011), aber mit niedrigen Steuern und niedriger Qualität der öffentlichen Dienstleistungen, die sich negativ auf die Produktivität der gesamten Volkswirtschaft auswirkten. Die daraus erwachsenen Probleme wurden durch die reichen Subventionen aus den EU- Struktur-fonds und durch die relativ billigen ausländischen Kredite abgedeckt. Zugleich wurde die Fortführung dieser Politik zusätzlich erleichtert durch die erzwungene Flucht des intelligenten, aber frustrierten griechischen Humankapitals ins Ausland, welches nicht nur die Leistungsfähigkeit der griechischen Volkswirtschaft hätte erhöhen, sondern auch Widerstand gegen diese Politik hätte leisten können . - Einige Beispiele der „griechischen politischen Kultur“ Griechenlands Die moderne Lernea Hydra Griechenlands enthält nach Manolopoulos 7 unsterbliche Köpfe. Diese sind: (1) die Bestechungen, insbesondere im öffentlichen Dienst, „Rousfeti“ oder „Fakelaki“ auf Griechisch genannt, (2) die Vetternwirtschaft (Nepotismus), (3) der übertriebene staatliche Dirigismus (Κρατισμός), (4) das Klientel System der Politiker, (5) die Korruption auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens, (6) die geschlossenen Berufe und (7) die Verschwendung von öffentlichen Geldern. Diese sieben Eigenschaften stellen in all ihren Facetten die systemische und politisch-kulturelle Dimension des neugriechischen Dramas dar. Im Folgenden sollen einige kon-krete Beispiele diese Eigenschaften der neugriechischen politischen Kultur illustrieren. - Man las am 27. August 2010 in der griechischen Presse, dass 321 100jährige Personen, die längst verstorben waren, immer noch ihre Rente bezogen haben. - Die Kosten für die Olympischen Spiele im Jahre 2004 in Athen waren zunächst von der damaligen Regierung Simitis auf ca. 5,5 Mrd. USA $ berechnet. Die tatsächlichen Kosten betrugen schließlich 11 Mrd. USA $. - Die Steuerfahndung hat bei einer Routineuntersuchung festgestellt, dass ein Arzt eines öffentlichen Krankenhauses, dessen jährlichen Bruttoeinkommen ca. 36.000 € betrugen, unversteuerte Bankeinlagen in Höhe von 30 Mio. € hatte. - Luxus Wohnungen gelten in Griechenland als besonderes Einkommenskriterium, anhand dessen die Einkommenssteuer berechnet wird. In nördlichen vornehmen Vororten von Athen, in welchen die griechische Wirtschaftselite ihre Luxus-Villen hat, werden zusätzlich die Swimmingpools als Einkommenskriterium angesehen, welche dem Finanzamt gemeldet werden müssen. Im Jahre 2010 wurden in den nördlichen Vororten Athens nur 324 Swimmingpools gemeldet. Satellitenbilder haben aber gezeigt, dass 16.974 Swimmingpools dort existierten. - Im Jahre 1952 begann man einen Süßwassersee, namens Kopaida, zu entwässern, um landwirtschaftliche Fläche zu gewinnen. Dafür wurde damals eine Behörde gegründet mit 30 öffentlichen Bediensteten, die diese Arbeit in ca. 3 Jahren erledigt hatten. Im Jahre 2010, 55 Jahre danach, existierte immer noch diese Behörde mit den 30 Bediensteten, die angeblich immer noch mit der Entwässerung des nicht mehr existierenden Sees zu tun hatten. - Im Juli 2010 wurde von der griechischen Regierung zum ersten Mal der ernsthafte Ver-such unternommen, die Anzahl der Bediensteten im öffentlichen Dienst festzustellen. Man hat zunächst 768.009 Personen ermittelt. Diese machten ca. 19,2% der gesamten griechischen Beschäftigung im Jahre 2010 aus. Der Anteil der öffentlichen Beschäftigten in Deutschland betrug im selben Jahr ca. 11%. Würde man in Griechenland prozentual genau so viele öffentlichen Bediensteten wie in Deutschland beschäftigen, dann hätte man in Griechenland sofort ca. 328.000 Personen aus dem öffentlichen Dienst entlassen müssen . Hier möchte ich mit der Aufzählung dieser kaum vorstellbaren Praktiken der griechischen Regierungen aufhören, die endlos sind. Die Krönung des Ganzen ist, dass die Politiker für alles, was sie tun, nicht bestraft werden dürfen. Die Artikel 62 und 86 der griechischen Verfassung gewähren den Abgeordneten (Art. 62) und den Mitgliedern der Regierungen (Art. 86) vollständige Immunität. Kein Abgeordneter und kein Regierungsmitglied dürfen ohne die Genehmigung des Parlaments für Straftaten verfolgt, verhaftet oder mit Gefängnis bestraft werden. Diese de facto Aufhebung der Gewaltenteilung in Griechenland erlaubt die berechtigte Frage: Gibt es in Griechenland noch eine rechtsstaatliche Demokratie? Nach dieser kurzen und bei weitem nicht vollständigen Darstellung der „griechischen politischen Kultur“ stellen sich folgende Fragen: • Warum hat es so lange gedauert bis dieses System zusammenbrach? • Tragen die Institutionen der EU nicht einen Teil der Verantwortung/Schuld für diese fatale Entwicklung in Griechenland mit, da sie von Anfang an Toleranz und Vertrauen diesen korrupten Politikern entgegen brachten und - nach allem, was man heute weiß - unverständlicherweise immer noch bringen, indem man ihr politisches Überleben immer noch mit Mrd. € Subventionen und mit Mrd. € billigen Krediten aufrechterhält? • Wann werden endlich die EU und die politisch Verantwortlichen in der Europäischen Kommission, im Europäischen Rat und im IWF wach? • Wann werden sie ihre Politik gegenüber Griechenland so ändern, dass nicht mehr die alten und korrupten Politiker allein die Nutznießer der Vorteile der Mitgliedschaft in der EU und in der Eurozone sind? • Wann wird letztendlich auch die breite Masse des griechischen Volkes die Chance bekommen, aus der Europäischen Gemeinschaft Nutzen zu ziehen, aber auch zur Weiterentwicklung der Gemeinschaft etwas beizusteuern? Die folgenden Ausführungen mögen etwas zu dieser von der Mehrheit der Griechen er-sehnten Wende der Europäischen Politik zugunsten der Mehrheit der griechischen Bür-gern beitragen. Hypothetischer Bericht der „Task- Force- Griechenland“ Seit September 2011 gibt es in Griechenland ein 30-köpfiges Technokraten-Gremium der Europäischen Kommission, die sogenannte „Task Force Griechenland“, die die Aufgabe hat, der griechischen Regierung bei der Umsetzung von fiskalpolitischen und insbesondere von Strukturreformen , die die Troika für die Gewährung der notwendigen und billigen Milliardenkredite als Bedingung verlangt, beratend mitzuhelfen. Leiter der „Task Force Griechenland“ ist der deutsche hohe Beamte der Europäischen Kommission, Herr Dr. Horst Reichenbach. Man kann davon ausgehen, dass sich inzwischen Herr Dr. Reichenbach und seine Gruppe nach mehr als einem Jahr Aufenthalt in Griechenland sehr gut über die griechischen Verhältnisse informiert haben. Nehmen wir nun an, dass Herr Steinbrück, der Kandidat der SPD für das Kanzleramt in den nächsten Bundestagswahlen (September 2013), Herrn Reichenbach bittet, ihn über Griechenland und die Entwicklungen dort in Kenntnis zu setzen. Als eventueller Bundeskanzler müsste er schließlich hinsichtlich der Krise Griechenlands gut informiert sein. Im folgendem wird der Versuch unternommen zu erraten (zu spekulieren), was Herr Dr. Reichenbach und seine Gruppe über Griechenland berichten würden. "Wir haben relativ schnell festgestellt, dass es hier keinen Staat gibt, der nach westlichen Standards mit den entsprechenden Funktionen aufgebaut ist. Stattdessen existieren hie-rarchisch aufgebaute und gefestigte Familienherrschafften, die in verschiedenen Parteien und in korporatistischen Vereinigungen organisiert sind und auf allen Ebenen des gesell-schaftlichen Lebens das Sagen in Griechenland haben. Diesen Parteien und Vereinigungen stehen selbstsüchtige und egoistische Personen vor, die ständig und intensiv mit dem persönlichen Machterhaltungskampf beschäftigt sind. Insofern interessieren sie sich sehr wenig, wenn überhaupt, vorausgesetzt sie wären dazu fähig, für die Art der Ordnungs-, Struktur-, Wachstums- oder Fiskalpolitik, die in Griechen-land dringend notwendig sind. Dabei ist zu beobachten, dass diese politische Führungsschicht familiär und geschäftlich sehr eng mit einer anderen, auch relativ kleinen privilegierten Schicht verbunden ist. Diese ist die Schicht der Familien, die in der Wirtschaft und in den Medien in Griechenland herrschen und sich in einer Art Wechselbeziehung mit der ersten Gruppe der Politiker be-finden. Sie gehören zur High Society Griechenlands. Sie sind in der Regel gut ausgebilde-te und gebildete, elegante, höfliche und charmante Kosmopoliten, die sehr gut englisch und andere Sprachen sprechen und sich überall in der Welt zuhause fühlen. Es ist eine hauptsächlich von reichlichen legalen oder illegalen staatlichen Zuwendungen ernährte Gruppe, da sie ihre finanziellen Vorteile nicht nur aus lukrativen öffentlichen Stellen, Steu-erbefreiungen, Steuerentlastungen, Steuerhinterziehungen und aus gut honorierten staat-lichen Beratungsverträgen bezieht, sondern auch und vor allem, weil sie aus öffentlichen Aufträgen, dies betrifft u. A. die Medien, sowie aus extra für sie geschaffenen günstigen Bestimmungen des Staatsapparats profitiert. Als Beispiel kann man die Gruppe der Reeder nennen, die skandalöse Steuervorteile ha-ben. Obwohl die griechische Handelsmarine sehr gut floriert, ernten die Schiffseigner allein die erzielten Millionen € Profite, die meist im Ausland unversteuert bleiben. Der grie-chische Staat hat keinen Nutzen aus diesem Reichtum, da er dieser Gruppe fast absolute Steuerfreiheit gewährt. Viele von diesen Reedern leben in Griechenland und genießen in ihren Villen und auf ihren Jachten ein luxuriöses und steuerfreies Leben. Ferner ist deutlich sichtbar, dass es aufgrund der extrem ungleichen Einkommens- und Vermögensverteilung generell große Unterschiede hinsichtlich des Lebensstandards in Griechenland gibt. Während die Industriellen, die Kaufleute, die Spekulanten, manche hohen Beamten und Politiker sowie die im Schattensektor Tätigen ein provokantes Leben in Reichtum und Überfluss führen, führt eine breite Bevölkerungsschicht ein armseliges und elendes Leben. Damit hebt der luxuriöse Lebensstil der Reichen inmitten der Armut das Elend der Armen besonders hervor und potenziert den Zorn der Menschen. Hinzu kommt, dass es einen erheblichen Prozentsatz von offener und versteckter Arbeitslosigkeit (ca. 30%), bei den Jugendlichen sogar über 50%, gibt, die zu sozialen und politischen Spannungen führt. Weiter stellten wir fest, dass zurzeit in ganz Griechenland ein breiter und tiefgreifender Mangel an Vertrauen in die Zukunft herrscht, der zur totalen Untätigkeit führt. Die Men-schen sind von der Angst und der Unsicherheit gelähmt. Die Unternehmer investieren nicht, die Arbeitnehmer bangen um ihren Arbeitsplatz und die Händler kaufen und verkau-fen nichts. Es herrscht generell auf allen gesellschaftlichen Ebenen eine Furcht erregende Lähmung. Die öffentliche Verwaltung ist extrem überbesetzt. Die relativ niedrigen Grundlöhne im staatlichen Sektor werden dank eines völlig unübersichtlichen zusätzlichen Belohnungs-systems für manche privilegierten öffentlichen Bediensteten dennoch lukrativ erhöht. Eini-ge Beamte verdienen mit diversen Zulagen bis zum Vierfachen ihres monatlichen Grund-gehalts. Nie zuvor haben wir solche ineffektiven administrativen Strukturen gesehen, wie sie zurzeit in Griechenland zu beobachten sind. Es ist einfach nicht möglich darauf zu ver-trauen, dass die öffentliche Verwaltung in der Lage ist, auch die einfachsten staatlichen Funktionen durchzuführen, wie die der Erhebung von Steuern bei allen Steuerpflichtigen, die Zahlung von Renten an tatsächlich Berechtigte, des Baus und der Reparatur von Stra-ßen oder überhaupt der Anwendung von Regeln, die das alltägliche Leben der Menschen gerecht gestalten helfen. Seit langem herrscht eine intensive Zersetzung aller staatlichen Institutionen und der wich-tigsten privaten Sektoren der Volkswirtschaft. Die verantwortlichen Politiker sind nicht wil-lens, wie ihre zaghaften Versuche beweisen, und teilweise nicht fähig, wie ihre leere Pro-klamationen zeigen, die von ihnen im Parlament verabschiedeten und tatsächlich dringend notwendigen Reformgesetze umzusetzen. Mit anderen Worten: die Exekutive Gewalt folgt der ungeschriebenen Regel der zaghaften Schritte, der leeren Worte und des permanenten Verschiebens von Entscheidungen. Letztlich herrscht eine Mentalität, die darauf zielt, die durch Seilschaften organisierten par-teilichen, familiären und korporatistischen (gewerkschaftlichen) Interessen nicht nur auf-rechtzuerhalten, sondern auch zu vertiefen und zu erweitern. Die bisherigen griechischen Regierungen kennen keine andere Argumentation in den Be-ziehungen zu Partnerländern außer ständig die in der Vergangenheit erbrachten Opfer Griechenlands, insbesondere im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg, wiederholt und übermütig aufzuzählen, um damit möglichst hohe ausländische finanziellen Solidaritätshil-fen zu erbetteln. Mit diesen erbettelten ausländischen Finanzhilfen verfolgt man allerdings nichts anderes als die Verewigung von Privilegien zugunsten der relativ kleinen, aber ein-flussreichen politischen Führungsclique und ihrer Angehörigen, die die sichtbare und un-sichtbare Macht auf allen gesellschaftlichen Ebenen in Griechenland ausüben. Wir als Task-Force Griechenland merken bereits, dass diese diversen Gruppierungen sehr geschickt bemüht sind, uns für sich zu gewinnen und uns zu einem nützlichen Werkzeug für die Erhaltung ihrer bisherigen Privilegien zu verwandeln. All dies geschieht, obwohl es in Griechenland die erforderlichen Kenntnisse und die geeigneten Technokraten gibt, um die dringend erforderliche Reorganisation der Strukturen der Politik und der öffentlichen Verwaltung vorzunehmen. Die vetternwirtschaftlichen Systeme der Politiker lassen aller-dings die Umsetzung dieser Kenntnisse und den gewinnbringenden Einsatz des reichlich vorhandenen Humankapitals nicht zu, welches frustriert massenhaft auswandert. Insofern halten wir als Task-Force-Griechenland eine gründliche ordnungspolitische Re-form des politischen Systems und demzufolge der öffentlichen Verwaltungsstrukturen als eine notwendige Bedingung (conditio sine qua non), um die Funktionsfähigkeit des Staa-tes herzustellen und damit die Realisierung der angestrebten politischen, ökonomischen und sozialen Ziele in Griechenland zu erreichen. Dies ist unseres Erachtens mit dem herr-schenden politischen System und mit den heutigen Politikern im Parlament und in der Re-gierung, die nach wie vor die Alten sind, nicht möglich“. So oder ähnlich könnte vermutlich der Bericht von Herrn Dr. Reichenbach und seiner Gruppe an Herrn Steinbrück über Griechenland lauten. Beide Herren, Reichenbach und Steinbrück, hätten allerdings all dies über den Aufbau, die Verhaltensweise, die Korrupt-heit und die Ergebnisse der griechischen politischen und sonstigen Nomenklatura wissen müssen, da alles bereits 1947 fast wörtlich in einem analogen Bericht des Leiters einer amerikanischen Mission in Griechenland steht. Paul A. Porter Bericht über Griechenland vor 65 Jahren, immer noch aktuell Damals, Anfang 1947, teilte die Regierung Großbritanniens der Regierung der USA mit, dass sie nicht mehr in der Lage ist, ihre Hilfe bei dem Kampf der griechischen Regierung gegen die kommunistischen Machtergreifungsversuche aufrechtzuerhalten. Daraufhin sandte Truman, der Präsident der USA, um eine eigene Meinung über die politischen, ökonomischen und sozialen Verhältnisse Griechenlands zu bilden, Paul A. Porter als Chef einer US-Mission nach Griechenland. Porter wurde, nach eigener Aussage , mit einer für ihn beispiellosen Situation konfrontiert. Nach ca. einem Monat Aufenthalt in Griechenland schrieb er Anfang 1947 an den stellvertretenden Außenminister der USA, W.L. Clayton, seinen Bericht, der sehr ähnlich und teilweise identisch ist mit dem oben angeführten und von mir formulierten hypothetischen Bericht Reichenbachs. Mit anderen Worten, 65 Jahre später, also heute, hat sich, was die Mentalität, die Verhal-tensweise und den Korruptionsgrad der griechischen Politiker anbetrifft, nichts verändert. Genau hier beginnt auch das Unverständnis vieler Griechen über das gebrachte Vertrauen gegenüber den griechischen Politikern und über das bisherige Vorgehen der Troika bzw. des Europäischen Rats im Zusammenhang mit den Memoranden, und damit über die vielen Fehlentscheidungen, die angeblich den Griechen helfen sollten. Was die Troika bzw. der Europäische Rat seit 2010 ignoriert haben Obwohl sie, d.h. die Troika und der Europäischen Rat, nach dem oben Beschriebenen, wissen oder hätten wissen müssen, dass sie mit Kollegen Politikern in Griechenland zu tun haben, die unzuverlässig, der Wahrheit fern, übertrieben eigennützig und eigensinnig, teilweise unfähig sowie durch und durch korrupt sind, haben sie trotzdem mit ihnen seit April 2010 mehrere Verträge (Memoranden) geschlossen, die den griechischen Regierungen bzw. den griechischen Politikern Mrd. € zur Verfügung stellten, ohne für die griechische Bevölkerung, auf jeden Fall weder kurzfristig noch mittelfristig, etwas Positives zu bewirken. Im Gegenteil, sogar diese zusätzlichen Mrd. € Kredite waren für die ökonomische Entwicklung Griechenlands nicht nur nutzlos, sondern sie haben, aufgrund der für die Mehrheit der Griechen untragbaren Kreditbedingungen, die griechische Volkswirtschaft in eine sehr tiefe Depression gestürzt und sehr schmerzhafte und für Millionen Griechen existenzbedrohende Entbehrungen mit sich gebracht. Offensichtlich haben Troika und Europäischer Rat die Lehren aus dem ersten und zweiten Weltkrieg vergessen, die zugleich Sieger und Verlierer der Kriege gemacht haben, dass nämlich Kollektivstrafen nicht nur erfolglos, sondern auch und vor allem für die angestrebten Ziele kontraproduktiv sind. Man kann schließlich die Mehrheit des griechischen Volkes nicht allein für die Unterlassungen, Fehlentscheidungen und für das korrupte Handeln seiner politischen und sonstigen Führer verantwortlich machen. Zugleich hat dieses Vorgehen – und dies ist das Unbegreifliche - zur Verfestigung der Führungsposition der bisherigen Politiker und zur Aufrechterhaltung ihres eigensinnigen, korrupten, selbstsüchtigen und machterhaltenden Verhaltens erheblich beigetragen. Es folgt eine kurze analytische Begründung dieser harten, aber meines Erachtens leider wahrhaftigen Behauptungen. Die gegenwärtige griechische Führungstroika, Samaras, Venizelos und Kouvelis Heute regieren in Griechenland drei Parteien mit Führungspersonen, die in den letzten 22 Jahren öfter in der Regierungsverantwortung waren und insofern, wenn nicht alle gleichermaßen, verantwortlich für die heutige Krise Griechenlands, mindestens aber mehr oder weniger mitschuldig an dieser sind. Die gegenwärtig regierenden Politiker passen meines Erachtens sehr gut zu dem oben beschriebenen Profil des griechischen Politikers in der „griechischen politischen Kultur“. Als exemplarisches Beispiel werden das bisherige politische Leben und vor allem das politische Verhalten und Handeln dreier führenden Politiker kurz präsentiert, die gegenwärtig das politische Schicksal Griechenlands direkt oder indirekt und erstaunlicherweise mit der vollen Unterstützung der nordeuropäischen Politiker nach wie vor weiter bestimmen. Diese sind: (1) Der Vorsitzende der konservativen Partei „Neue Demokratie (ND)“ und heute Ministerpräsident Antonis Samaras, (2) der Vorsitzende der sozialistischen Partei „PASOK“ Evangelos Venizelos und (3) der Vorsitzende der linken Partei „Demokratische Linke" Fotis Kouvelis . Alle drei Parteivorsitzenden und ihre Parteien haben nach den Wahlen vom Juni 2012 eine Koalitionsregierung unter Samaras gebildet. Venizelos und Kouvelis sind zwar keine Mitglieder der Regierung Samaras, sie bilden aber zusammen mit ihm ein informelles Führungsgremium, in welchem die wichtigsten politischen Vorentscheidungen getroffen werden, die dann vom Parlament abgesegnet werden müssen und anschließend von der Regierung umgesetzt werden. Alle diese drei Politiker sind keine unbeschriebenen Blätter, sowohl in der griechischen High Society als auch in der griechischen Politik und Nomenklatura. Antonis Samaras, Ministerpräsident, kein unbeschriebenes Blatt Samaras wurde 1951 in Athen geboren, ist Spross einer sehr wohlhabenden Familie, die sowohl mütterlicher- als auch väterlicherseits in der griechischen Nomenklatura fest ver-ankert ist. Sein Vater war Mediziner (Herzchirurg), Professor und Direktor eines großen staatlichen und Universitätskrankenhauses „Evagelismos“ in Athen. Antonis Samaras gehört zu den ca. 30% griechischen Politikern, deren Väter oder enge Verwandten Minister oder Politiker waren. Sein Großvater mütterlicherseits, Alexander Zannas, war in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Parlamentsabgeordneter und Minister der Luftwaffe . Auch sein Onkel, Bruder des Vaters, Georg Samaras, war Parlamentsabgeordneter. Antonis Samaras hat eine sehr gute Ausbildung genossen. Er studierte ökonomische Wissenschaften am Amherst College und in Harvard (MBA) in USA. Er spricht englisch, französisch und italienisch. Mit 26 Jahren(1977) wurde er mit der ND Parlamentsabgeordneter und ist bis 1997 immer wiedergewählt worden. In den Jahren von 1989 bis 1992 war er zunächst Finanzminister und dann Außenminister. Aufgrund seiner extrem nationalistischen Position hinsichtlich der makedonischen Frage ist er 1992 von dem damaligen Ministerpräsidenten Mitsotakis vom Amt des Außenministers abgesetzt worden. Daraufhin ist er aus der ND ausgetreten und hat eine eigene - auf seine Person bezogene - Partei gegründet mit dem Name „Politischer Frühling“. Er wurde mit der neuen Partei von 1993 bis 1996 wieder Parlamentsabgeordneter. Bei den Wahlen von 1996 und 2000 hat seine Partei den Eintritt ins Parlament nicht erreicht (3% Klausel) und so blieb er bis 2004 ohne Parlamentsmandat (also arbeitslos). 2004 hat er seine Partei aufgelöst und ist reumütig wieder in die ND eingetreten. Sofort durfte er mit der ND bei den Europawahlen von 2004 auf einem sicheren Listenplatz kandidieren und wurde somit Mitglied des Europäischen Parlaments. Drei Jahre später (2007) kandidierte er erfolgreich mit der ND bei den Nationalwahlen in Griechenland und wechselte vom Europäischen zum Griechischen Parlament. Nach zwei Jahren (Januar 2009) wurde er Kultusminister in der konservativen Regierung von Kostas Karamanlis. In den vorgezogenen Nationalwahlen (Oktober 2009) ist er wie-dergewählt worden, aber seine Partei, die ND, verlor die Wahlen und damit die Regie-rungsmacht. Nach dem Rücktritt von Kostas Karamanlis als Parteivorsitzender der ND kandidierte Samaras im November 2009 erfolgreich für den Posten des Parteivorsitzenden der ND. Aus dem skizzierten Lebenslauf von Herrn Samaras lässt sich zusammengefasst folgen-des sagen: Es handelt sich durchaus um eine dynamische, aber sehr eigeninnige, extrem egoistische und selbstsüchtige Persönlichkeit. Er hat sehr geschickt alle Möglichkeiten, die ihm seine familiäre Herkunft in den Kreisen der Politik und der High Society Griechenlands angeboten haben, wie Seilschaften, Netzwerke, Klientel- und sonstigen vetternwirtschaftlichen Beziehungen genutzt, um die zielstrebig von ihm angestrebte politische Kariere zu erreichen. Er hat bisher in seinem Leben, mit Ausnahme - nach eigenen Angaben - einer kurzen Zeit als Kellner in einem griechischen Restaurant während seiner Studentenzeit in der Harvard Universität, ausschließlich als Politiker gearbeitet. Als Oppositionsführer (2009-2012), in der schlimmsten Krise Griechenlands in den letzten 40 Jahren, hat er unmissverständlich und sehr zynisch gezeigt, dass sein persönliches extrem egoistisches Ziel, Ministerpräsident von Griechenland zu werden, „koste es, was es wolle“, die absolute Priorität besaß. Seine kompromisslose Haltung gegen die Memorandum Vereinbarungen zwischen Troika und den griechischen Regierungen in den Jahren 2010 und 2011 hat nicht nur die Mehrheit der Griechen, sondern alle seinen europäischen Freunde von den europäischen Schwesternparteien, wie Merkel, Sarkozy, Junker und andere zur Verzweiflung gebracht. Der ehemalige Finanzminister Theo Weigel von der CSU und die CSU allgemein haben sogar den Ausschluss Samaras und seiner Partei ND von der Europäischen Volkspartei (EVP) verlangt. Samaras hat all dies ignoriert und, wie seine heutige für ihn erfolgreiche politische Ent-wicklung zeigt, sehr gut überstanden. Er hat mit seinen Verzögerungstaktiken in Kauf genommen, dass der griechischen Bevölkerung zusätzliche Mrd. € Kredite, sprich mehr öffentliche Schulden, Steuererhöhungen, Lohnkürzungen, hohe Arbeitslosigkeit und letztlich noch mehr Entbehrungen auferlegt wurden, bis Samaras endlich im Juni 2012, nach zwei an Zeit und Geld kostspieligen in ca. 60 Tagen aufeinander folgenden Nationalwahlen, das sehnsüchtig verfolgte Ziel, Ministerpräsident von Griechenland zu werden, erreichte. Dass die griechische Wirtschaft - auch durch die wiederholten Wahlen - in der Rezession mit 6% negativen Wachstumsraten blieb, interessierte ihn weniger. Dies wird auch bestä-tigt von seinen ersten „politischen“ Entscheidungen. Seine ersten Handlungen als Ministerpräsident waren unter anderen, nach einem Bericht der Zeitschrift „der Spiegel“, seine Klientel zu belohnen, indem er einige Parteifreunde, unabhängig von ihrer Eignung, auf sehr lukrative Posten gebracht hat. Der Spiegel schrieb hierzu: „Auffallend viele Freunde und Bekannte von Premierminister Antonis Samaras ergattern derzeit lukrative Posten - auch wenn sie dafür nicht sehr geeignet scheinen. So hat Samaras vor kurzem den Spitzenjob in der nationalen Gesundheitsbehörde neu besetzt, die über eine Milliarde Euro Schulden hat und reformiert werden muss. Neuer Chef wurde allerdings nicht jemand mit Erfahrung im Gesundheitssektor. Stattdessen vergab Samaras den Job an einen Anwalt und Freund aus seiner Partei Nea Dimokratia (ND). An die Spitze des Dezernats für Wirtschaftskriminalität berief er einen Fi-nanzpolizisten aus Messenien, seiner Heimatregion. Der Mann hat keine Erfahrung mit einer überregionalen Behörde, er war Lokalbeamter. Aus Samaras' Umkreis kommt auch der neue Direktor der Staatslotterie. Ungewöhnlich sind zudem Umbesetzungen beim Staatssender ERT. Hier werden seit dem Amtsantritt von Samaras bislang erfolgreiche Sendungen gekürzt oder verlegt. Neuerdings darf zudem die Tochter eines ehemaligen ND-Ministerfreundes von Samaras ein Informationsprogramm moderieren. Sie fiel zwar bisher nicht als Fernsehmoderatorin auf, besitzt aber ein Parteibuch der Nea Dimokratia“ . Man stellt also fest, dass es, trotz Krise und großen verbal pathetischen Ankündigungen von Samaras gegen die Vetternwirtschaft, nichts Neues unter der Sonne Griechenlands gibt. Dies überrascht allerdings nicht, weil er seiner Tradition treu bleibt. Im Jahre 2009 stellte Samaras als Kultusminister im neuen Athener Museum unterhalb von Akropolis die meisten Angestellten aus seinem Wahlkreis (Kalamata) ein . Als Ministerpräsident änderte er allerdings seine Strategie gegenüber der Troika um 180 Grad. Vor den Wahlen (2012) hat er den Griechen versprochen, sie vom angeblichen Diktat der Troika und des Europäischen Rats zu befreien, Korruption und Steuerhinterziehungen radikal zu bekämpfen, inländische und ausländische Investitionen ins Land zu holen, wirtschaftliche Prosperität einzuleiten und letztlich Arbeitsplätze zu schaffen. Nichts von alledem ist bisher geschehen. Anstatt die dringend notwendigen und von ihm versprochenen strukturellen Veränderungen voranzutreiben, um die Funktionsfähigkeit der bisherigen maroden staatlichen Institutionen zu sichern, führt er, um die zusätzlich erforderlichen öffentlichen Kredite zu erhalten, noch rigoroser die vorher von ihm sehr radikal und hart bekämpfte, aber jetzt für ihn bequeme Fiskalpolitik der Vorgänger-Regierungen weiter. Jetzt aber mit einer Fiskalpolitik, die den Bürgern noch höhere Steuern, noch geringere Entlohnungen, noch niedrigere Renten und noch höhere Arbeitslosigkeit abverlangt. Der verlorene und gefundene Sohn Samaras, als das Lieblingskind der Europäer, brachte die Wende. Der unverständliche Gipfel dieser Entwicklung ist aber, dass sich plötzlich mit Samaras auch die Nordeuropäer, und vor allem Bundeskanzlerin Merkel, um 180 Grad gedreht haben. Die bis vor kurzem faulen, korrupten und unzuverlässigen Griechen, die nichts in der Eurozone zu suchen hatten, sind nun das arme, aber tapfere griechische Volk, das so viele Opfer in so kurzer Zeit erbracht hat und dem deshalb unbedingt geholfen werden müsse. Der neue Slogan ist jetzt „Griechenland gehört und bleibt in der Eurozone“. Das bis vor kurzem unliebsame Kind Samaras ist nun der verlorene und wiedergefundene Sohn. Er ist nicht nur bei den aktiven Politikern der Eurostaaten salonfähig geworden, sondern auch bei den Medien in Deutschland. Das Handelsblatt Deutschlands hat ihn sogar zum europäischen Politiker des Jahres 2012 erkoren. Der ehemalige Außenminister Deutschlands Hans-Dietrich Genscher lobt Samaras in einem Artikel im Handelsblatt als einen der besten Politiker Europas. Offensichtlich wird diesbezüglich die enge „geistige Verwandtschaft“ von Herrn Samaras zu den Bundesministern der FDP Herrn Dirk Niebel und Herrn Philipp Rösler , die eifrig viele Parteigenossen in ihren Ministerien mit lukrativen Posten versorgen, von Herrn Genscher besonderes geschätzt! Die Zeitung die „Welt“ lädt Samaras zu einem Forum nach Deutschland als Hauptredner ein, damit viele deutsche Prominente die Weisheiten des neuen europäischen Gurus zu hören bekommen. Die Die Zeitung die „Welt“ spricht jetzt erstaunlicherweise vom Leid der Griechen und sogar von der Schuld Deutschlands. „Die Rettung der Griechen ist nur eine Inszenierung. Deutschland trägt an dem Leid der Griechen eine Mitschuld. Statt zu helfen, denken wir an unseren eigenen Vorteil. Dabei ist es höchste Zeit, endlich Erbarmen mit Griechenland zu zeigen“ . Auch die renommierte Frankfurter Allgemeine Zeitung hat die Griechen wieder entdeckt. Sie gewährt sogar dem ehemaligen Ministerpräsident von Griechenland Kostas Simitis, einer von den Hauptverantwortlichen für die Perpetuierung der „griechischen politischen Kultur“, eine ganze Seite, damit er in einem Artikel die Deutschen informiert und aufklärt, dass für die gegenwärtige Krise Griechenlands nicht etwa die griechischen Politiker, son-dern primär „die Diskrepanz des Wachstumsniveaus zwischen Nord und Süd, die geringe-re Wettbewerbsfähigkeit der Staaten der Peripherie der Union sowie die großen Defizite ihrer Außenhandelsbilanzen sind …“. Und Simitis resümiert, diese Tatbestände „…sind weitaus ernstere Gründe für die wachsenden Schulden der Staaten des Südens als die Unfähigkeit der Politiker“ . Mit anderen Worten die Deutschen haben von Herrn Simitis gelernt, dass Wirtschafts-wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Leistungsbilanzdefizite und Staatsschulden vom Him-mel fallen und nicht Folgen der betriebenen Ordnungs- und Prozesspolitik der (un) ver-antwortlichen Politiker sind. Man fragt sich, warum eigentlich diese radikale Wende der Medien und der Politiker in Deutschland? Kanzlerin Merkel, obwohl sie in Griechenland mit Naziuniform in vielen Medien präsentiert wird, hat Samaras in den letzten 6 Monaten zweimal in Berlin empfangen und einmal in Athen besucht. Auch die Politiker aus Bayern, die fast täglich seit 2010 den Rausschmiss Griechenlands aus der Eurozone forderten, sind still geworden. Als Begründung liest man Einiges. Man liest hier und dort, dass angeblich die Chinesen Frau Merkel unter Druck gesetzt hätten. Nicht weil die Chinesen die Griechen so lieben, sondern weil sie Angst von dem Zerfall des Euro haben. Sie brauchen einen starken Euro nicht nur so sehr als Reservewährung, sondern vielmehr als ein Gegengewicht zum US $. Und da die Chinesen Deutschlands starke Außenhandelspartner sind, müsste Merkel nachgeben . Andere behaupten wiederum, dass das Risiko des Dominoeffektes, welches zum Zerfall der Eurozone und sogar der EU überhaupt führen könnte, der Hauptgrund war, der zur plötzlichen Wende führte . Andere vermuten, dass sich die nordeuropäischen Politiker plötzlich an die Europäischen Werte erinnert haben, die besagen, dass die EU nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine Werte- und eine solidarische Gemeinschaft ist, die Prinzipien wie Subsidiarität und Solidarität zu realisieren versucht. Und Griechenland bräuchte zurzeit die Solidarität aller Europäer. Es mag sein, dass all diese Argumente irgendwie eine Rolle in der EU spielen. Sie waren aber auch vor dieser plötzlich vollzogenen Wende bekannt, sie wurden aber aus welchen rätselhaften Gründen auch immer nicht berücksichtigt. Deshalb müsste man sich fragen, ob andere neuere Ereignisse, eventuell mit höherem ökonomischem und sonstigen Gewicht, diese verspätete Liebe für Griechenland initiiert haben. Ist es wirklich Zufall, dass kurz vor der Zuneigungswende für Griechenland ein Bericht der Deutschen Bank erschien mit der Information, dass südlich von Kreta und im Ionischen und Ägäischen Meer Öl- und Gasvorkommen entdeckt wurden, die eventuell Hunderte von Mrd. € Wert haben? Würde sich dies als wahr erweisen, dann wären die Gläubiger Griechenlands ihre Sorge, Mrd. Kredite zu verlieren, auf einmal los. Insofern ist jetzt Griechenland für seine Gläubiger interessant und in der Eurozone, auch wenn es zunächst zusätzlich Geld kostet, wieder sehr willkommen. Dass damit die korrupten Politiker Griechenlands sehr gefestigt weiter in ihren Regie-rungsämtern bleiben und ihr Volk jetzt mit der Aneignung von zusätzlichen Mrd. € aus Rohstoffen weiter bestehlen, betrügen und bestechen werden, interessiert die Nordeuro-päer anscheinend nicht. Es ist Zeit, dass die echten Freunde der Griechen ihre Stimme erheben und die Politiker in Europa warnen, bevor es zu spät ist und Griechenland in Anarchie und Chaos stürzt. Diese Warnung sollte Frau Merkel im Hinterkopf haben, wenn sie Herrn Samaras immer wieder in Berlin empfängt. Evangelos Venizelos, der Senkrechtstarter Venizelos wurde 1957 in Thessaloniki geboren. Er studierte von 1974 bis 1978 Jura an der Aristoteles Universität in Thessaloniki und anschließend absolvierte er ein postgraduales Studium an der Universität Paris II. Anschließend kehrte er an die Aristoteles Universität zurück, wo er 1980 promoviert wurde. In derselben Universität wurde er 1984 Dozent und ein wenig später, in sehr jungem Alter, Professor für Verfassungsrecht. Parallel war er beim Staatsrat und am Obersten Gerichtshof (Συμβούλιο της Επικρατείας und Άρειος Πάγος), in den zwei obersten griechischen Gerichten, als Rechtsanwalt tätig. Gleichzeitig war er, für das nötige „Kleingeld“, Vorstandsmitglied der größten kommerziel-len Bank Griechenlands (National Bank of Greece). Es ist offensichtlich, dass seine aktive Mitgliedschaft in der damaligen Regierungspartei PASOK und seine gut entwickelten Klientel-Beziehungen innerhalb dieser Partei sehr behilflich bei seiner schnellen, traumhaften akademischen und beruflichen Kariere waren. Dies wird insbesondere bestätigt durch seine spätere ebenfalls glänzende Kariere als Politiker. Im Jahre 1993 kandidierte er bei den Nationalwahlen mit der PASOK erfolgreich und wurde zunächst Parlamentsabgeordneter. Seitdem gewann er in seinem Wahlkreis alle Nationalwahlen und blieb bis heute ununterbrochen Mitglied des griechischen Parlaments. Von 1993 bis 2004 leitete er verschiedene Ministerien in den Regierungen von Andreas Papandreou (Vater) und Kostas Simitis . Auch 2009 bei den von der PASOK gewonnenen Nationalwahlen wurde er in der Regierung von Georg Papandreou (Sohn) zunächst Verteidigungsminister und danach Finanzminister und blieb in diesem Amt, auch in der vorübergehenden Regierung des Technokraten Lukas Papademos, bis Mai 2012. Am 18. Mai 2012, nach dem Rücktritt von Georg Papandreou, wurde er Vorsitzender von PASOK. Die PASOK ist heute, wie oben angeführt, an einer Koalitionsregierung mit der Demokratischen Linken und der ND unter der Führung von Antonis Samaras beteiligt. Venizelos ist für die griechische Verschuldungskrise und für die Entstehung und Etablie-rung des korrupten politischen Systems mitverantwortlich, da er seit 1993 bis 2012 mit einer 5jährigen Unterbrechung Mitglied der Exekutiven Gewalt als Minister in vielen Mini-sterien tätig war. Evangelos Venizelos und die „Liste Lagarde“ Die „Liste Lagarde“ ist heute ein typischer griechischer politischer Skandal, der gegenwärtig die Schlagzeilen der griechischen Medien beherrscht. Frau Christine Lagarde, die heutige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), gab 2010 als Finanzministerin Frankreichs dem damaligen griechischen Finanzminister Georg Papakonstantinou (PASOK) eine vermutlich illegal erworbene CD-Liste, die 2.062 Namen griechischer Staatsbürger enthielt. Diese Liste zeigt, dass es bei einer schweizerischen Bank (HSBC) Einlagen von Hunderten Millionen, wenn nicht sogar Mrd. € gibt, die Griechen gehören. Mit ähnlichen Listen ist es der französischen, der niederländischen, der deutschen und anderen nordeuropäischen Regierungen gelungen, mehrere Steuerhinterzieher zu entlarven und Hunderte Millionen € hinterzogene Steuergelder für ihre Staaten zurückzuholen. Eine solche „moralisch“ verwerfliche Tat könnte der sonst total korrupte und morallose griechische Staat nicht begehen! Die Liste verschwand für mehr als zwei Jahre. Die Fi-nanzminister Papakonstantinou und Venizelos haben es vorgezogen, die nötigen Mrd. € für die Bedienung der öffentlichen Schulden primär bei den Lohnabhängigen und Rentnern anstatt auch bei den reichen Griechen zu holen. Heute werden sie von der Opposition beschuldigt, die Originalliste vernichtet zu haben. Stattdessen steht eine verfälschte Kopie zur Verfügung. Ein Untersuchungsausschuss des Parlaments soll letztendlich den Sachverhalt klären. Die breite griechische Öffentlichkeit stellt zurecht die Frage: Warum wurde die Liste Lagarde nicht genutzt? Die Antwort ist einfach: weil das die griechischen Politiker, wie oben angeführt, seit 65 Jahren nicht wollen. Man kann mehrere Listen anführen, die nicht genutzt wurden und dieses Nichtwollen eindeutig belegen. - Es gibt beispielsweise die Liste der griechischen Großanleger in Liechtenstein, Luxem-burg, Singapur oder anderswo. - Es gibt die Liste der Anleger in Immobilien in London, Berlin oder München und sonst wo. - Es gibt die Liste der Zentralbank von Griechenland mit 52.000 Namen griechischer Bür-ger, die ihr Geld nach dem Ausbruch der Krise von Griechenland legal ins Ausland trans-feriert haben. Die nordeuropäischen Politiker sollten wissen, dass es in Griechenland einen ungeschriebenen und abwechslungsreichen Automatismus gibt, der die vielfältigen Beziehungen der politischen und wirtschaftlichen Eliten in Griechenland bestimmt. An erster Stelle ist die Ehrfurcht (die Angst) der Politiker zu nennen, die sie gegenüber dem System der wirtschaftlich Mächtigen haben. Diese Ehrfurcht bzw. Angst resultiert aus den vielfältig existierenden, aber nicht transparenten Möglichkeiten der Zusatzfinanzierung der politischen Parteien und der Politiker. Sie resultiert aber auch aus den Schmiergeldern, die Unternehmer regelmäßig an Politiker zahlen und die Politiker kaufen, damit die Realisierung von teilweise illegalen Unternehmenszielen genehmigt bzw. lukrative Subventionen gewährt werden. Die Untätigkeit der Politiker gegenüber den Finanzmächtigen resultiert auch aus ihrer übernatürlichen Habgier und aus einer Art subjektiver Bewunderung, die sie der wirtschaftlichen Macht und dem Reichtum entgegenbringen. Die Politiker suchen die Freundschaft der Finanzmächtigen auch deshalb, weil es ein Gefühl der Sicherheit gewährt, wenn sie mit solchen Mächtigen befreundet sind. Auch die Angst, eines Tages von diesen fallen gelassen zu werden, ist groß. Letztendlich gehören die Informationsmedien den wirtschaftlichen Eliten an bzw. werden diese von den wirtschaftlichen Eliten kontrolliert. Diese Tatsache zwingt die Politiker sich der Finanzelite unterzuordnen. Fotis Kouvelis, der sanfte und naive Kommunist/Utopist? Auch Fotis Kouvelis Jahrgang 1948 ist kein unbeschriebenes Blatt in der griechischen Politik. Er war ein gemäßigter Kommunist, der er bis heute geblieben ist. Er wird von Samaras und Venizelos als eine Art Feigenblatt in der Koalitionsregierung verwendet, um ihr soziales Gewissen zu beruhigen. Kouvelis hat an der Athener Universität Rechts- und Politikwissenschaften studiert. Nach dem Studium war er als Rechtsanwalt tätig und war jahrelang Präsident der Rechtsanwaltskammer von Athen. Kouvelis war ein Gründungsmitglied der Eurokommunistischen Partei Griechenlands (KKE-Esoterikou). Er gehörte dem Zentralkomitee dieser Partei an bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1987. Danach war er bei der Gründung der Nachfolgepartei „Griechische Linke“ (Elliniki Aristera) beteiligt und wurde von 1989 bis 1992 ihr Generalsekretär. Bei den nationalen Parlamentswahlen vom November 1989 wurde er zum ersten Mal Parlamentsabgeordneter, und er scheiterte bei den Parlamentswahlen von 1993. Kouvelis war auch 1989 für einige Monate Justizminister Griechenlands. Seit 1996 bis heute wurde er mit verschiedenen Linken Parteien und insbesondere ab 2004 mit dem linken Wahlbündnis SYRIZA ständig als Parlamentsabgeordneter gewählt. Im Februar 2008 kandidierte er für den Vorsitz von SYRIZA, unterlag aber Alexis Tsipras, dem heutigen linken Oppositionsführer. Nach den Wahlen von 2009 wurde er parlamentarischer Sprecher von SYRIZA. Ein Jahr danach (2010) trat er aus SYRIZA aus, und kurz danach gründete er eine eigene Partei mit dem Namen „Demokratische Linke“ (Δημοκρατική Αριστερα). Seit Juli 2010 ist er Vorsitzender dieser Partei. Wie diese kurze Darstellung des Lebenslaufs von Herrn Kouvelis zeigt, ist auch er eine eigensinnige, egoistische und Macht besessene Persönlichkeit, für die das eigene Fort-kommen im Vordergrund steht. Dies wurde besonders nach den Wahlen im Mai 2012 sichtbar, als er sich weigerte, in einer Koalitionsregierung mit seinen heutigen Koalitionären mitzuarbeiten; und er hat damit vorgezogen Griechenland in ein kostspieliges Wahlabenteuer zu stürzen. Heute versucht er in der Koalition das Beschäftigungsproblem Griechenlands mit mög-lichst noch mehr Einstellungen im bereits überbesetzten öffentlichen Sektor zu lösen. Sein korruptes Verhalten zeigt sich auch darin, dass er, wie auch seine Koalitionäre, ständig versucht so viele wie möglich von seinen Parteigenossen mit lukrativen öffentli-chen Posten zu versorgen. Ihm ist es damit gelungen 5-6% der Griechen zu überzeugen, dass er im Gegensatz zu seinen politischen und sonstigen Taten, ehrlich, besonnen und ein aufrichtiger Politiker ist! Diese kurze Darstellung der griechischen Gegebenheiten, der Lebensläufe sowie des politischen Verhaltens dreier maßgebender griechischer Politikern, die immer noch das Sagen in Griechenland haben, sind für die Mehrheit der vernünftig denkenden Griechen im Inland und im Ausland ein Rätsel und werfen zugleich folgende Fragen auf: Warum glauben die Politiker Nordeuropas, dass diese Sorte von griechischen Politikern, die maßgeblich für die heutige Krise Griechenlands verantwortlich ist, willens und fähig ist, Griechenland aus der Krise heraus zu führen? Wann werden Politiker Nordeuropas endlich aufhören, diese griechischen Politiker poli-tisch und ökonomisch mit immer noch lukrativen Krediten und mit - auf ihre Verwendung hin - unkontrollierten europäischen Subventionen zu unterstützen und damit ihr politisches Überleben zu ermöglichen?
Spiridon Paraskewopoulos @ Köln
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yasni 16.02.13  +  

Ursachen und Folgen der (angeblichen?) Eurokrise

of. Dr. Sp. Paraskewopoulos (Emeritus) Bis 2007 Lehrstuhlinhaber (Professur) für Makroökonomik und Direktor des Instituts für Theoretische Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig Ursachen und Folgen der (angeblichen?) Eurokrise     Aus dem Inhalt - Die Angst des Zusammenbruchs von Euro - Exkurs: Primäre Ursachen der Gefährdung der Geldwertstabilität - Der besondere Fall Euro - Mögliche Ursachen der Gefährdung von Euro - Bedingungen die zu einer Zahlungsunfähigkeit eines Staates führen - Ist das staatliche Verschuldungsproblem lösbar? - Die reale Gefahr der Zahlungsunfähigkeit einiger Länder der Eurozone - Mögliche Ursachen der heutigen Verschuldungskrise von Euroländern - Die Sackgasse (die Schuldenfalle) Griechenlands - Szenarien der Vermeidung einer totalen Zahlungsunfähigkeit Griechenlands - Ein Vorschlag für eine mögliche Vermeidung der griechischen Zahlungsunfähigkeit - Schlussbemerkungen   Die Angst des Zusammenbruchs von Euro: Die Entwicklungen der Haushaltsdefizite und der öffentlichen Schulden der Euroländer geben Anlass zu Sorge für mögliche Staatsinsolvenzen einiger Euroländer, die dann gefährdende negative Auswirkungen auf die Stabilität des Euro haben könnten. Alle diese Sorgen werden in der Frage zusammengefasst: Wird die gemeinsame europäische Währung diese zum Teil unkontrollierte Entwicklung der wachsenden Staatsschulden verkraften können? Der folgende Beitrag ist ein Versuch, so einfach und verständlich wie möglich, eine Antwort darauf zu geben. Der Beitrag richtet sich nicht an Sachverständige und Experten, sondern an alle, die sich für solchen Fragen interessieren, weil sie irgendwie fühlen, dass diese Entwicklungen sie auch treffen könnten. Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise des Jahres 2008 wurde den Agierenden in den internationalen Geld- und Kapitalmärkten die Höhe der Haushaltsdefizite mancher Länder der Eurozone bewusst. Diese Defizite haben in den laufenden Jahren zu hohen Staatsverschuldungen geführt, die eine mögliche Zahlungsunfähigkeit dieser Länder wahrscheinlich machen. Konkret die Länder wie Griechenland, Irland, Portugal, Spanien oder auch Italien weisen solche Haushaltsdefizite auf, die weit über die maximale Höhe von 3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen, die der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt vorschreibt. Das gleiche gilt auch für die öffentlichen Verschuldungen, die durch die jährlichen Haushaltsdefizite sehr schnell wachsen. Inzwischen ist die maximale Höhe von 60% des BIP, die vom Europäischen Stabilitätspakt noch erlaubt werden, übertroffen. Allein die griechische Staatsverschuldung erreichte am Ende 2010 die 144% Marke, d.h. 330 Mrd. €. Daraus erwächst eine ernste und reale Gefahr der Zahlungsunfähigkeit des Landes. Der Fall Griechenlands wird von den Medien, von Politikern und von jeder Art Sachverständiger als Grund angeführt, der letztlich einen Zusammenbruch der Währungsunion bzw. des Euro bewirken könnte. Die Ängste über eine mögliche Gefährdung des Euro durch die Staatsverschuldungen, haben dazu geführt, dass sich die Regierungen der Länder der Eurozone in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfond (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) entschieden haben, einen Rettungsmechanismus für notleidende Euroländer zu schaffen. Das Ziel des Rettungsmechanismus ist, die Zahlungsunfähigkeit von Euroländern zu verhindern, die letztlich eine Gefährdung von Euro als Folge haben könnte. Die Stabilität des Euro wird nach dieser Auffassung durch die Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit erreicht, um auch die Spekulationsattacken der Kapitalmärkte unwirksam zu machen. Dennoch bleibt meines Erachtens die theoretische Frage offen, nämlich: gefährdet wirklich eine mögliche Zahlungsunfähigkeit, z.B. Griechenlands, die Existenz von Euro? Oder allgemeiner formuliert: Führt eine übermäßige Verschuldung eines Landes der Eurozone, die möglicherweise zu einer Staatsinsolvenz führt, zwangsläufig zu einem Zusammenbruch der Währung dieses Landes? Mit anderen Worten: tritt der Zusammenbruch der Währung aufgrund des Staatbankrots unbedingt ein? Exkurs: Primäre Ursachen der Gefährdung der Geldwertstabilität: Um diese Frage zu beantworten sind zunächst einige Kenntnisse über die Zusammenhänge, die zwischen der Produktion von Gütern und der Entstehung (Produktion) vom Geld in einer Volkswirtschaft bestehen, erforderlich. Deshalb werden zuerst einige Sachverhalte bezüglich der Entstehung, der Bedeutung und der Funktionen des Geldes in einer Volkswirtschaft erklärt. Die Bedingungen der Arbeitsteilung haben wahrscheinlich zur Entdeckung des Geldes geführt, welches zunächst die sogenannten Transaktionskosten, die bei der Produktion und Tausch von Gütern entstehen, senkt. Im Rahmen des arbeitsteiligen Prozesses, in welchem die Produktion und der Tausch von Gütern und Dienstleistungen stattfinden, erwartet man, dass das Geld - so gut wie möglich - folgende Funktionen erfüllt: - die Zahlungsfunktion, - die Tauschfunktion, - die Wertaufbewahrungsfunktion, - die Informationsfunktion hinsichtlich der Werte (Preise) der Güter und - die Recheneinheitsfunktion Tauschprozesse ohne Geld, die eventuell in der weiten Vergangenheit in primitiven Dorfwirtschaften stattfanden, wurden unmittelbar durch Ware gegen Ware durchgeführt. Durch die Einführung des Geldes wurden die Tauschprozesse geteilt. Zunächst wird Ware gegen Geld und dann irgendwann und irgendwo später wird der Tauschprozess vollendet, in dem man Geld gegen Ware tauscht. Mit Geld wird anstatt des unmittelbaren Tausches, beispielsweise einer Uhr mit einem Paar Schuhen, tauscht man die Uhr gegen Geld und später das Geld gegen das Paar Schuhe. Das Geld teilt also zeitlich und geographisch die Vollendung des Gütertausches. Damit werden unter anderem die Suchzeit (Transaktionskosten) minimiert. Sonst müsste derjenige, der die Uhr produziert und ein Paar Schuhe braucht, erst denjenigen finden, der Schuhe produziert und eine Uhr braucht. Wie man sich vorstellen kann, wäre dies eine zeitraubende und kostspielige Angelegenheit. Das Geld kann aber die genannten Funktionen erfüllen, wenn derjenige, der verantwortlich für die Produktion und den Umlauf vom Geld ist, auch folgende Eigenschaften des Geldes garantieren kann: Erstens, er muss dafür sorgen, dass alle mit Geld Handelnden in diesem Lande, in welchem dieses Geld gilt, dieses Geld auch annehmen. Zweitens, er muss dafür sorgen, dass die Kaufkraft der Geldeinheit möglichst langfristig konstant bleibt. So wird Vertrauen zu diesem Geld entstehen. Drittes, er muss dafür sorgen, dass permanent die erforderlichen Geldmengen im Umlauf sind, damit die Produktion und der Tausch von Gütern optimal in der Volkswirtschaft bewerkstelligt wird. Heute wird in allen Volkswirtschaften der Welt, der Gütertausch von Sachgütern und Dienstleistungen durch das Geld ermöglicht. Seine Produktion, seine Funktionen und seine Eigenschaften garantiert der Staat. Zu diesem Zweck gründet er eine Zentralbank, die zusammen mit den privaten Geschäftsbanken dafür sorgen, dass genügend Geld im Umlauf ist, und dass seine Eigenschaften und Funktionen dauerhaft erfüllt werden. Aus dieser kurzen Darstellung über, die Produktion, die Eigenschaften, die Funktionen und die Verantwortlichen des Geldes, lässt sich folgende allgemeine Schlussfolgerung ableiten. In einer bestimmten Zeitperiode ist die Kaufkraft des vorhandenen Geldes einer Volkswirtschaft das Ergebnis aus: - der Geldmenge und seiner Umlaufgeschwindigkeit, - aus den Präferenzen der Wirtschaftssubjekte gegenüber den verschiedenen Güterarten sowie - aus den Mengen der vorhandenen und produzierten Güter. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zeigt, wie oft das Geld innerhalb einer bestimmten Zeit umgesetzt wird. Wenn beispielsweise ein 10 Euro Geldschein innerhalb von 24 Stunden 10 Mal den Besitzer wechselt, wird dieser ein 10 Euro Schein einen Umsatz von 100 Euro tätigen. In diesem Fall beträgt seine Umlaufgeschwindigkeit 10 Umsätze. Unter normalen Bedingungen bleibt die durchschnittliche Umlaufgeschwindigkeit der Geldeinheiten in der Zeit konstant. Insofern ist die gesamte Geldmenge einer Volkswirtschaft das Produkt der Geldmenge mal seiner Umlaufgeschwindigkeit in einer Zeitperiode. Deshalb ist die Kaufkraft des Geldes immer das Ergebnis aus den jeweiligen Gütermengen dividiert durch die umlaufende und verfügbare Geldmenge der Volkswirtschaft. Wenn in einer Volkswirtschaft die durchschnittliche jährliche Kaufkraft des Geldes dauerhaft annähernd konstant bleibt, dann ist dies ein starker Hinweis dafür, dass die Wachstumsrate der Güterproduktion mit der Wachstumsrate der Geldproduktion übereinstimmt. Wenn aber festgestellt wird, dass die durchschnittliche jährliche Kaufkraft des Geldes abnimmt, dann ist dies auch ein starker Hinweis dafür, dass die durchschnittliche jährliche Geldproduktion oder/und seine Umlaufgeschwindigkeit schneller wachsen als die durchschnittliche jährliche Güterproduktion wächst. In einem solchen Fall herrschen in einer Volkswirtschaft inflationären Tendenzen bzw. Inflation. Geschieht das Gegenteil, d.h. ist das jährliche Wachstum der Güterproduktion bei konstanter Umlaufgeschwindigkeit höher als das jährliche Wachstum der Geldproduktion, dann herrscht in dieser Volkswirtschaft Deflation. Inflation und Deflation haben negative Einflüsse auf die Entwicklung vieler Sektoren einer Volkswirtschaft, und vor allem beeinträchtigen sie die Kaufkraft des Geldes und damit das Vertrauen der Bürger gegenüber dem nationalen Geld. Daher ist eine der primären Aufgaben der Zentralbanken der permanente Versuch bei der Geldproduktion und bei ihrer Geldaufsicht, das Verhältnis von Güter- und Geldproduktion konstant zu halten, damit Inflation oder Deflation und demzufolge eine Abwertung oder Aufwertung der eigenen Währung gegenüber anderen Währungen gemieden wird. In vielen Ländern der Welt sind aber die Zentralbanken bei ihren geldpolitischen Entscheidungen von ihren Regierungen nicht unabhängig. Daher ist es nicht selten, dass die Regierungen ihre Zentralbanken zwingen (befehlen) Geld zu produzieren, - und dies unabhängig von der Entwicklung der Güterproduktion – um ihre fiskalpolitischen Aufgaben finanzieren zu können. Geschieht dies permanent, dann sinken allmählich die Kaufkraft des nationalen Geldes und damit auch das Vertrauen der Bürger zu diesem Geld. Sie werden versuchen, dieses Geld so schnell wie möglich mit Gütern, Gold oder anderen Währungen umzutauschen. Dies führt dazu, dass die Kaufkraft des Geldes weiter sinkt, weil aufgrund der zunehmenden Nachfrage nach diesen Gütern ihre Preise und Wechselkurse weiter steigen werden. So wird eine Abwärtsspirale der Kaufkraftabnahme und des Wechselkurses dieser Währung entstehen. Wie daraus leicht zu verstehen ist, kann ein solcher Abwärtsprozess nicht ewig dauern, weil sehr bald keiner zu diesem Geld Vertrauen haben wird. Letztlich wird der Zusammenbruch die Folge sein. Die Verlierer dieser Entwicklung werden alle diejenigen sein, denen es nicht rechtzeitig gelungen ist, dieses Geld los zu werden. Insofern, wenn ein Land einen Teil seiner finanziellen Verpflichtungen mit der Methode des Gelddruckens erledigt, braucht es kein Geld von den Geldmärkten, es wird von ihnen, aufgrund des hohen Risikos, wahrscheinlich auch keines bekommen. Es bleibt nur seine Zen-trabend übrig, die diesem Land bis zum Zusammenbruch der Währung Kredite gewährt. Damit wird schließlich der Staat der Gewinner dieses Prozesses sein, da er damit alle seine Schulden durch die totale Abwertung des Geldes los wird. Die Verlierer werden alle diejenigen sein, die diesem Geld ihr Vertrauen entgegen brachten. Nach dieser kurzen Analyse kommt man zu der Schlussfolgerung, dass eine Gefahr des Zusammenbuches einer Währung dann entsteht, wenn diese Währung permanent produziert (gedruckt) und verwendet wird, ohne gleichzeitig von einer entsprechenden Güterproduktion begleitet zu werden. Keine unmittelbare Gefährdung der Währung besteht dagegen, wenn der Staat ein Teil seiner finanziellen Verpflichtungen durch Kredite, die er von den Geld- bzw. den Kapitalmärkten bekommt, finanziert. Die Staatsschulden werden jetzt aus den Ersparnissen finanziert, die aus erwirtschafteten Einkommen entstanden sind. In diesem Fall fand durch die Zentralbank keine zusätzliche Geldproduktion statt, die nicht von einer entsprechenden Güterproduktion begleitet wurde. Dieser Teil der Ersparnisse, der auch durch die Produktion von Gütern und Dienstleistungen entstanden ist, wird nicht von den Sparern selbst oder von anderen privaten Konsumenten oder Investoren ausgegeben, sondern vom Staat, der ihn über die Geldmärkte als Kredit erhält und konsumtiv oder investiv verwendet. Insofern besteht in diesem Zusammenhang keine unmittelbare Gefahr der Minderung der Kaufkraft oder des Wechselkurses dieser Währung, die sie gefährden könnte. Selbst bei dem Fall der Zahlungsunfähigkeit des Staates, d.h. wenn der Staat seinen Schuldendienst (Zahlung von Zinsen und Tilgungen) nicht mehr bedienen kann, besteht keine unmittelbare Gefahr für diese Währung. Weil das vom Staat als Kredit aufgenommene und ausgegebene Geld weiter im Umlauf bleibt. Dieses Geld geht also für die Volkswirtschaft nicht verloren. Allerdings, die Gläubigen bzw. die Sparer werden die Verlierer sein (Exkurs Ende). Der besondere Fall Euro: Viele Ökonomen sind der Auffassung, dass die Existenz von Euro im Falle einer Zahlungsunfähigkeit Griechenlands oder Irlands oder Portugals gefährdet ist. Wie oben dargestellt wurde, ist diese Position theoretisch nicht begründbar (haltbar). Euro ist keine nationale Währung, sie ist aber eine von vielen (17) souveränen Europäischen Staaten (Euroländern) gegründete und eingeführte gemeinsame Währung. Sie wird von einer gemeinsamen, aber von diesen Staaten in ihren Entscheidungen unabhängigen Europäischen Zentralbank (EZB) produziert. Sie koordiniert und kontrolliert zugleich den Umlauf des von ihr gedruckten (produzierten) Geldes. Im Gegensatz zur Währungspolitik, die fast nur von der EZB ausgeübt wird, üben die Euroländer selbständige Fiskal- bzw. Finanzpolitik. Das Letztere ist auch der Grund, dass viele Ökonomen zu der Behauptung veranlasst werden, dass eine Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) - mit unterschiedlichen ökonomischen Entwicklungsniveaus der Unionsländer - ohne zugleich eine gemeinsame Fiskal- bzw. Finanzpolitik, nicht lange bestehen kann. Eine solche Konstruktion einer Währungsunion könnte nach dieser Auffassung nur dann überleben, wenn ständig Transferzahlungen von den reichen zu den ärmeren Staaten stattfänden, die allerdings auf lange Sicht politisch nicht durchsetzbar wären. Diese Position muss nicht deshalb richtig sein, weil sie immer wieder wiederholt wird. Zunächst ist plausibel, dass eine gemeinsame Europäische Wirtschafts- und speziell Finanzpolitik von einer zentralen Stelle leichter durchzusetzen wäre. Dies setzt aber voraus, dass die EWWU auch eine politische Union wäre. Ob damit auch die Entscheidungsprozesse innerhalb der Unionsländer leichter wären und sogar schneller zustande kämen, ist meines Erachtens fraglich. Die ständigen Entscheidungskonflikte und -verzögerungen in Deutschland mit Bundestag und Bundesrat sind ein negatives Beispiel dafür. Unabhängig aber von dieser Problematik ist zurzeit die Gründung einer politischen Union, aus welchen Gründen auch immer, kein Thema für die Europäer. Müsste man aber deshalb auf die ökonomischen Vorteile einer Währungsunion verzichten? Ich meine nein. Der Maastricht Vertrag hatte und hat mit den Regelungen des Verbots der Finanzierung von Staatsdefiziten durch die EZB und mit der „no- bail-out“ Vorschrift die adäquaten marktwirtschaftlichen Instrumente geschaffen, um Zahlungsunfähigkeiten von fiskalpolitisch selbständigen Euroländern zu erschweren. Nach Artikel 125 des EU-Vertrages von Maastricht dürfen die EU oder Mitgliedsländer für die Schulden eines anderen Mitgliedslandes nicht einstehen (no-bail-out). Diese Regelung schließt also die Haftung der EU sowie aller Mitgliedstaaten für Schulden anderer Mitgliedstaaten aus. Auch die EZB ist mit ihrer Währungspolitik verpflichtet, die Stabilität des Euro durch die Einhaltung des Gleichgewichts zwischen Güter- und Geldproduktion anzustreben. Deshalb ist es auch verboten, Kredite für die Finanzierung von Staatsdefiziten der Euroländer zu gewähren. Die Kredite an Griechenland oder Portugal sind demzufolge nicht von der EZB gegeben. Daher sind dafür keine zusätzliche Euros durch die EZB gedruckt worden. Insofern bestand und besteht, wie wir bereits wissen, keine innere oder äußere Abwertungsgefahr für den Euro. Die Kreditgeber Griechenlands oder Portugals sind fast ausschließlich private Geschäftsbanken innerhalb und außerhalb der Euroländer oder einzelne Wirtschaftssubjekte, die griechische oder portugiesische Staatspapiere gekauft haben. Wenn nun Griechenland oder Portugal ihren Schuldendienst nicht bedienen können, d.h. zahlungsunfähig werden, dann sind die Gläubiger gezwungen nicht nur auf ihre Zinserträge, sondern auch auf einen großen Teil oder sogar auf das gesamte geliehene Geldkapital zu verzichten. Diese Verluste des Kreditkapitals, so schlimm und schmerzhaft sie für die Gläubiger auch sind, haben aber keine inflationären Auswirkungen und deshalb können sie die Stabilität des Euro nicht unmittelbar beeinträchtigen. Wenn dies so wäre, warum sprechen dann so viele Experten, Politiker und die Medien vehement von der Gefährdung des Euros durch eine mögliche Zahlungsunfähigkeit Griechenlands oder Portugals? Gibt es eventuell auch andere, vielleicht nicht ökonomische Gründe, die bis jetzt nicht angesprochen wurden, aber dafür sprechen? Mögliche Ursachen der Gefährdung von Euro: Ein objektiver ernsthafter Grund, ist die mögliche Insolvenz mancher privaten Geschäftsbanken aufgrund der Zahlungsunfähigkeit einiger Euroländer. Eine solche Entwicklung wird nachteilige und unvorhergesehene Auswirkungen auf die Liquidität der Volkswirtschaften der Euroländer haben. Allein die deutschen privaten Geschäftsbanken würden - im Falle einer Zahlungsunfähigkeit Irlands und Griechenlands - Verluste in Höhe von 180 Mrd. € erleiden. Daraus wird ersichtlich, wie stark, nicht nur die deutsche Volkswirtschaft, sondern alle Volkswirtschaften aller Euroländer davon betroffen werden, da das deutsche BIP mehr als ein Viertel des gesamten BIP der Euroländer ausmacht. Damit wäre sehr wahrscheinlich auch das Vertrauen der Weltmärkte in Euro beeinträchtigt. Die Zahlungsunfähigkeit einiger Euroländer also, und die dadurch verursachten Insolvenzen einiger privater Geschäftsbanken, können eine allgemeine Panik verursachen und damit eine rasche Flucht der Anleger aus dem Euro, mit der Folge des Zerfalls seines Wechselkurses. Zu dieser - mehr psychologisch bewirkten negativen Entwicklung des Außenwertes von Euro - tragen auch alle diejenigen Experten bei, die von Beginn an gegen die Einführung von Euro waren, und heute in den verschiedenen Medien mit der Darstellung von Horror Szenarien sein baldiges Ende prognostizieren. Wie in den bisherigen Ausführungen gezeigt wurde, ist die heutige Diskussion über die angebliche Eurokrise, mit der möglichen Zahlungsunfähigkeit Griechenlands, Irlands oder Portugals entstanden. Im Folgenden werden nun die Bedingungen erläutert, die zu Staatsinsolvenzen führen können. Bedingungen die zu einer Zahlungsunfähigkeit eines Staates führen: Eine staatliche Zahlungsunfähigkeit, d.h. die Einstellung der Zahlungen der Zinsen und der Tilgungen eines Kredites entsteht, wenn die Einnahmen des Staates aus Steuern, Gebühren, Krediten, Gewinne aus staatlichen Unternehmungen sowie aus dem Verkauf natürlichen Gütern (Rohstoffen) nicht ausreichen, um die staatlichen Aufgaben und insbesondere die fälligen Kreditzinsen und Tilgungen zu bedienen. Wie erreicht ein Staat diesen Zustand? Um dies zu erläutern, wird vorher eine kurze analytische Darstellung aller jenen Umständen, die möglicherweise allmählich und letztlich zum Staatsbankrot führen, vorgenommen. Das sogenannte Bruttoinlandsprodukt (BIP) eines Staates ist wertmäßig die Summe aller Konsum- und Investitionsgüter, die in diesem Land jährlich produziert werden. Das BIP umfasst also den Wert der Konsumgüter (C), den Wert der Investitionsgüter (I) und den Wert der exportierten (Ex) minus den Wert der importierten Güter und Dienstleistungen (Im). Folgende Gleichung stellt formal diesen Sachverhalt dar: (1) BIP = C + I + Ex – Im Aus einer anderen Sicht, ist das BIP die Summe aller Einkommen, die die Produktionsfaktoren, die die jährliche Produktion aller Güter ermöglichten, erhalten haben. Diese Produktionsfaktoren sind die menschliche Arbeit von Arbeitern, Angestellten, Beamten und Unternehmern sowie die Arbeit der sachlichen Produktionsgüter (Kapital, Geldkapital, Grund und Boden). Die Einkommen dieser Produktionsfaktoren sind Lohn, Gehalt, Gewinn, Zinsen, Miete und Pacht sowie Renten. Der größte Teil dieser Einkommen wird für Konsumgüter (C) ausgegeben und der Rest der nicht unmittelbar konsumiert wird, wird gespart (S). Somit setzt sich jetzt das BIP einer Volkswirtschaft aus dem Wert der Konsumgüter und aus dem Wert der Ersparnisse zusammen. (2)  BIP = C + S Aus den Gleichungen 1 und 2 kann eine Gleichung 3 bzw. die 3a abgeleitet werden, die einige bedeutenden ökonomischen Schlussfolgerungen ermöglicht: (3) BIP = C + I + Ex – Im = BIP = C + S oder (3a) S = I + Ex – Im Aus der Gleichung 3a ist ersichtlich, dass die Ersparnisse einer Volkswirtschaft, d.h. der Teil des Gesamteinkommens, der nicht konsumiert wird, sämtliche Investitionen, die in dieser Volkswirtschaft stattfinden, finanzieren. Darüber hinaus ist auch leicht ersichtlich, dass die Ersparnisse auch die Differenz, die sich aus dem Wert der exportierten Güter und Dienstleistungen minus den Wert der importierten Güter und Dienstleistungen ergibt, finanzieren. Ist diese Differenz gleich 0 (Ex – Im = 0), oder fachlich gesprochen, ist die volkswirtschaftliche Leistungsbilanz ausgeglichen, indem der Wert aller Exporte gleich dem Wert aller Importe ist (Ex = Im), dann werden sämtliche Ersparnisse ausschließlich für die Finanzierung der Investitionen der Volkswirtschaft dieses Landes verwendet. Es wird also kein Teil dieser Ersparnisse ausländischen Konsum oder ausländische Investitionen finanzieren. Ist diese Differenz d.h. die Leistungsbilanz positiv, dann exportier diese Volkswirtschaft wertmäßig mehr Güter und Dienstleistungen als sie importiert (Ex – Im > 0). Damit kreditiert diese Volkswirtschaft in Höhe dieser Differenz das Ausland. Somit finanziert (kreditiert) ein Land, welches permanent eine positive Leistungsbilanz aufweist, alle ausländischen Handelspartner, die dauerhaft eine negative Leistungsbilanz haben. Länder, die zurzeit positive Leistungsbilanz haben, sind Deutschland, Niederlande, Japan, China, Süd Korea u.a. Ist die Differenz bzw. die Leistungsbilanz dauerhaft negativ (Ex – Im < 0), dann finanziert das Ausland, durch Gewährung von Krediten an das Inland, die importierten Güter und Dienstleistungen des Inlands. Dies bedeutet, dass die Auslandsschulden dieser Volkswirtschaft ständig wachsen. Eine solche Entwicklung der Leistungsbilanz besagt auch, dass die Bürger dieses Staates permanent mehr konsumieren und investieren als sie insgesamt produzieren können. Sie leben also dauerhaft über ihre ökonomischen Verhältnisse, die sie durch Auslandskredite finanzieren. Diese Situation ist auch ein deutliches Zeichen dafür, dass diese Volkswirtschaft eine sehr niedrige Wettbewerbsfähigkeit hat, die wiederum Folge einer niedrigen Produktivität ist. Niedrige Produktivität bedeutet, dass diese Volkswirtschaft quantitativ, qualitativ und kostenmäßig solche Güter und Dienstleistungen produziert und anbietet, die den Anforderungen der Weltmärkte nicht entsprechen und deshalb nicht nachgefragt werden. Das dauerhafte Defizit der Leistungsbilanz, welches seine Ursachen, wie erwähnt, in der niedrigen Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft hat, enthält auch eine weitere negative Konsequenz. Aufgrund der niedrigen Produktivität sind auch die gesamte Produktion und die Einkommen dieses Landes niedrig. Dies führt wiederum zu entsprechend niedrigen Staatseinnahmen mit der Folge, dass auch der Staat, um seinen Verpflichtungen nachzugehen, Auslandskredite nachfragt. So kommen zu den privaten Schulden auch die Staatsschulden hinzu. Solche Länder sind zurzeit Griechenland, Portugal u.a. Aus dem bisher gesagten wird ersichtlich, dass ein solcher Zustand nicht sehr lange bestehen kann. Einmal, weil die Auslandschulden bald eine solche Höhe erreichen werden, die die Zahlung der Zinsen und die Tilgung die Leistungsmöglichkeiten der verschuldeten Volkswirtschaft weit übertreffen, und zum anderen, weil die Gläubiger von selbst aufhören werden, weitere Kredite zu gewähren. Sie werden nämlich sehr schnell merken, dass sie letztlich mit Sicherheit die Verlierer sein werden. Die Gleichungen 3 sowie 3a und die daraus abgeleiteten Aussagen gelten für alle Volkswirtschaften der Welt, die sich am Welthandel mit Sachgütern, Dienstleistungen und Finanzmitteln beteiligen. Daher kann man zusammenfassend folgende allgemeine Aussage formulieren: Die Volkswirtschaften, die dauerhaft negative Leistungsbilanzdefizite aufweisen, sind die Volkswirtschaften die sich dauerhaft gegenüber dem Ausland verschulden. Und die Volkswirtschaften die permanent Leistungsbilanzüberschüsse erwirtschaften, sind die Gläubiger der defizitären Volkswirtschaften. Ist das staatliche Verschuldungsproblem lösbar? Eine Volkswirtschaft kann mittelfristig aus einer Schuldenfalle dann herauskommen, wenn rechtzeitig begonnen wird, die Auslandsschulden mehr für die Finanzierung innovativer Investitionsgüter und weniger für die Finanzierung von Konsumgütern zu verwenden. Nur durch solche innovative Investitionen können positive Wachstumsrate des BIP erreicht werden, die allerdings höhere sein müssten als die Wachstumsrate der Schulden, wenn der Anteil der Schulden am BIP gesenkt werden sollte. Die Anbahnung einer solchen Entwicklung wird auch signalisieren, dass die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit dieser Volkswirtschaft wachsen. Ebenfalls werden die Weltkapitalmärkte dadurch die Information bekommen, dass sich diese Volkswirtschaft auf einem Wachstumspfad befindet. Sie werden dadurch veranlasst die Kreditierung fortzusetzen. Es ist sogar zu erwarten, da nun die Wahrscheinlichkeit einer Zahlungsunfähigkeit dieses Landes geringer wird, dass jetzt die Kredite mit niedrigeren Zinsätzen vergeben werden. Irgendwann müsste man dann auch mit der absoluten Senkung der Auslandsschulden beginnen. Dies wäre allerdings dann der Fall, wenn es gelingen würde, eine positive Leistungsbilanz zu erreichen. Historische Beispiele von Ländern, denen es gelungen ist, mit innovativen Investitionen von Kreditnehmern zu Kreditgebern zu werden, sind Deutschland, Japan, Niederlande, China, Süd Korea u.a. Die heutige Schuldensituation mancher Euroländer ist so weit fortgeschritten, so dass sie aus eigener Kraft kaum eine Staatsinsolvenz verhindern können. Genau an dem Punkt scheint heute Griechenland angelangt zu sein. Dass Griechenland 2010 die Zahlungsunfähigkeit nicht erreicht hat, verdankt es den günstigen Krediten der Troika (Euroländer, Internationaler Währungsfond und Europäische Zentralbank). Ein Betrag in Höhe von 110 Mrd. € wird in Raten - unter der Erfüllung von strengen strukturellen und fiskalpolitischen Bedingungen - bis April 2013 an Griechenland vergeben. Die Euroländer bürgen für 80 Mrd. € zu einem jährlichen Zinssatz von 5,2% und 30 Mrd. € mit einem Zinssatz von 3,0% werden von IWF an Griechenland vergeben. Dies entspricht für den gesamten Betrag einem durchschnittlichen Zinssatz von 4,6%. Würde Griechenland bei seiner heutigen Verschuldung diesen Betrag vom Kapitalmarkt nehmen, dann müsste es mindestens einen Zinssatz von ca. 11% zahlen. Ob Griechenland letztlich die Zahlungsunfähigkeit umgehen kann wird noch erörtert. Nachdem bis jetzt die allgemeinen Bedingungen, die zur Zahlungsunfähigkeit eines Landes führen können, erläutert wurden, werden folgende weitere konkrete Fragen gestellt: Werden bei dem heutigen Verschuldungsgrad der Euroländer ein oder mehrere Euroländer zahlungsunfähig? und wenn ja, wie muss man innerhalb der Eurozone wirtschaftspolitisch vorgehen, dass daraus keine Eurokrise wird? Die reale Gefahr der Zahlungsunfähigkeit einiger Länder der Eurozone: Die heutige absolute Höhe der Verschuldung einiger Euroländer, im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften, zeigt, dass die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit sehr real ist. Griechenlands öffentliche Verschuldung erreichte beispielsweise am Ende 2010 144% des BIP, d.h. 330 Mrd. €. Auch Italien und Belgien liegen zurzeit über 100% ihrer BIP. Die Tendenzen sind steigend. Diese Entwicklungen sind allarmierend. Insofern sind die heutigen europäischen politischen Aktivitäten mit den verschiedenen Rettungsszenarien wichtig und notwendig. Die europäischen Politiker müssen allerdings mit ihren Entscheidungen die europäische und die Weltöffentlichkeit und insbesondere die Geld- und Kapitalmärkte überzeugen, dass sie die Währungsunion tatsächlich wollen und dass sie über ihre dauerhafte ökonomische Notwendigkeit und Vorteilhaftigkeit überzeugt sind. Bevor wir nun die bisherigen beschlossenen europäischen Entscheidungen hinsichtlich der Stabilisierung des Euros kommentieren und bewerten, sollten wir vorher kurz noch einmal die Gründe ansprechen, die zu der heutigen Eurokrise - Diskussion geführt haben. Wie wir bereits wissen sind im Maastricht Vertrag zwei Grundentscheidungen hinsichtlich der Gestaltung der Währungsunion getroffen worden, die die langfristige Existenz und Stabilität des Euro garantieren sollten. Die erste Regelung war das ausdrückliche Verbot der Finanzierung staatlicher Defizite durch Kredite der EZB. Damit sollte die Gefahr der Geldproduktion ohne die entsprechende Güterproduktion gemieden werden. Man hatte dadurch eine automatische systemstabilisierende Regelung geschaffen, die gegen die Gefahr des Zerfalls der Kaufkraft und der Abwertung des Euros gerichtet ist. Die zweite genau so wichtige institutionelle Regelung des Maastrichts Vertrags, ist das bereits erwähnte Verbot der Übernahme von Bürgschaften für Staatskredite von Euroländern durch die EU oder durch die Euroländer. Bei strenger Einhaltung dieser institutionellen Regelung bewerten ausschließlich die Geld- und Kapitalmärkte die Kreditfähigkeit der einzelnen Euroländer und übernehmen ausschließlich sie die volle Haftung für die von ihnen gewährten Kredite. Das erste Verbot, mit Ausnahme den indirekten Kauf bei privaten Geschäftsbanken von Staatspapieren in Höhe von ca. 76 Mrd. € im letzten Jahr (2010), wurde von der EZB mehr oder weniger eingehalten. Das zweite Verbot (no bail out) wurde aber aus folgenden Gründen völlig ignoriert. Viele private Geschäftsbanken der Eurozone haben großzügig und üppig einige südliche Euroländer kreditiert. Wenn die Gläubiger Banken für die gewährten Kredite auch die ausschließliche Haftung gehabt hätten, dann wäre die Wahrscheinlichkeit der Überschuldung einiger Euroländer sehr gering. Die Gläubiger Banken wären nämlich bei der Vergabe von Krediten an Ländern mit zweifelhafter Bonität Risiko bewusster und deshalb zurückhaltender gewesen. Auch die Kreditnehmer hätten keine leichten Chancen gehabt, billige Kredite zu bekommen, die ihre ökonomischen Leistungsmöglichkeiten übertrafen. Wäre diese Regelung tatsächlich eingehalten worden, dann wären die heutigen Schuldenländer (und insbesondere Griechenland) gezwungen, anstatt Kredite zu nehmen, die sie sehr wahrscheinlich auch nicht bekommen hätten, nach eigenen Entwicklungs- bzw. Wachstumsmöglichkeiten zu suchen. So hätten sie viel rationaler, zum einen die reichhaltigen und vielfältigen europäischen Zuschüssen ökonomisch ausgenutzt (was Griechenland nicht tat) und zum anderen wären sie gezwungen gewesen, die eigenen produktiven Möglichkeiten heranzuziehen, die meines Erachtens sowohl ausreichend gegeben als auch profitabel sind. Für Griechenland können hier die Handelsschiffwirtschaft, Tourismus, Sonnen- und Windenergie, die Landwirtschaft und nicht zuletzt das Humankapital genannt werden. Diese Bereiche bieten in Griechenland Felder von Investitionsmöglichkeiten, um seine Produktivität zu erhöhen, Wirtschaftswachstum zu erzielen und letztlich seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Leider wurden alle diese Möglichkeiten vernachlässigt bzw. ignoriert, weil die Gläubigern ihrerseits, die oben genannten Regelungen des Maastrichts Vertrags ohne Sanktionen auch missachtet und den Griechen günstige Kredite gewährt haben. Mögliche Ursachen der heutigen Verschuldungskrise der Euroländer: Im Folgenden werden zwei Hauptgründe dargestellt und erläutert, die meines Erachtens primär verantwortlich für die heutige Verschuldungskrise mancher Euroländer sind. Erstens, die Politiker haben nicht nur in Europa, sondern weltweit erlaubt (geduldet), dass im Finanzsektor manche Geldinstitutionen so groß wurden, dass eine mögliche Insolvenz dieser Institutionen die Stabilität des gesamten Weltwirtschaftssystems gefährden könnte. Mit dem Wissen dieser Bedeutung des Finanzsektors für die Funktionsweise des gesamten Wirtschaftssystems, waren diese Institutionen sicher, dass die Staaten niemals einen Bankrott solcher Finanzinstitutionen zugelassen hätten. Mit dieser Sicherheit gewährten sie – mehr oder weniger bewusst – unkontrolliert und unverantwortlic
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Die Finanz- und Wirtschaftskrise, Ursachen, Folgen, Perspektiven

          Prof. Dr. Sp. Paraskewopoulos (emeritiert) Ehemaliger Direktor des Instituts für Theoretische Volkswirtschaftslehre und Lehrstuhlinhaber der Professur für Makroökonomik   An der Wielermaar 23 D- 51143 Köln Tel. 02203-85199   Vortrag am 26. 10. 2010 im Seniorenkolleg  Der Universität Leipzig.     Inhaltsübersicht:   1.    Einleitende Bemerkungen 2.   Ursachen der Krise 2.1  Ursachen der ökonomischen Krisen im allgemeinen 2.2  Hauptursachen der heutigen Krise 2.3  Die Chronik der gegenwärtigen Krise     3.    Was könnte noch kommen?   1.  Einleitende Bemerkungen Vor einem Jahr wütete die Finanzkrise, die Angst vor einer Rezession ging um, Politiker und Bürger beschimpfen laut Presse die Finanzmärkte als Monster.   Doch wie ernst ist die Krise wirklich? Wer sind ihre Opfer, wer räumt auf, wer vertuscht? wer profitiert sogar davon? Die Volkswirtschaften der Welt leiden unterschiedlich seit 2008 - teilweise immer noch - an einer Finanz- und Wirtschaftskrise. Im Jahr 2009 war die Entwicklung der Weltwirtschaft durch den Einbruch des internationalen Handels und einen starken Rückgang der Güternachfrage gekennzeichnet. Die Rezession traf neben allen Industrieländern auch aufstrebende Schwellenländer. Besonders exportabhängige Volkswirtschaften wie Deutschland und Japan waren stark betroffen. Mit Hilfe konzertierter Aktionen seitens nationaler Notenbanken und Regierungen konnten die globalen Finanzmärkte teilweise stabilisiert werden. Verstärkte fiskalpolitische Maßnahmen in Form von Konjunkturprogrammen halfen, den Wirtschaftsabschwung im Verlauf des Jahres zu mildern. Dies konnte jedoch nicht verhindern, dass erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs das globale Bruttoinlandsprodukt um 2,3 % sank (siehe Diagram 2).   Veränderungen des BIP 2009 in der Weltwirtschaft   Diese Krise wurde deutlich durch folgende kurz gefasste Ereignisse: (a) Bereits im Verlauf des Jahres 2008 sind in den USA und in England 83 ehemals selbständige Banken verschwunden, teils durch Konkurs, teils durch Fusion mit anderen Banken, teils durch Verstaatlichung. Inzwischen ist die Zahl viel größer geworden (Gutmann). (b) Am 10. Oktober 2008 kam es an den Wertpapierbörsen der Welt zu einem radikalen Kurssturz für Wertpapiere von über 18%. Dadurch wurden rund 20% des in Wertpapiere angelegten Kapitalvermögens vernichtet. Allein bei Bankaktien wurden mehr als 1,5 Billionen $ an Börsenwert vernichtet (Gutmann). (c) Das durchschnittliche reale Wachstum der Weltwirtschaft ist seit 2007 von damals 5,2% erheblich abgestürzt. Fast alle Volkswirtschaften der Welt hatten 2009 negative Wachstumsraten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt die weltweiten Verluste der Finanz- und Wirtschaftskrise auf mehr als vier Billionen Dollar. Davon entfielen ca. 2,7 Billionen $ (ca. 2,0 Billionen €) auf die USA und  ca. 700 Mrd. $ bzw. ca. 500 Mrd. € auf die 27 Europäischen Unionsländer (siehe folgende Tabelle). Und dies nur bis Ende 2009 .  Nach Schätzungen von IWF sei es denkbar, dass die Verluste von 4 Billionen Dollar noch wachsen könnten. Dass diese Entwicklung enorme Konsequenzen für Produktion, Beschäftigung und Einkommen vieler Menschen hat und noch haben wird, ist einleuchtend. (d) Länder wie Griechenland, Island, Irland, Ungarn und die baltischen Staaten haben große Schwierigkeiten ihre Kredite zu bedienen. Dies gilt auch für eine Reihe von weiteren osteuropäischen Staaten. Insofern sind folgende Fragen berechtigt: - Was sind die Ursachen dieser Katastrophe? - Wie ist diese Krise bisher verlaufen? - Wie kann man das erneute Entstehen eines solchen Desasters verhindern?  Mit diesen Fragen werde ich mich im weiteren Verlauf meines Vortrages ein wenig beschäftigen   2.   Ursachen der Krise   2.1  Ursachen der ökonomischen Krisen im allgemeinen   Die Wirtschaftswissenschaftler bezeichnen als Wirtschaftskrise oder Rezession eine  lang anhaltende volkswirtschaftliche Entwicklung, die schrumpfende oder sogar negative Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts aufweist. Bekleidet wird diese Entwicklung von einer hohen Arbeitslosigkeit, die möglicherweise dazu führt, dass breite Schichten der Bevölkerung verarmen. Die Ursachen dieser Wirtschaftskrisen liegen in der Regel, wenn wirtschafts- und sozialpolitisch nicht rechtzeitig und korrigierend eingegriffen wird, in der dynamischen und innovativen Funktionsweise des marktwirtschaftlichen Systems. Das marktwirtschaftliche System schafft in Verbindung mit Privateigentum an den Produktionsmitteln und mit einem starken Wettbewerb auf allen Märkten, permanent neue Produkte, führt neue Organisationsformen und Produktionsmethoden ein, entdeckt neue Rohstoffquellen und verlangt permanent schnelle Anpassung der Wirtschaftsakteure an die neuen Produktionsbedingungen. Diese grundsätzliche Wohlstandserhöhende Funktion des marktwirtschaftlichen und wettbewerblich organisierten Wirtschaftsystems wird  konterkariert (gebremst) von einem anderen gleichzeitig (parallel) laufenden dynamischen und marktwirtschaftlich gelenkten Prozess der Vernichtung der bisher bestehenden alten Wirtschaftsstrukturen. Dies bedeutet, dass die alten Wirtschaftszweige und ihre Arbeitsplätze durch die neugeschaffenen Strukturen mit den neuen Anforderungen an die Arbeitskräfte vom Markt verdrängt werden. Diese marktwirtschaftliche Dynamik, die einerseits permanent mit ihren neuen Strukturen die Volkswirtschaft und die Menschen bereichert, zerstört andererseits zugleich die alten Strukturen, und damit vernichtet sie die bestehenden Existenzmöglichkeiten von zahlreichen Wirtschaftszweigen und letztlich die Arbeitsmöglichkeiten von Menschen. Daher ist es erforderlich, dass der Staat in einer Marktwirtschaft permanent mit adäquaten ordnungspolitischen und prozesspolitischen Anpassungshilfen eingreifen muss. Dies ist deshalb notwendig, um in dieser Übergangszeit von den alten zu den neuen Wirtschaftsstrukturen nicht nur finanzielle Ausgleiche für die Notleidenden zu gewähren, sondern auch, um die Funktionsweise und die Stabilität des marktwirtschaftlichen Systems zu sichern, und um nicht zuletzt seine Akzeptanz bei der Bevölkerung zu gefährden. Die Unterlassung und der zunehmende Abbau dieser Eingriffe des Staates in den letzen fünfundzwanzig Jahren, waren meines Erachtens die Hauptursache, die zu der gegenwärtigen Finanz- bzw. Wirtschaftskrise geführt haben. Ein großer Anteil der Schuld für diese Entwicklung tragen die sogenannten neuliberalen Ökonomen, die mit ihren Marktliberalisierungs- und Marktderegulierungsforderungen, die verantwortlichen Politiker auf diesen ökonomisch und sozial falschen wirtschaftspolitischen Weg gebracht haben. Die dabei entstandene Kontrolllosigkeit des Finanzsektors, der zunehmende Monopolisierungsgrad und nicht zuletzt durch die Vernachlässigung und Nichtanwendung des marktwirtschaftlichen Haftungsprinzips bei den Entscheidungen der Akteure, führten letztlich zu risikoreichen Entscheidungen, die die Finanzkrise herbeibrachten.         Um die Ereignisse der letzten zwei Jahre besser verstehen zu können, muss ich einiges zur Funktionsweise des Finanzsektors einer Volkswirtschaft und insbesondere über die Beschaffenheit des amerikanischen Hypothekenmarktes sagen, die man, wie ich meine, nicht hinreichend als bekannt voraussetzen können und in denen die eigentlichen Ursachen der heutigen Krise versteckt sind.   2.2  Hauptursachen der heutigen Krise Einleitend möchte ich bemerken, dass die von Prof. Gutmann (Ökonom und ehemaliger Rektor der Universität Köln) in einem Vortrag gemachte Bemerkung auch für mich allgemein gültig ist: Es ist nicht allein die immer wieder zitierte "Gier" von Bank-Managern schuld an der Krise. Diese "Gier" kann sich nur dann austoben und gefährlich werden, wenn die äußeren Rahmenbedingungen, unter denen Bank-Manager operieren dies überhaupt zulassen. Es ist auch zu bedenken, dass hinter dem hohen Gewinnstreben der Banken auch die hohen Gewinnerwartungen aller derjenigen stehen, die die Banken über den Kapitalmarkt mit Geldkapital versorgen. Diese sind, um die wichtigsten zu nennen: - Versicherungen, - Investmentfonds, - Pensionsfonds. Hinter diesen institutionellen Anlegern stehen die Zins- und Gewinninteressen derjenigen, die bei diesen Instituten Kunden sind, also die Interessen - der Versicherten, die an möglichst niedrigen Versicherungsprämien interessiert sind, - der Sparer, die hohe Zinsen bzw. hohe Renditen erwarten und - der Rentner, die hohe Renten aus ihren Einzahlungen in die Pensionsfonds erhoffen.  Mit anderen Worten: Hinter den Gewinninteressen der Banker stehen letztlich mehr oder weniger auch unsere Interessen. Und nun konkret zu den Ursachen der Krise: Es stellte sich heraus, dass es sich nicht um nur eine Ursache handelt, sondern um ein Ursachenbündel. Und erst das Zusammenwirken der verschiedenen Einzelursachen hat die Katastrophe bewirkt. Einige dieser Einzelursachen möchte ich im Zusammenhang mit der Funktionsweise des Banksektors ansprechen und kurz erläutern. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die Geschäftsbanken zunächst als Vermittler zwischen Gläubigern und Kreditnehmern auftreten. Diese Aufgabe können sie nur dann erfüllen, wenn sie Zentralbankgeld besitzen und damit Buchgeld (Giralgeld) produzieren. Zentralbankgeld besteht in der Form von Banknoten (einschließlich Münzen) sowie in der Form von Guthaben (Buchgeld) auf Konten, welche bei der Zentralbank gehalten werden. Solche Konteninhaber bei der Deutschen Bundesbank sind: Geschäftsbanken, die öffentliche Hand (also der Bund, die Länder und die Gemeinden) sowie karitative Einrichtungen. Dieses Primärgeld kann und darf ausschließlich die Zentralbank eines Landes schaffen und in Umlauf setzen. Eine zweite Art von Geld ist das Buchgeld (Giralgeld), welches Bankkunden auf ihren Konten bei den Geschäftsbanken haben und – wie erwähnt - durch die Geschäftsbanken selbst geschaffen wird. Dieser Geldschöpfungsprozess der Geschäftsbanken findet statt, erstens durch Bareinzahlungen des Publikums auf deren Bankkonten (Passivgeschäft der Geschäftsbanken), zweitens durch die Gewährung eines Kredits der Geschäftsbanken auf die Bankkonten ihrer Kunden (Aktivgeschäft der Geschäftsbanken) und drittens beim Ankauf von Devisen durch die Geschäftsbanken, deren Gegenwert auf den Bankkonten der Einzahler gebucht wird. Damit die Geschäftsbanken in der Lage sind, ihre Bankgeschäfte durchzuführen, müssen sie jederzeit ausreichend über Zentralbankgeld verfügen. Dies ist aber Geld, das sie selbst nicht schaffen können. Die Hauptgründe für die Liquiditätsnotwendigkeit der Geschäftsbanken sind mindest drei: (a) Die Geschäftsbanken müssen damit rechnen, dass ihre Kunden das auf ihren Konten existierende Giralgeld abheben, also in Zentralbankgeld umwandeln wollen. (b) Die Geschäftsbanken müssen damit rechnen, dass ihre Kunden ihr Geld an Kunden anderen Banken überweisen und (c) die Geschäftsbanken müssen – aus geldpolitischen Gründen – einen bestimmten Prozentsatz ihrer Einlagen als Mindestbetrag an Zentralbankgeld verfügbar und auf ihren Konten bei der Zentralbank  haben.   Ist eine Geschäftsbank zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht ausreichend liquid, dann gibt es für sie grundsätzlich zwei Wege, sich Zentralbankgeld zu verschaffen: Entweder sie nimmt bei der Zentralbank für befristete Zeit einen Kredit auf  - vorausgesetzt die Zentralbank ist hierzu bereit -  oder sie nimmt für eine bestimmte Frist (einen Tag, eine Woche, drei Monate) einen zu verzinsenden Kredit in Zentralbankgeld am sogenannten Geldmarkt auf, an welchem andere liquide Geschäftsbanken gerne solche Beträge an Zentralbankgeld zur Verfügung stellen. In "normalen" Zeiten kennen sich die Banken untereinander gut genug, so dass sie sicher sein können, dass die aufgenommenen Kredite fristgerecht zurück gezahlt werden. Es besteht also normalerweise zwischen den Banken gegenseitiges Vertrauen. Wird dieses Vertrauen – aus welchen Gründen auch immer – gestört und dies war 2008 der Fall, dann können die Geschäftsbanken ihre Aufgaben im Zahlungsverkehr und in der Kreditgewährung nicht mehr voll oder gar nicht mehr erfüllen, was dann den Zahlungsverkehr zum Erliegen bringen kann. Dank des schnellen Handelns der Zentralbanken konnte dies in der gegenwärtigen Krise weitgehend verhindert werden. Die bisherige Beschreibung der Funktionsweise des Bankensystems ist etwas, was Sie alle mehr oder weniger kennen und seit seiner Einführung nach der Finanz- und Wirtschaftskrise der 30ger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, ohne nennenswerte Störungen gut funktioniert hat. Die Entstehung von Problemen, die zunächst bewusst oder unbewusst nicht bemerkt wurden, begann, als manche „kluge“ Ökonomen feststellten, dass man mit solchen Bankgeschäften nicht viel Geld verdienen kann. Dies deshalb, weil das beschriebene System zu viel Staatsregulierungen mit personalaufwendigen Bonitätsprüfungen und vielerlei kostspieligen bürokratischen Eingriffen und Hemmnissen hat.             Deshalb sind viele Banken dazu übergegangen, zusätzlich eine andere und lukrative Art des Bankgeschäfts zu betreiben, nämlich das sogenannte „Investment-Geschäft“. Diese Geschäftstätigkeit liegt im Wesentlichen: (a) auf der Verwaltung von Kundenvermögen, (b) auf der Unterstützung von Unternehmungen bei der Beschaffung von Kapital auf unterschiedlichen Finanzierungswegen und (c) auf dem Handel mit Wertpapieren, Derivaten und Devisen. Im angelsächsischen Raum kennt man spezielle Investment-Banken, die praktisch nur derartige Geschäfte betreiben. Seit einem Gesetz von 1933 – nach der damaligen Finanzkrise war in den USA, wie wir heute wissen, aus guten Gründen, eine strenge Trennung zwischen Geschäftsbanken und Investment-Banken gesetzlich vorgeschrieben. Erst 1999 wurde leider diese Trennung wieder aufgehoben. Der Handel einer Bank mit Wertpapieren, Devisen und Finanzderivaten, den diese im Investment-Geschäft betreibt, kann prinzipiell in zweierlei Arten erfolgen: (a) Entweder er geschieht im Auftrag, auf Rechnung und auf Risiko eines Kunden. Das ist für die Bank relativ gefahrlos, oder (b) er geschieht im eigenen Namen, also auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko der Bank selbst. Und das kann für die Bank sehr lukrativ aber auch sehr verlustreich werden. Die Investment – Banken bevorzugen allerdings die zweite Art des Handels, weil sie damit viel Geld verdienen können. Dabei versuchen diese Banken zu prognostizieren, welche Wertpapiere die Kunden demnächst kaufen werden. Die Banken kaufen dann an der Börse vorab jene Papiere, die sie ihrer Kundschaft später zu einem höheren Kurs verkaufen können. Mit solchen Investment-Geschäften lässt sich sehr viel mehr Geld verdienen als mit dem Einlagen- und Kreditgeschäft, vorausgesetzt, dass die Spekulationen aufgehen. Diese Art von Geschäftstätigkeit erfordert allerdings ein hohes Maß an Information über die Abläufe solcher Geschäfte. Diejenigen Manager, die innerhalb einer Bank solche Geschäfte betreiben, sind hoch spezialisierte Fachkräfte, die von den Banken sehr begehrt und entsprechend hoch bezahlt werden. So sind die hohen Bonus-Zahlungen zu verstehen, die uns oft so erstaunen oder ärgern. Diese Bonuszahlungen erfolgen allerdings ohne Rücksicht darauf, dass die Geschäfte wirklich erfolgreich sind. Gehen diese Bankangestellten zu hohe Risiken ein und machen statt Gewinne Verluste, dann haften sie dafür nicht persönlich. Risikoträger ist die Bank. Der Eigenhandel mit Wertpapieren kann daher für eine Bank eine sehr riskante Sache sein. Und genau dies ist in der gegenwärtigen Finanzkrise eingetreten. Zu den Finanzinstituten zählen auch die so genannten Investment-Gesellschaften, die jeweils einen oder mehrere Investmentfonds auflegen. Es handelt sich dabei um Kapitalanlagegesellschaften, die Geldbeträge von Kapitalanlegern einsammeln und diese dann in unterschiedliche Anlagebereiche investieren, beispielsweise in Wertpapiere oder in Immobilien. Mit dem Kauf eines Investmentfondsanteils wird der Anleger Miteigentümer am Gesamtvermögen des Fonds und hat Anspruch auf Gewinnbeteiligung und zugleich das Recht, seinen Anteil jederzeit an den Fonds zurück zu verkaufen. Die Qualität der Fondsanteile hängt davon ab, welche Qualität die Objekte haben, in welche der Fonds das Geld investiert. Stellt sich heraus, dass diese Objekte minderwertig waren oder es mit der Zeit werden, dann sind die Käufer der Fondsanteile die Verlustträger -wie inzwischen viele Kunden von Fonds erfahren haben. Eine weitere Art von Finanzinstituten sind die Hedgefonds, die einen besonderen Typ von Investmentgesellschaften darstellen. Sie betreiben höchst spekulative Geschäfte unterschiedlicher Art und arbeiten mit unterschiedlichen Strategien und Techniken. Sie werben damit, dass sie in der Lage sind sowohl bei steigenden als auch bei fallenden Preisen der Spekulationsobjekte (Immobilien, Wertpapiere, Devisen etc.) Gewinne zu erzielen. Sie arbeiten mit Anlageformen wie - Finanzderivate - Leerverkäufe von Wertpapieren oder - Arbitragegeschäfte. Soweit es sich bei den Spekulationsobjekten um Wertpapiere handelt, wird auf das Steigen oder auf das Fallen von Wertpapierkursen spekuliert. Mit den genannten Finanzderivaten meint man Finanztitel, die auf andere Finanztitel zurückzuführen sind. Mit anderen Worten: es sind Finanztitel, die von einem sogenannten Basiswert (dem Wert einer Aktie, einer Anleihe oder einer Devise) abgeleitet sind, und die in der Form von handelbaren Verträgen zwischen einem Käufer und einem Verkäufer dieses Titels existieren. Es gehören dazu; - Optionen, - Futures, - Differenzkontrakte. - Zertifikate, - Credit Default Swaps. Vor allem die letzteren haben in der Krise eine große Rolle gespielt. Ein weiterer Typus solcher Investmentfonds sind die "privat equity fonds", die sich an Unternehmungen beteiligen welche nicht börsennotiert sind. Diese Auflistung der verschiedenen Arten von Finanzinstituten ist nicht so zu verstehen, als ob es sich dabei immer um Institute handelt, die nichts miteinander zu tun haben. Im Gegenteil: sehr oft liegen hier Verschachtelungen vor, denn viele Banken betreiben unter ihrem globalen Firmendach auch Investment- Gesellschaften, Hedgefonds oder privat equity-Fonds oder sind an solchen beteiligt. Kommen diese Institute in Schieflage, dann werden die Banken hiervon negativ betroffen. Ein Credit Default Swaps (CDS) ist eine Vertrag zwischen einem Gläubiger A (Investor), der einem Schuldner B einen Kredit gegeben hat und einem Versicherer C z.B. ein Hedgefonds, der als Versicherungsunternehmen agiert. Dieser Vertrag beinhaltet, dass der Versicherer C dem Gläubiger A dann eine Ausgleichzahlung leistet, wenn ein sogenanntes Kreditereignis eintritt, d.h. der Schuldner B wird zahlungsunfähig. Dafür leistet der Gläubiger A dem Versicherer C eine laufende Gebühr (Versicherungsprämie). Diese Versicherungsverträge kann man auch dann abschließen, wenn man dem Schuldner B in Wirklichkeit gar keinen Kredit gewährt hat, sondern man lediglich der Meinung ist, er wird demnächst zahlungsunfähig. Man wettet also auf die mögliche Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners. Solche Versicherungsverträge können auch außerbörslich angeboten und nachgefragt werden. Ähnlich strukturiert sind die so genannten Leerverkäufe. Bei einem Leerverkauf will ein Finanzinstitut (z.B. ein Hedgefonds) heute Aktien verkaufen, die es gar nicht besitzt. Dabei gibt es zwei Varianten: - den gedeckten Leerverkauf und - den nicht gedeckten Leerverkauf. Ein gedeckter Leerverkauf spielt sich z.B. wie folgt ab: Ein Hedgefonds erwartet, dass der Börsenkurs der Aktie einer Firma A innerhalb der nächsten drei Tage von bisher 100 € pro Stück auf 90 € pro Stück absinken wird. Deshalb möchte der Fonds heute 1000 Stück dieser Aktie zum Gesamtpreis von 100 000 € verkaufen. Da der Fonds aber diese Aktie gar nicht besitzt, wendet er sich an einen Broker oder einen Großinvestor und leiht sich von diesem 1000 Stück der Aktie für drei Tage. Hierfür bezahlt er eine Leihgebühr. Diese ausgeliehenen Stücke verkauft er nun zum aktuellen Kurs und erlöst 100 000 €. Drei Tage später kauft er an der Börse 1000 Stück dieser Aktie zum Kurs von 90 € und bezahlt insgesamt 90 000 €. Diese 1000 Stück Aktien gibt er dem Verleiher zurück und macht einen Brutto-Gewinn von l0 000 €, von welchem die Leihgebühr abzuziehen ist, um den Netto-Gewinn festzustellen. Allerdings ist dieses Geschäft für den Hedgefonds riskant. Denn wenn der Kurs der Aktie nicht - wie spekuliert - sinkt, sondern ansteigt, dann entsteht ein Verlust. Bei einem nicht gedeckten Leerverkauf verkauft der Hedgefonds die 1000 Stück Aktien, die er gar nicht besitzt, zum aktuellen Kurs von 100 € pro Stück und verpflichtet sich gegenüber dem Käufer, die 1000 Stücke nach drei Tagen zu liefern. Am dritten Tag kauft er die 1000 Stück Aktien zu 90 € pro Stück und liefert sie dem Käufer aus. Er hat 10 000 € Gewinn gemacht. Fallen in drei Tage die Aktien nicht, dann macht der  Hedgefonds Verluste. Riesige Spekulationen dieser Art, die nichts anderes sind als Kasinos, haben wesentliches zu der Entstehung und Verschärfung der Krise beigetragen.     2.3   Die Chronik der gegenwärtigen Krise     Die gegenwärtige Finanzkrise, die zunächst im Jahre 2008, hauptsächlich in den USA, sichtbar und spürbar gewordene ist, erreichte langsam durch den Einbruch des Welthandels die ganze Welt (siehe Tabelle 4). Sie begann 2007 mit einer Immobilienkrise in den USA, die zu einer Gefährdung einiger Banken nicht nur in den USA, sondern auch in Großbritannien und in Deutschland führte. Es folgten im Jahre 2008 der Einbruch der ersten Banken und ein starker Fall der Aktienkurse weltweit. Im Jahr 2009 brach der Welthandel nach Angaben der WTO um ganze 12 % ein, so stark wie seit 1945 nicht mehr. In Japan fielen die Exporte im Februar 2009 um 50%, und für den Vizeexportweltmeister Deutschland schrumpfte im Jahr 2009 der Außenhandel von über 15%.   Das BIP Deutschlands erfuhr im Jahr 2009 einen Rückgang von ca. 5%. In absoluten Zahlen bedeutet dies ca. 123 Mrd. € weniger als im Jahre 2008. Um diese Entwicklung einzudämmen, wurden Gegenmaßnahmen mit den ersten Rettungs- und Konjunkturpakete in Milliarden € beschlossen. Dennoch machte sich zunächst auch in Deutschland die Rezession insbesondere in der Automobilbranche bemerkbar. In den Monaten April und Mai 2009 begann eine dramatische Krise der Autoindustrie auch in den USA. Von den drei großen Automobilkonzernen mussten Chrysler und General Motors trotz massiver Subventionen durch die US-Regierung Insolvenz anmelden. Nur Ford konnte noch ohne Staatsgelder Widerstand gegen die Krise leisten. Auch der sonst gut florierende deutsche Maschinenbau mit ca. 900.000 Beschäftigten spürte massiv die Krise. Im April des Jahres 2009 registrierte der deutsche Branchenverband für Maschinen- und Anlagenbau einen Rückgang der Auftragseingänge von 58 % gegenüber dem Vorjahresmonat. Der Verband rechnete für das ganze Jahr 2009 einen gesamten Rückgang von 10% bis 20%. Tatsächlich wurden es ca.15%. Dies war der stärkste Rückgang bei den Auftragseingängen in der Geschichte des Verbands. Auch die Umsätze sind um 19% zurückgegangen.     3.  Was könnte noch kommen?   Im schlimmsten Fall besteht bei einer Weltwirtschaftskrise, die außer Kontrolle gerät, die Gefahr der Massenentlassungen, der Deflation, möglicherweise auch der Inflation, der Depression und der massiven weltweit verbreiteten Armut. Die weiteren Folgen davon könnten zu einer massiven Umverteilung von Einkommen und Vermögen sowie der Wirtschaftsmacht zu ungunsten der ärmeren Schichten der Bevölkerung führen. Soziale Spannungen könnten entstehen. Im günstigsten Fall, was langsam zurzeit sichtbar wird, erholt sich – wegen der bereits anlaufenden massiven strukturellen und konjunkturellen Eingriffe der Staaten - die Weltwirtschaft relativ schnell, und ein extremer dramatischer Verlauf mit überdurchschnittlichen Entlassungen und mit verbreiteter Armut blieb aus. Dieser günstigste Fall, der zumindest für Deutschland Realität zu sein scheint,  wird allerdings dauerhaft werden, wenn neben den vorübergehenden massiven direkten Eingriffen der Staaten im Wirtschaftsprozess, auch eine Koordination der nationalen Kontrollinstanzen des Finanzsektors durch internationale Regulierungs- und Kontrollinstanzen sowie eine diesbezüglich schnelle internationale Einigung über eine für alle verbindliche Umsetzung zustande käme. Dadurch würde wieder Vertrauen in den nationalen und internationalen Finanzmärkten einkehren. Leider scheint die schnelle Einigung und die Umsetzung dieser Maßnahmen zurzeit das Problem zu sein. Die letzten Beschlüssen diesbezüglich in der Europäischen Union gehen in die richtige Richtung. Die unverantwortlichen Verzögerungstaktiken vieler Politiker, insbesondere der Britten, geben allerdings Anlass zur Sorge. Deshalb möchte ich mit einem Zitat von Einstein schließen, der das Verhalten der Menschen in diesem Zusammenhang treffend andeutete. Einstein soll gesagt haben: „Zwei Dinge sind in dieser Welt unendlich, das Weltall und die Dummheit der Menschen, nur bei dem Ersten bin ich allerdings nicht ganz sicher“. Eine Unsicherheit auch für das Zweite wäre für die Menschheit wünschenswert.     Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.  
Spiridon Paraskewopoulos @ Köln
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„Die aktuelle Wirtschaftssituation Griechenlands – Entwicklungsperspektiven“

Prof. Dr. Sp. Paraskewopoulos (Emeritus)   Bis 2007 Lehrstuhlinhaber (Professur) für Makroökonomik und Direktor des Instituts für Theoretische Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig                           Vortrag in Leverkusen, Sonntag, 03.10.2010                                                  Veranstalter             Europa-Union Leverkusen, Volkshochschule Leverkusen,                           Griechische Gemeinde Leverkusen                                                         Ort: Griechische Gemeinde                                         Kaisers tr. 16                                         51373 Leverkusen                                               Thema    „Die aktuelle Wirtschaftssituation Griechenlands – Entwicklungsperspektiven“     Inhalt: 1.      Die gegenwärtigen Wirtschaftsdaten Griechenlands 1.1    Einleitende Bemerkungen    1.2   Einige makroökonomische Daten, die Entwicklung der Staatsverschuldung                 2.     Auswertung der Wirtschaftsdaten 2.1  Kritische Würdigung der bisherigen Wirtschaftspolitik  2.2   Gibt es einen Ausweg aus der Schuldenkrise?   3.     Lösungsmöglichkeiten und Schlussbemerkungen     1.     Die gegenwärtigen Wirtschaftsdaten Griechenlands   1.1    Einleitende Bemerkungen      Seit mehreren Monaten ist Griechenland in aller Munde. Nachrichten über seine Wirtschafts- und Finanzprobleme beherrschen die Schlagzeilen in den Medien. Abfällige Bemerkungen und Spott über die Griechen und über ihre, gegenüber der Europäischen Gemeinschaft, betrügerische Verhaltensmentalität sind unüberhörbar. Die Spötter haben aber ein Problem. Griechenland ist zusammen mit weiteren 15 Europäischen Staaten Mitglied der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Und wenn Griechenland krank ist, besteht möglicherweise Ansteckungsgefahr auch für die anderen. Deshalb könnte das Problem Griechenlands ein Problem für alle Euroländer und insbesondere für die gemeinsame Währung werden. Die Frage ist allerdings, ob eine solche Gefahr ernst zu nehmen ist. Kann wirklich das Wirtschaftsgewicht Griechenlands die weitere Entwicklung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion signifikant beeinflussen? Diese Frage ist nicht unmittelbar Gegenstand meines Vortrages. Deshalb werde ich darauf nur kurz eingehen. Das Wirtschaftsgewicht Griechenlands innerhalb der Länder der Währungsunion ist ca. 2,65%. Mit anderen Worten das BIP Griechenlands macht 2,65% des BIP der Eurozone. Daher können von der Seite her keine nennenswerten Gefahren für den Euro entstehen. Außerdem wäre dies nur der Fall, wenn die griechischen Kredite über die Europäische Zentralbank finanziert würden. Der Maastricht Vertrag verbietet eine solche Finanzierung von Staatskrediten. Gefahren könnten nur von Spekulationen entstehen, die psychologische negative Prozesse gegen die Währung einleiten und durchsetzen könnten.     1.2   Einige makroökonomische Daten, die Entwicklung der Staatsverschuldung         Griechenland mit ca.132 Tausend qm2 Fläche,  mit ca. 11 Millionen Einwohner, mit  331 Mrd. $ BIP und mit ca. 30 Tausend $ BIP pro Einwohner, liegt rangmäßig bei diesen Daten zwischen der 10. und 14. Position bei den 27 Ländern der Europäischen Union. Damit steht Griechenland bei fast allen diesen genannten Wirtschaftsdaten besser da, als mehr als die Hälfte der Europäischen Unionsländer (siehe Tabelle).     Insofern ist Griechenland nicht arm. Im Gegenteil sogar, Griechenland mit seiner jährlichen Wirtschaftsleistung von 331 Mrd. $, erreicht nach Berechnungen des IWF die 28. Position von den 182 Ländern in der Uno. Damit gehört Griechenland zu dem Club der 30 reichsten Länder der Welt. Diese eigentlich sehr positive Daten, werden möglicherweise viele von Ihnen überraschen, und Sie eventuell zu folgender berechtigten Frage veranlassen: Kann ein so reiches Land kurz vor dem Staatsbankrot stehen, wie fast täglich die Medien berichten? Leider muss ich diese Frage mit einem eindeutigen Ja beantworten. Die positiven Leistungsdaten der griechischen Volkswirtschaft werden parallel von anderen negativen Daten überschattet. Hier, dies muss ich vorweg sagen, liegt für dieses Desaster  eindeutig ein langjähriges Politikversagen vor. Dieses Versagen hat dazu geführt, dass gegenwärtig Griechenland kurz vor der Zahlungsunfähigkeit steht.  Das größte griechische Problem, dessen Ausmaß Ende 2009 sowohl den Griechen als auch ihren Gläubigern sichtbar wurde, ist die extreme Zunahme der griechischen privaten und öffentlichen Auslandsschulden. Das Politikversagen betrifft insbesondere die öffentlichen (staatlichen) Schulden. Das folgende Diagramm zeigt sehr klar das Versagen fast aller griechischen Regierungen nach dem Zusammenbruch der Militärdiktatur im Jahre 1974 bis heute.  Als der Karamanlis Senior 1974 die Regierung übernahm, lag die griechische Staatsverschuldung bei ca. 22% des BIP. Sieben Jahre danach 1981, als seine Partei die ND die Wahlen verloren hat und Andreas Papandreou von PASOK Regierungschef wurde, lag die Staatsverschuldung bei ca. 27% (+5%) des BIP. Als die erste Regierungsepoche von Papandreou 1990 zu Ende ging, lag die Staatsverschuldung bereits bei 77% (+50%) des BIP. Auch Mitsotakis, der Nachfolger von Papandreou, übergab 1993 nach drei Jahren Regierungszeit (nach verlorenen Wahlen) erneut die Regierung an Andreas Papandreou und übergab zugleich eine Staatsverschuldung von ca. 105% (+28%). Auch die zweite Epoche der Regierung Papandreou erhöhte die Staatsverschuldung bis 1998 auf ca. 114% (+9%). Erst mit der Regierung Simitis ab 1998, beginnt eine leichte Abnahme der Verschuldungsquote und erreichte 2004 ca. 98% (-6%).       Ab dann - mit der Regierung Karamanlis Junior - beginnt eine rapide Zunahme der Schuldenquote und erreichte 2009 einen Schuldenstand von ca. 120% (+22%) des BIP. Auch die privaten Auslandsschulden expandierten in den letzten 10 Jahren, so dass auch damit eine explosive Erhöhung der gesamten griechischen Auslandschulden stattfand. Obwohl seit der Einführung des Euro (2001) die durchschnittlichen jährlichen griechischen Realexporte um 4,8% und die Realimporte um 4,0% wuchsen, vergrößerte sich dennoch das Leistungsbilanzdefizit, wegen der viel größeren absoluten Größe der Importwerte. So erreichte im Jahre 2008 das Leistungsbilanzdefizit der griechischen Wirtschaft 26,9 Milliarden €, da die Importe von Waren und Dienstleistungen 80,8 Milliarden € und die Exporte 53,9 Milliarden € betrugen. Exkurs: Die Leistungsbilanz spiegelt die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft wider. Sie umfasst sämtliche finanzielle Transaktionen, die zwischen dem In- und Ausland stattfinden und setzt sich aus mehreren Unterbilanzen zusammen: (a)                           die Handelsbilanz,  die Warenexporte und Wareimporte umfasst; (b)                           die Dienstleistungsbilanz, die Dienstleistungen wie Reiseverkehr, Transport und Versicherungen enthält; (c)                           die Bilanz des Erwerbs- und Vermögenseinkommen vom und ins Ausland; sowie (d)                            die Übertragungsbilanz, die Überweisungen ausländischer Arbeitnehmer in die Heimat oder Zahlungen an internationalen Organisationen enthält.  Da die Handels- und Dienstleistungsbilanz meist den größten Posten der Leistungsbilanz ausmacht, bedeutet ein Leistungsbilanzdefizit, dass eine Volkswirtschaft mehr Waren und Dienstleistungen importiert als exportiert. Oder, dass die Menschen in dieser Volkswirtschaft mehr konsumieren und investieren, als sie selbst erwirtschaften. Somit führt ein Dauerüberschuss der Leistungsbilanz meist zu einer Aufwertung, ein Dauerdefizit  zu einer Abwertung der Währung. Wegen der Gemeinschaftswährung findet in Griechenland ein solcher Auf- bzw. Abwertungsprozess nicht statt. (Exkurs Ende). Die Entwicklung der griechischen Außenwirtschaft hat auch dazu geführt, dass am Ende des Jahres 2008 die gesamten griechischen Auslandsschulden die Größe von  362,6 Milliarden € oder 149% des griechischen BIP (243,4 Mrd. €) erreichten (siehe Diagramm). Davon waren 135,3 Mrd. € private und 227,3 Mrd. € öffentliche Auslandsschulden. Eine Beschleunigung erfuhr diese Entwicklung auch im Jahre 2009. Am Ende dieses Jahres (2009) erreichte die griechische Auslandsverschuldung die 408,6 Mrd. € (268,6/ 140,0) oder 166,8% des BIP. Dies bedeutet, dass innerhalb eines Jahres die Auslandsschulden um 46,1 Mrd. € wuchsen (30,0 Mrd. € öffentlich und 16,1Mrd. € privat). Auch im Jahre 2010 geht die Verschuldung weiter, bereits Ende März erreichte sie die 413,6 Mrd. €, d.h. ca. 179% des BIP. Allein die öffentliche Auslandsverschuldung betrug Ende Juni 317 Mrd. € und wird nach Berechnungen des Finanzministeriums am Ende des Jahres 2010 mehr als 330 Mrd. € oder 142,5% des BIP betragen. Die gesamte Auslandsverschuldung dürfte dann bei 204% des BIP liegen (472,4 Mrd. €) (siehe Diagramm). Die Folge dieser Entwicklung ist, dass dadurch das Wirtschaftswachstum der griechischen Volkswirtschaft enorm gebremst wird, da allein die jährliche Zinslast über 15 Mrd. € bereits beträgt. Um diese Last zu begleichen, wäre eine Wachstumsrate des griechischen BIP von mehr als 6% erforderlich, was mir zurzeit utopisch erscheint.           2.     Auswertung der Wirtschaftsdaten   2.1  Kritische Würdigung der bisherige Wirtschaftspolitik    Die übertriebene hohe Auslandsverschuldung Griechenlands ist zunächst ein starker Hinweis und eine Alarmglocke, die besagen, dass, wenn die bisher betriebene Wirtschaftspolitik Griechenlands auf die gleiche Weise weiter geführt wird, die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands unvermeintlich sein wird.   Daher möchte ich im Folgenden einiges zu dieser Wirtschaftspolitik sagen und sie kritisch beleuchten. Allerdings werde ich bei meinen Bemerkungen weder zu den Fehlfunktionen des griechischen Staates, noch zu den staatlichen Verschwendungen von Steuermitteln, noch zu dem hohen Korruptionsgrad, die zweifelsohne sehr viel zu der heutigen negativen Entwicklung beigetragen haben, sagen. Dies wäre ein Thema für einen anderen Vortrag. Heute werde ich mich bei meiner kritischen Würdigung auf reine ökonomische Sachverhalte und speziell auf die mageren (ärmlichen) außenwirtschaftlichen Aktivitäten Griechenlands beschränken.  Man muss nicht unbedingt Ökonom sein, um zu wissen, dass zu der wirtschaftlichen Wachstumsentwicklung eines Landes nicht nur die Konsum- und Investitionsausgaben, sondern auch und vor allem die außenwirtschaftlichen Aktivitäten einer Volkswirtschaft wesentliches dazu beitragen. Die Summe der Exporte und der Importe im Verhältnis zu BIP ist die Indexzahl, die den Grad der außenwirtschaftlichen Orientierung eines Landes angibt. Mit anderen Worten, diese Indexzahl zeigt den Grad der Verflochtenheit dieser Volkswirtschaft mit der übrigen Welt. Vergleicht man die außenwirtschaftliche Indexzahl Griechenlands mit der durchschnittlichen Indexzahl der Eurozone Staaten, dann wird man feststellen, dass die griechische Indexzahl sowohl im Niveau als auch in der Entwicklung hinterherhinkt.   Die durchschnittliche Indexzahl der Eurozone stieg von 67% im Jahre 1999 auf 79,1% im Jahre 2008. Die griechische Indexzahl dagegen entwickelte sich in derselben Periode von 57,0% auf 58,1%. Diese Zahlen zeigen eindeutig, dass in den meisten Eurozone Staaten - im Gegensatz zu Griechenland - ihre Exporte ständig ihre Importe übertreffen. Die sehr niedrige außenwirtschaftliche Orientierung der griechischen Wirtschaft ist das Ergebnis einer niedrigen Produktivität und dem zufolge ist entsprechend niedrig die Wettbewerbsfähigkeit.       Die ökonomische Theorie wie auch die Praxis lehren uns, dass wenn die Produktivität einer Volkswirtschaft hoch ist, dann ist diese Volkswirtschaft wettbewerbsfähig und die Indexzahl der Außenwirtschaft hoch.  Dies wird statistisch durch den Überschuss der Leistungsbilanz sichtbar. In den letzten 10 Jahren haben die Waren- und Dienstleistungsexporte der griechischen Wirtschaft nur 30,8% zum Wachstum des realen BIP beigetragen. Im Gegensatz dazu haben die Staaten der Eurozone einen Prozentsatz von 87,5 erreicht.   In diesem Zusammenhang möchte ich auf etwas hinweisen, welches meines Erachtens sehr viel zu der wirtschaftlichen Wachstumsentwicklung eines Landes beiträgt. Wenn die Exporte eines Landes anhaltend die Importe übertreffen, dann hat diese Entwicklung eine langfristige positive und sogar multiplikative Wirkung auf das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung dieses Landes. Ein solches Ergebnis wird erreicht, weil der Produktionsprozess dieses Landes in diejenigen Sektoren gelenkt wird, in welchen dieses Land absolute und vor allem relative Kostenvorteile hat. Dadurch werden die Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und die technologischen Mittel mittelfristig und langfristig in die produktivsten Möglichkeiten dieser Volkswirtschaft gelenkt. Somit werden in diesem Lande hohe wirtschaftliche Wachstumsraten erreicht. Übertreffen dagegen permanent die Importe, wie in Griechenland, die Exporte, dann hat dies eine aufschiebende und negative multiplikative Auswirkung auf die wirtschaftliche Wachstumsentwicklung. Die wirtschaftspolitische Situation Griechenlands heute, bestätigt sehr ausdrucksvoll diese Schlussfolgerungen.      2.2   Gibt es einen Ausweg aus der Schuldenkrise?   Mit einer solchen Auslandsverschuldung ist die Wahrscheinlichkeit, dass Griechenland aus eigener Kraft heraus kommt, sehr gering. Dies haben die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfond (IWF) auch erkannt, und ungern beschlossen sie in den nächsten 3 Jahren einen relativ günstigen Kredit in Höhe von 110 Mrd. € Griechenland zu gewähren (80 Mrd. € die Eurozone und 30 Mrd. € der IWF). Die Kredite werden allerdings nur dann fließen, wenn Griechenland radikale Konsolidierungsmaßnahmen, die allerdings sehr streng von den Geldgebern kontrolliert werden, beschließen und umsetzen wird.      So haben die Regierung in Athen mit dem IWF und der EU-Kommission ein Konsolidierungsprogramm vereinbart, das das Budgetdefizit von 13,6 Prozent im Jahr 2009 auf unter drei Prozent im Jahr 2014 senken soll. Rund zwei Drittel dieser Konsolidierung sollen bereits im laufenden Jahr (2010) geschehen, so dass das öffentliche Budgetdefizit in einem einzigen Jahr um knapp sechs Prozentpunkte des BIP sinken soll. Das IWF-Programm beruht allerdings auf der Annahme, dass das griechische BIP in diesem Jahr real um weniger als 4% und 2011 um 2,6% sinkt. Schätzungen gehen allerdings davon aus -  und die gegenwärtige Entwicklung scheint es zu bestätigen - dass Griechenlands Wirtschaft in diesem und im kommenden Jahr kumuliert um über zehn Prozent sinkt. Sollte dies eintreten, dann steigen die Defizitquoten mehr als erwartet und erfordern weitere Konsolidierungsmaßnahmen, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Insgesamt umfasst das IWF-Paket Einsparungen, d.h. Ausgaben Kürzungen und Einnahmenerhöhungen in Höhe von 14,5% des BIP bzw. mehr als 34 Mrd. €. In der Tat ist das Konsolidierungsprogramm der griechischen Regierung so radikal, dass sich die meisten Ökonomen mit Erfolgsprognosen zurückhalten. Eine derartige Konsolidierung hat meines Wissens bisher noch keine Volkswirtschaft in der Welt unternommen. Außerdem gibt es historisch kein Beispiel dafür, wie Konsumenten auf eine derartige Belastung reagieren. Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) gehen davon aus, dass Griechenland bei Einhaltung dieses Konsolidierungsprogramms erst 2017 wieder die Wirtschaftsleistung von 2008 erreichen wird. Wie lange dieser Tiefstand der griechischen Wirtschaft tatsächlich andauern wird, hängt allerdings stark vom inländischen Konsum ab. Die Konsumentengruppen werden aber mehrfach von den Konsolidierungsmaßnahmen negativ betroffen wie: Kürzungen der Gehälter im öffentlichen Sektor, Kürzungen der Renten, Erhöhung der Mehrwertsteuer und anderen Steuern, die eine Erhöhung der Inflationsraten bewirken und bereits mehr als 5,5% betragen. All dies wird den Konsum erheblich reduzieren. Auch die Löhne in der Privatwirtschaft werden sinken, und bei der erwarteten Zunahme der Arbeitslosigkeit, auch die gesamte Lohnsumme, die zusätzlich den Konsum reduzieren wird. Wie stark die Konsolidierungspolitik die Wirtschaftsleistung Griechenlands beeinflusst, hängt entscheidend vom sogenannten fiskalischen Multiplikator ab. Dieser gibt an, wie stark die Wirtschaft reagiert, wenn die Staatsausgaben steigen oder fallen. Griechenland weist unter allen Ländern Europas den höchsten Multiplikator auf, weil es so wenig exportiert und auch so wenig spart. Die Warenexporte machen nur rund acht Prozent des BIP aus. Damit besteht kurzfristig, wie ich kurz erläutern werde, wenig Aussicht auf größere Nachfrageimpulse vom Export. Daher ist die Binnennachfrage besonders wichtig, die allerdings, wie bereits erwähnt, zurückgehen wird. Insofern sind in den nächsten Jahren kaum Wachstumsimpulse von der Nachfrageseite zu erwarten. Hier muss man betonen, dass die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise, die 2008 ausbrach, nicht die Hauptursache für die griechische Krise ist. Sie deckte bloß die lang existierenden großen makroökonomischen Ungleichgewichte und die strukturellen Schwächen der griechischen Volkswirtschaft auf. Die Spitze dieser Ungleichgewichte sind die hohen Haushalts- und Leistungsbilanzdefizite sowie die daraus entstandenen öffentlichen und privaten Auslandsschulden. Insofern wird es für die griechische Volkswirtschaft viel schwieriger sein, mit der hausgemachten Krise in absehbare Zeit fertig zu werden. Dies unter anderem auch deshalb, weil die zwingend notwendigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die, in einer Situation einer anhaltenden internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise, zusätzlich unternommen werden müssen, die Wachstumsentwicklungen erheblich beeinträchtigen werden. Dies bedeutet, dass die Erholungszeit der griechischen Volkswirtschaft sehr lang sein wird. Zugleich wirken negativ und verzögern den Erholungsprozess der griechischen Volkswirtschaft die langjährigen strukturellen Verdrehungen (Monopolisierungen) der griechischen Märkte sowie die enormen bürokratischen und zum Teil korruptionsbedingte Belastungen der Produktionsaktivitäten, die ebenso sehr negativ auf die Investitionen und sich insbesondere auf die ausländischen Investitionen auswirken. Nach Angaben der griechischen Zentralbank gingen mit dem Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahre 2008 im folgenden Jahr (Januar-September, 2009) die ausländischen Investitionen in Griechenland, verglichen mit der gleichen Periode des Jahres 2008, um 69% zurück.                  Um sich das Ausmaß der Schuldenproblematik Griechenlands bewusst zu machen, möchte ich folgende Rechnung präsentieren: Nach den Berechnungen des griechischen Finanzministeriums wird am Ende des laufenden Jahres das nominale BIP Griechenlands ca. 228 Mrd. € und die öffentliche Verschuldung ca. 330 Mrd. € betragen. Dies bedeutet, dass das durchschnittliche nominale BIP pro Kopf ca. 21.000 € und die durchschnittlichen pro Kopf öffentlichen Schulden ca. 30.400 € betragen werden. Würde man annehmen, dass für die Versorgung der Griechen im Jahre 2011 Manna von Himmel fallen würde und das gesamte pro Kopf BIP für die Tilgung der öffentliche Auslandsschulden verwendet würde, dann blieben immer noch ca. 118.5 Mrd. € Auslandsschulden übrig bzw. wäre jeder Grieche durchschnittlich immer noch mit ca. 10.920 € verschuldet. Da heute mit solchen Wundern nicht zu rechnen ist, werden Generationen von Griechen in den nächsten Jahrzehnten mit Abtragung der Schulden beschäftig sein.             3.   Lösungsmöglichkeiten   Die tatsächlichen Wirtschaftsaktivitäten Griechenlands in der Außenwirtschaft der letzten 10 Jahre skizzieren meines Erachtens eindeutig seine zukünftige Wachstumsentwicklung. Das Leistungsbilanzdefizit zeigt eindrucksvoll die negative Entwicklung der Außenwirtschaft. Das Leistungsbilanzdefizit von 3,9% des BIP im Jahre 1997 erreichte 2008 14,4% bzw. 44 Mrd. €. Diese Zahlen zeigen, dass die griechische Volkswirtschaft in dieser Periode enorm an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat. Wäre Griechenland außerhalb der Eurozone, dann hätte man erheblich die eigene Währung abwerten müssen, um die Wettbewerbsnachteile auszugleichen.   Eine zukünftige Lösung des griechischen Krisenproblems, die langfristig, wenn nicht sogar mittelfristig, zu einem Ausweg aus der heutigen fiskalischen und allgemein ökonomischen Krise führen könnte, ist meines Erachtens eine beschleunigte Zunahme der außenwirtschaftlichen Orientierung der griechischen Volkswirtschaft. Die Wirtschaftssektoren, Tourismus, Schiffstransport, Dienstleistungen, Landwirtschaft und die künftigen Energiequellen, da Griechenland sehr reich an Sonne und Wind ist, sind die für den Export angezeigten und zweckmäßigsten Wirtschaftszweige Griechenlands. Wenn diese Wirtschaftssektoren besser strukturiert und organisiert als bisher, und wenn sie schließlich rational erschlossen und verwertet würden, werden sie - meines Erachtens - Griechenland zu einem erfolgreichen und zufriedenstellenden ökonomischen Weg führen. Dieser Weg verspricht ökonomisches Wachstum und Wohlstand für alle.   Wenn aber die Wirtschaftspolitik der letzten 35 Jahre weiter fortgesetzt wird, die fast ausschließlich den Konsum als Modell wirtschaftlicher Wachstumsentwicklung ansah, und welcher sogar großzügig mit Auslandskrediten finanziert wurde, dann ist das Land zum Misserfolg verurteilt. Griechenland wird dann nicht nur ökonomisch verwelken und international bedeutungslos werden, sondern wird auch die gegenwärtig drohende Zahlungsunfähigkeit nicht umgehen können. Damit könnten dann die Ängste eines griechischen Freundes, der mir folgendes geschrieben hat, Wirklichkeit werden:  „So werden wir zwar formal freie Bürger bleiben, aber wir werden faktisch von unseren Gläubigern, von den illegalen Einwanderern, von der Arbeitslosigkeit und von der Existenzunsicherheit belagert sein. Und das Ende verrät nicht Gutes. Vielleicht müsste man dann auch unsere Wohnungen veräußern, um unsere Schulden abzuzahlen“. Ganz unrecht scheint er nicht zu haben.      Die heutige Regierung und insbesondere der Ministerpräsident erzählen, dass sie die Probleme erkannt haben, und dass sie entschlossen sind, sie wirkungsvoll anzugehen. Es wird aber Zeit, dass die Worte Taten werden.  
Spiridon Paraskewopoulos @ Köln
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yasni 05.10.10  +  

Krise der Weltwirtschaft. Wer bezahlt die Zeche? Ethik der Abgabebelastung

Prof. Dr. Sp. Paraskewopoulos Emeritus der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig An der Wielermaar 23 D-51143 Köln Tel. 02203-85199 Vortrag im Rahmen der Tagung der Gesellschaft für Wirtschaftswissenschaften und Ethik e.V. vom 5.- 8. November 2009 in Bad Blankenburg (Thüringen) Generalthema der Tagung: Krise der Weltwirtschaft. Zurück zur Sozialen Marktwirtschaft und die ethischen Herausforderungen auf dem Wege dorthin. Thema meines Referats Krise der Weltwirtschaft. Wer bezahlt die Zeche? Ethik der Abgabebelastung Inhalt: 1. Die Notwendigkeit der Staatseinnahmen 2. Die Begründung der Abgabebereitschaft von finanziellen Mitteln 3. Die Höhe der Abgaben und die Abgabeverteilung in Deutschland 4. Vorschlag einer radikalen Reform des Abgabensystems 5. Statistik 1. Die Notwendigkeit der Staatseinnahmen Für die Bewältigung der noch andauernden Finanz- und Wirtschaftskrise, die im letz-ten Jahr spürbar ausbrach, wurden und werden weltweit öffentliche Finanzgarantien und Finanzmitteln in Billionen € Höhe verwendet, die, meines Erachtens, in diesem Ausmaß, eine Novität in der Wirtschaftsgeschichte der Menschheit darstellen. Dieser - von der Sache her - notwendige staatliche finanzielle Einsatz, erlaubt den-noch, die Frage nach der Herkunft der Finanzmittel zu stellen. Auch die seit Jahren andauernde Diskussion in Deutschland über die Ausgewogen-heit des Abgabensystems und über das Ausmaß der Staatsverschuldung, erhält durch die gegenwärtige Finanzkrise, die enorme finanzielle Mittel abverlangt, eine zusätzliche Bedeutung und Schärfe. Bevor ich eine Antwort auf die konkrete Frage meines Themas liefere, nämlich, wer die staatlichen Ausgaben finanziert, möchte ich vorher die Frage über die Notwen-digkeit der Staatsausgaben kurz stellen und erläutern. Ein Gemeinwesen braucht finanzielle Mittel, um seine Organisation bzw. seine Exis-tenz zu finanzieren. Das Regierungssystem, die Verwaltungen, die Justiz, der diplo-matische Dienst, das Militär, die Bildung, das Polizeiwesen, die Infrastruktur etc., also die primären Aufgaben des Staates, erfordern Beträge in Milliarden Höhe. Dazu kom-men noch die zusätzlichen Milliarden, die der Staat im Rahmen seiner Sozialpolitik ausgeben muss. Alle diese Mittel müssen die Bürger dieses Gemeinwesens aufbrin-gen. Ist dieses Gemeinwesen parlamentarisch demokratisch und sozialstaatlich organi-siert, dann bestimmen direkt und indirekt die Bürger über die Notwendigkeit, über die Höhe und über die Träger dieser finanziellen Lasten. Man kann davon ausgehen, dass je mehr Information und Aufklärung, je mehr Transparenz und Gerechtigkeit es bei der Begründung dieser Notwendigkeiten gibt, um so höher wird die Bereitschaft der Bürger sein, diese Lasten nach ihren Leis-tungsfähigkeiten mitzutragen. Geschieht dies nicht, dann wird bei den Bürgern Misstrauen, Abwährhaltung und ei-ne erhebliche Minderung ihrer Bereitschaft entstehen, diese erforderlichen Mittel dem Staat zur Verfügung zu stellen. Allerdings ist diese so allgemein abgeleitete Bereitschaft, selbst wenn auch die an-gesprochenen positiven Bedingungen gelten, nicht bei allen Menschen gleich. 2. Die Begründung der Abgabebereitschaft von finanziellen Mitteln Die Ökonomen versuchen die unterschiedlichen Verhaltensweisen der Menschen im Zusammenhang mit ihrer Bereitschaft dem Staat finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, aus der Existenz zweier Axiome abzuleiten, die nach ihrer Meinung bei allen Menschen gelten. Erstens, jeder Mensch, wenn man von manchen krankhaften Ausnahmen absieht, betrachtet sein eigenes irdisches Leben als sein höchstes Gut. Zweitens, bei jedem Mensch besitzt die Realisierung seiner eigenen persönlichen Interessen in der Gesellschaft, die erste Priorität. Jeder handelt also nach dem Motto: erst ich und dann die anderen. Daraus lässt sich – zunächst allgemein - das kollektive Verhalten aller Menschen ableiten. Würde beispielsweise jemand auf der Basis dieser Axiomen vor der freiwilli-gen Entscheidung stehen, 100 €, die er selber erwirtschaftet hat, zwischen sich und einem anderen Menschen außerhalb seines familiären Kreises aufzuteilen, dann wird er sich zwischen zwei extremen Verhalten bewegen. Entweder er wird alle 100 € für sich behalten, oder er wird maximal 50 € abgeben. Wie tatsächlich die Aufteilung vorgenommen wird, hängt von einer Reihe spezieller Einflussfaktoren ab, die sein tatsächliches Verhalten leiten. In den Gesellschaftswissenschaften unterscheidet man in diesem Zusammenhang zwischen informellen und formellen Einflussfaktoren, die das Verhalten der Men-schen in der Gesellschaft allgemein beeinflussen. Zu den informellen Einflussfakto-ren gehört all das, was man mit dem Begriff Kultur umfasst. Darunter gehören die Volkszugehörigkeit, die gemeinsame Geschichte, die gemeinsame Sprache, die Re-ligionsgemeinschaft, die Erziehung, die Bildung und Ausbildung und nicht zuletzt die Gene. Man spricht auch von positiven oder negativen Pfadabhängigkeiten, die dar-aus resultieren. Alle diese Faktoren prägen die Charaktereigenschaften des einzelnen Menschen, die sein freiwilliges Verhalten gegenüber seinen Mitmenschen bestimmen. Von diesen Charaktereigenschaften hängt auch das moralisch ethische und somit das quasi spontane Verhalten der Menschen gegenüber ihren Mitmenschen in der Gesellschaft ab. Davon hängt es auch ab, ob in der Gesellschaft eine selbstgesteuerte soziale und politische Stabilität (friedliche Koexistenz) entsteht. Um bei meinem Zahlenbeispiel zu bleiben, würden die Menschen von ihren 100 € freiwillig bereit sein, z.B. 30 € abzugeben, dann wird vermutlich diese Gesellschaft, ohne exogenen Zwang, automatisch sozial und politisch stabil sein. Da wir aber in allen Gesellschaften auch und vor allem formelle Ordnungsregeln ha-ben, die gesetzlich verankert werden, ist dies ein Beweis dafür, dass für das Errei-chen der gesellschaftlichen Stabilität die informellen Regeln allein nicht ausreichen. Insofern scheint die alte ordoliberale Auffassung zu gelten, dass ein stabiles gesell-schaftliches Leben der Menschen vorwiegend ordnungsbedingt ist. Allerdings für die Wirtschaftswissenschaftler, die mit der Bewältigung des materiellen Knappheitsproblems zutun haben, können möglicherweise die eingesetzten Ord-nungsregeln ein Effizienzproblem aufwerfen. Dies hängt mit der oben angenomme-nen Gültigkeit der zwei Axiome zusammen. Daher ist es erforderlich, dass der eingesetzte Ordnungsrahmen möglichst zweierlei Wirkungen hervorruft. Einerseits soll er die Dynamik, die Innovationskraft und damit die wachsende Produk-tivität der in der Gesellschaft handelnden Akteure, die für die permanente Relativie-rung des allgemein geltenden Knappheitsproblems sorgen, fördern. Andererseits soll er nicht unsozial wirken, um die Gefahr der Entstehung von instabi-len sozialen und politischen Entwicklungen zu minimieren, die die Leistungsbereit-schaft der Akteure gefährden könnten. Mit anderen Worten, der Ordnungsrahmen soll die Handlungsfreiheit der Akteure dort einschränken, wo sie unsozial in der Gesellschaft zu wirken beginnt. Für die Erreichung dieser Ergebnisse hatte man in der Bundesrepublik Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg die glorreiche Idee der Einführung der Sozialen Markt-wirtschaft, die eine Kombination vom Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip darstellt. Die Begriffe Markt und Sozial haben in diesem Ordnungssystem eine gleichgewichti-ge Bedeutung. Der Begriff Markt steht für die wirtschaftliche Freiheit und wirtschaftli-che Leistung der Akteure. Die wirtschaftliche Freiheit und wirtschaftliche Leistung besteht: erstens in der Freiheit der Verbraucher, Güter nach beliebiger Wahl aus dem Sozi-alprodukt zu kaufen, es besteht also Konsumfreiheit. Zweitens in der Freiheit der Eigentümer ihre Ideen, ihre Arbeitskraft, ihr Geld, ihre Sachgüter und unternehmerischen Fähigkeiten nach eigener Wahl einzusetzen. Drittens in der Freiheit der Unternehmer, Güter eigener Wahl zu produzieren und abzusetzen und viertens in der Freiheit aller Akteure, Güter und Dienstleistungen kaufen und ver-kaufen zu können (Wettbewerbsfreiheit). Ihre Grenzen finden diese Freiheitsrechte dort, wo die Rechte Dritter, die verfas-sungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verletzt werden (Art.2 GG). Der Begriff ”sozial” sollte folgendes zum Ausdruck bringen: Erstens, dass die Marktwirtschaft allein durch ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, und durch die Gewährung wirtschaftliche Freiheitsrechte für alle, einen sozialen Cha-rakter in sich trägt. Damit schafft sie die wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzun-gen für die Realisierung eines Wohlstandes für alle. Zweitens, dass die Marktfreiheit aus sozialen Gründen dort beschränkt werden sollte, wo sie für die Mehrheit der Menschen sozial unerwünschte Ergebnisse hat und des-halb aus gesellschaftspolitischen Gründen korrigiert werden müssen. Solche Korrek-turen finden durch politische Umverteilungen der Marktergebnisse statt. Die politischen Korrekturen sind gesellschaftlich notwendig, weil es einmal im Rah-men des Marktsystems Marktversagen gibt, wie anormale Reaktionen am Arbeits-markt, nicht automatische Berücksichtigung der Umweltgüter, Entstehung von Mono-polmacht etc. All dies verhindert die leistungsgerechte Verteilung der Einkommen und der Kosten und bedarf daher der politischen Korrektur. Zum anderen das Allokationssystem des Marktes lässt fast die Hälfte der Menschen in der Gesellschaft unberücksichtigt. Dies betrifft die Kinder, die Kranken, die Alten und die Arbeitslosen. Deshalb ist im Rahmen einer Sozialen Marktwirtschaft der Staat verpflichtet durch Sozialpolitik, Umverteilungen vorzunehmen, um diesem Teil der Bevölkerung existentiell zu sichern und damit diesen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich über die Verwendung ihres Transferseinkommens am Marktsystem zu beteiligen. MÜLLER-ARMACK der Schöpfer des Begriffes Soziale Marktwirtschaft definiert sie wie folgt: Sie ist eine ordnungspolitische Idee, die auf der Basis des Wettbewerbs, die freie Initiative mit einem durch die marktwirtschaftliche Leistung gesicherten sozialen Fortschritt verbindet. Auf der Grundlage einer solchen marktwirtschaftlichen Ordnung kann ein vielgestal-tiges und vollständiges System sozialen Schutzes für alle Menschen errichtet werden. In der heutigen Diskussion hat man Zweifel, ob die praktizierte Art der Sozialen Marktwirtschaft in der BRD den Intentionen ihrer Väter (insbesondere Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack) entspricht. Unternehmerverbände, Gewerkschaften, Parteien, Regierung, Opposition, Wissen-schaftler sowie soziale Verbände haben unterschiedliche Vorstellungen, wie im Zeit-alter der Globalisierung die konkrete Ausgestaltung der Sozialen Marktwirtschaft sein soll. Über die besonderen Charakteristika der Sozialen Marktwirtschaft ist man mehr oder weniger einig. Diese allgemein akzeptierten Charakteristika sind: Erstens, in der Sozialen Marktwirtschaft sollen grundsätzlich die Wirkungen der Marktpreismechanismen durch politische Einflüsse nicht beeinträchtigt werden. Sie sind erforderlich, um optimale Lösungen des Allokations-, des Leistungs-, des Vertei-lungs- und des Macht- bzw. des Interessenausgleichsproblems zu bewirken. Zweitens, wirtschaftspolitische Eingriffe des Staates zugunsten wirtschaftlich Schwacher sind notwendig und müssen systembedingt möglich sein. Die Sozial- und die Steuergesetzgebung müsste deshalb viele Bereiche die darunter fallen nicht nur berücksichtigen, sondern auch wirtschaftlich wie sozial optimal gestal-ten. Das Letztere betrifft unmittelbar mein Thema. Die Sozial- und allgemein die Abgabe-politik des Staates wird von den Bürgern in der Sozialen Marktwirtschaft ohne Leis-tungsverweigerung akzeptiert, wenn die Bürger der Meinung sind, dass die Einnah-menpolitik des Staates leistungsgerecht vor sich geht. Gerade dies scheint in Deutschland in den letzten Jahren nicht der Fall zu sein. Nur wenigen Leuten ist meines Erachtens bewusst, wie sehr sich die Kluft zwischen den sehr Reichen und dem Rest der Menschen innerhalb relativ kurzer Zeit verbrei-tert hat. Wer sich mit diesem Thema beschäftigt, setzt sich unweigerlich dem Ver-dacht aus, „Klassenkampf“ oder eine „Politik des Neides“ zu betreiben. Und nur we-nige Leute sind tatsächlich willens, über die weitgehenden Auswirkungen dieser sich immer weiter öffnenden Schere zu sprechen – ökonomische, soziale und politische Auswirkungen werden die Folgen sein. 3. Die Höhe der Abgaben und die Abgabeverteilung in Deutschland Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2008 in Deutschland insgesamt 561,2 Milliarden € (ca. je zur Hälfte als direkte und indirekte Steuern) so-wie 480,0 Milliarden € Sozialversicherungsbeiträge von Staatlichen Trägern einge-nommen (insgesamt 1.041,2 Mrd.). Diese Abgaben machten 41,7% des Bruttoin-landsprodukts (BIP) aus. Die Gesamtleistungen des Sozialbudgets insgesamt belie-fen sich 2007 für Deutschland auf rund 707 Milliarden Euro. Die Sozialleistungsquote, das Verhältnis dieser Sozialleistungen zum Bruttoinlands-produkt, betrug 2007 für Deutschland 29,2 %. Nach Ermittlungen des Statistischen Bundesamtes gab es im Jahre 2004 (leider gibt es noch keine neueren Zahlen) 35 Millionen Steuerpflichtige. 26,8 % oder 9,4 Millio-nen der Steuerpflichtigen haben 79,6 % der Lohn- und Einkommenssteuer bezahlt. Die Jahreseinkünfte dieser Gruppe betrugen mindestens 37.500 € (3.125 € monat-lich). 8,3 % bzw. 2,9 Millionen davon hatten Jahreseinkommen von mehr als 66.200 € und zahlten ca. 50% der Lohn- und Einkommenssteuer. Die Hälfte aller Zahler, 17,5 Millionen, hatten Jahreseinkünfte von weniger als 23.000 € und trugen nur 4,0% zum Lohn- und Einkommenssteueraufkommen bei. 10,1 Milli-onen oder 28,8% erzielten Gesamteinkünfte von maximal 10.000 Euro. Diese waren zum größten Teil Lohn- und Einkommenssteuerfrei. Diese Einkommen wurden aller-dings fast vollständig von den indirekten Steuern und von den Sozialabgaben betrof-fen. Unter den Spitzenverdienern des Jahres 2004 waren immerhin 9.688 € - Millionäre mit Durchschnittseinkünften von 2,7 Millionen Euro. Sie stellten 0,03 Prozent aller Steuerpflichtigen. Von ihnen zahlte jeder im Durchschnitt 968.000 Euro Einkommens-teuer. Für das Jahr 2004 wurde ermittelt, dass 10% der Steuerpflichtigen 54,3% der Lohn- und Einkommenssteuer bezahlt haben. Zur diesen Gruppe gehörten alle diejenigen, die über 61.300 € Jahreseinkünfte hatten. Auf das oberste Prozent der Einkom-mensreichsten (Einkommen von über 150 600 €) entfielen 21,2% der Einkommens-teuer. Die indirekten Steuern und die Sozialen Beiträgen werden allerdings überpro-portional von den niedrigeren Einkommensbeziehern getragen. 4. Vorschlag einer radikalen Reform des Abgabensystems Seit Jahren findet eine intensive und kritische Diskussion über die wirtschafts- und sozialpolitischen Wirkungen der bestehenden Steuer- und Abgabensysteme statt. Viele Bestandteile dieser Abgabensysteme werden in vielerlei Hinsicht kritisiert. Vor allem werden ihre Unübersichtlichkeit und ihre Ungerechtigkeit angesprochen. In den letzten Jahren kamen die Unzulänglichkeiten bei der Finanzierung der Sozialsiche-rungssysteme hinzu. Es wird immer wieder eine Steuervereinfachung angemahnt, die meines Erachtens, wenn sie im Rahmen des bestehenden Steuer- und Abgabesystems stattfindet, zur Erhöhung der bestehenden Ungerechtigkeiten hinsichtlich der Verteilung der Abga-belasten führen wird. Tatsächlich ist es heute so, dass man sich ohne professionelle Hilfe mit den ver-schiedenen Steuer- und Abgabenarten sowie Steuervorschriften nicht zu Recht findet. Auch die zurzeit über 1.041 Mrd. € Steuer- und Sozialabgaben (41,7% {2.495,8 Mrd. €} des BIP, 2008), die die Bürger an den Staat und an die sozialen Einrichtungen zahlen, werden nicht nach der Leistungsfähigkeit der Leistungsträger verteilt. Dies basiert auf der Tatsache, dass zum Einen im Rahmen des bestehenden Steuersys-tems etwa die Hälfte des Steueraufkommens (ca. 280 Mrd. €, 2008) aus indirekten Steuern resultiert, und zum Anderen im Rahmen des Sozialsystems ein großer Teil der Einkommen nicht für die Finanzierung der Sozialsicherungssysteme berücksich-tigt wird. Diese unsolidarischen Tatbestände werden zwar als ungerecht empfunden, sind aber kaum Gegenstand der öffentlichen politischen Diskussion. Damit werden die niedrigen Einkommen voll von den indirekten Steuern betroffen, während die hohen Einkommen nur zum Teil für die indirekten Steuern infrage kom-men. Die Ungerechtigkeit besteht also darin, dass jeder Verbraucher unabhängig von der Höhe seines Einkommens mit einem annähernd gleichen indirekten Steuerbetrag belastet wird. Die prozentuale Steuerbelastung ist somit bei kleinen Einkommen grö-ßer als bei höheren und bei kinderreichen Familien stärker als bei kinderlosen Ehe-paaren oder Ledigen. Diese Wirkung der indirekten Steuern wird als „Regression" bezeichnet und wurde bis heute als antisozial empfunden. Ähnliches gilt bei die Sozialabgaben, die nicht die gesamte Höhe der Einkommen, sondern in Höhe der jährlich festgelegten Bemessungsgrenzen des Arbeitseinkom-mens, belasten. Diese Abgabepolitik führt dazu, dass die Niedrigeinkommensbezieher überproportio-nal zu Staatseinnahmen beitragen. Nach einer Untersuchung der OECD liegt die Ab-gabequote in Deutschland für einen Einzelverdiener mit 110.000 Euro Jahresgehalt genau so hoch wie für einen Arbeitnehmer mit 36.500 Euro Jahresgehalt. Würde man auch die Pendlerpauschale und andere an besondere Voraussetzungen ge-knüpfte Steuerfreibeträge berücksichtigen, wäre die Entlastung am oberen Ende der Einkommensskala noch deutlicher. Abgesehen von der Gerechtigkeitsfrage wirkt sich diese Abgabepolitik auch negativ auf viele Bereiche der Volkswirtschaft aus. Sie wirkt wachstums- und beschäftigungshemend, weil sie durch die indirekten Steu-ern und durch die Sozialabgaben der Unternehmungen die Kosten der Produktion sowie die Preise der Produkte erhöht und damit die internationale Wettbewerbsfähig-keit der deutschen Wirtschaft beeinträchtigt. Sie wirkt auch konjunkturhemmend, weil sie die konsumfreudigeren Niedrigeinkom-mensbezieher überproportional belastet. Hinzu kommt, dass diese Art der Abgabenpolitik die Erhebungskosten der Abgaben durch Überbürokratisierung erhöht und eine zusätzliche und teuere Sozial- sowie Subventionspolitik (Umverteilungspolitik) notwendig macht. Von allen diesen angesprochenen negativen Folgen könnte man sich meines Erach-tens befreien, wenn eine radikale und zugleich einfache Reform des gesamten Ab-gabensystems vorgenommen würde. Sie soll dahin führen, dass ihre Ergebnisse nicht nur dem System der Sozialen Marktwirtschaft gerecht würden, sondern auch das ganze Abgabensystem total transparent und für jeden nachvollziehbar wäre. Gerecht sein, bedeutet in diesem Zusammenhang, dass alle Leistungsträger und Transfereinkommensbezieher gemäß ihrer Erwerbs-, Vermögens- und Transferein-kommen zu den Staatslasten beitragen. Der folgende Vorschlag basiert zunächst auf der Annahme, das die Steuer- und sonstige Abgabebelastungen von gegenwärtig (2007) 950 Mrd. € bestehen bleiben. Ob später diese Abgabenhöhe nach Einführung und Wirkung der Reform notwendig ist, soll dann überprüft werden. Der Vorschlag lautet: - Es werden nur direkte Steuern erhoben, aus welchen sämtliche Staatsaufgaben einschließlich aller Sozialsicherungssysteme finanziert werden. - Die erste unmittelbare Folge ist, dass sich die reale Kaufkraft aller Einkommensbe-zieher um die Höhe der einbehaltenen indirekten Steuern erhöht. Bei Niedrigein-kommensbeziehern kann dies weit mehr als 20% Erhöhung ihres realen Einkom-mens bedeuten. - Es wird ein jährlicher Steuer- und Abgabenfreibetrag in Höhe von 10.000 € pro Kopf gewährt, welcher zugleich als Jahresbruttoeinkommen (Transferjahreseinkommen) allen Nichteinkommensbeziehern gewährt wird. Sämtliche Transferzahlungen, wie Kindergeld, Wohngeld, Mutterschaftsgeld, staatliche Hilfen zur Rentenversicherung, etc. fallen damit weg. - Das jährliche Erwerbs- und Vermögenseinkommen, welches den Freibetrag von 10.000 € überschreitet, wird bis zu 24.000 € mit 30%, die weiteren 24.000 € mit 40% und alle weitere Einkommen mit 50% belastet. Alle Einkunftsarten der natürlichen Personen werden hierfür herangezogen. - Die Unternehmenssteuer für die ausgeschütteten Gewinne soll 25% und für die nicht ausgeschütteten Gewinne 20% betragen. Sämtliche sonstige Kapitalertrags-steuern fallen weg. - Jede Person ist mit diesen Abgaben im Krankheits- und Pflegefall versichert. Bis drei Monate im Jahr wird im Krankheitsfall das bisherige Einkommen gewährt. - Im Falle der Arbeitslosigkeit werden 70% des monatlichen Einkommens für ein Jahr gewährt, wenn die betreffende Person mindestens zwei Jahre erwerbstätig gewesen ist. Ist diese Person mehr als 10 Jahre erwerbstätig, verlängert sich der Einkom-mensbezug um 6 Monate. Zwei Jahre Anspruch auf dieses Arbeitslosengeld haben die Personen, die mindestens 30 Erwerbsjahre haben. Eine Arbeitslosenversiche-rung ist damit nicht erforderlich. - Die Höhe der Altersrente hängt von der Zeitdauer und von der Höhe der gezahlten Abgaben ab. Ihre Höhe darf dabei 70% des durchschnittlichen Einkommens der letz-ten 10 Erwerbsjahre bei einer vierzigjährigen Erwerbstätigkeit nicht überschreiten, (jedes vollbeschäftigte Jahr bringt 1,75% des durchschnittlichen Einkommens der letzten 10 mit Abgaben belasteten Erwerbsjahren (40 Jahre x 1,75% = 70%). Die höchste Jahresaltersrente darf allerdings das Jahresgehalt - beispielsweise des/der Bundeskanzlers/rin - nicht überschreiten. - Für volljährige Personen die kein oder ein geringeres Erwerbs- oder/und Vermö-genseinkommen bzw. Jahresrente als 10.000 € erzielen, wird eine jährliche Transfer-leistung bis zur Höhe des Steuerfreibetrages (10.000 €) gewährt. Der Einkommens-teil, der Transferzahlung, wird mit 30% besteuert. Wegen der relativ hohen Wohnkos-ten sollte für Einpersonhaushalte ein Abgabensatz von 15% gelten. Außer der Dynamisierung der Volkswirtschaft durch die enorme Erhöhung der Real-einkommen, werden durch die vorgeschlagene Reform: - keine Sondersteuerregelungen mehr notwendig sein. - Das Steuerrecht und die Sozialabgaberegelungen werden sehr vereinfacht. - Rentenversicherungsträger und Pensionsregelungen für Beamten werden überflüs-sig. - Es wird ein enormer Bürokratieabbau stattfinden. - Milliarden von Staatsausgaben werden eingespart. - Mehrere Tausend Staatsbedienstete werden frei und für den florierenden privaten Sektor zur Verfügung stehen. Allerdings wird damit zu rechnen sein, dass die Steuerfandungsbehörde mehr und die Politiker weniger Beschäftigung bekommen werden. 5. Statistik Statistik über das Steueraufkommen Kassenmäßige Steuereinnahmen in Millionen Euro Steuerart 2006 2007 2008 Aufkommen 4 88 444 538 243 561 182 Gemeinschaftsteuern 329 302 374 334 396 472 Lohnsteuer1 122 612 131 773 141 895 Veranlagte Einkommensteuer2 17 566 25 027 32 685 Nicht veranlagte Steuern vom Ertrag2 11 904 13 791 16 575 Zinsabschlag 7 633 11 178 13 459 Körperschaftsteuer2 22 898 22 929 15 868 Umsatzsteuer 111 318 127 522 130 789 Einfuhrumsatzsteuer 35 370 42 114 45 200 Bundessteuern 84 215 85 690 86 302 Versicherungsteuer 8 775 10 331 10 478 Tabaksteuer 14 387 14 254 13 574 Kaffeesteuer 973 1 086 1 008 Branntweinsteuer 2 160 1 959 2 126 Alcopop 6 3 3 Schaumweinsteuer 421 371 430 Zwischenerzeugnissteuer 26 25 27 Energi esteuer3 39 916 38 955 39 248 Stromsteuer 6 273 6 355 6 261 Solidaritätszuschlag 11 277 12 349 13 146 Pauschalierte Eingangsabgaben 1 1 2 Sonstige Bundessteuern 0 0 0 Zölle 3 880 3 983 4 002 Landessteuern 21 729 22 836 21 937 Vermögensteuer 27 5 - 6 Erbschaftsteuer 3 763 4 203 4 771 Grunderwerbsteuer4 6 125 6 952 5 728 Kraftfahrzeugsteuer 8 937 8 898 8 842 Rennwett- und Lotteriesteuer 1 775 1 702 1 536 Feuerschutzsteuer 322 319 327 Biersteue r 779 757 740 Gemeindesteuern 49 319 51 401 52 468 Grundsteuer A (Land und Forstwirtschaft) 353 355 356 Grundsteuer B (Sonstige Grundstücke) 10 045 10 358 10 451 Gewerbesteuer 38 369 40 116 41 037 Sonstige Steuern5 551 572 624 1 Nach Abzug von Kindergeld ausschließlich Pauschsteuer Mini-Jobs und Altersvorsorge. 2 Nach Abzug von Erstattungen des Bundesamtes für Finanzen. 3 Bis 31.7.2006 Mineralölsteuer. 4 Einschließlich kommunalen Anteils der Grunderwerbsteuer. 5 Ohne steuerähnliche Einnahmen. Sozialbudget 2007 Leistungen nach Arten und Funktionen1,2 Gegenstand der Nachweisung Insge-samt Sozialschutzleistungen Verwaltungsausga-ben Sonstige Ausgaben Einkommensleis-tungen Sachleistun -gen Millionen Euro 1 Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bonn. Datenstand Juni 2009. 2 Vorläufige Daten. - = Nichts vorhanden. Krankheit 190 056 29 802 160 254 - - Invalidität 51 723 40 554 11 169 - - Alter 227 967 227 636 331 - - Hinterbliebene 48 235 47 931 305 - - Kinder 70 500 52 745 17 755 - - Ehegatten 24 492 24 492 - - - Mutterschaft 5 481 2 831 2 650 - - Arbeitslosigkeit 38 301 36 473 1 827 - - Wohnen 20 118 5 260 14 858 - - Allgemeine Le-benshilfen 4 295 3 445 850 - - Verwaltung 24 406 - - 24 406 - Sonstige Ausga-ben 1 294 - - - 1 294 Insgesamt 706 868 471 169 209 999 24 406 1 294 Einkommensbezieher in € In % des Gesamteinkommens und in % der Bevölkerung Quelle Statistisches Bundesamt Nov 2008 (Ca. 280,5 Mrd. €, 2008) (Ca. 280,5 Mrd. €, 2008)
Spiridon Paraskewopoulos @ Köln
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yasni 18.12.09  +  

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